Filmkritik zu ‘Blue Valentine’

Erstellt am 7. August 2011 von Denis Sasse @filmtogo

Michelle Williams ist sicherlich als Gewinnerin aus dem Duell hervorgegangen, welcher ‚Dawsons Creek‘-Darsteller nach dem Ende der Serie vor acht Jahren am besten den Schritt auf die große Leinwand vollführen würde. Dabei orientierte sich die Schauspielerin nicht nur am Mainstream-Kino (‚Brokeback Mountain‘, ‚Shutter Island‘) sondern überzeugte vor allen Dingen in kleineren Produktionen, in denen sie zumeist im alleinigen Mittelpunkt stand: ‚Wendy & Lucy‘ (2008) oder in dem in den Vereinigten Staaten bereits gelaufenen ‚Meek’s Cutoff‘ – Deutschlandstart ist der 3. November 2011. Bereits im Januar letzten Jahres feierte der Film ‚Blue Valentine‘, in dem sie gemeinsam mit ‚Lars und die Frauen‘-Darsteller Ryan Gosling zu sehen ist, auf dem Sundance Film Festival seine viel umjubelte Premiere. Der von den beiden Darstellern getragene Film machte die Festival-Runde: Cannes, Telluride, Toronto, Zürich, London und viele weitere Stationen, die ihnen alle dasselbe bescheinigten: Eine einmalige darstellerische Leistung. Nun darf sich auch endlich das deutsche Kinopublikum von den Qualitäten dieses kleinen Schmuckstücks überzeugen.

Nach sechs gemeinsamen Jahren ist Deans (Gosling) und Cindys (Williams) Ehe am Ende. Was als romantische Leidenschaft mit unbedingter Hingabe begann, ist schleichender Ernüchterung gewichen. Aus Liebeserklärungen per Ukulele und Stepptanz wurden banale Streitigkeiten um Geld, um fehlgeschlagene Ambitionen und um Tochter Frankie (Faith Wladyka). Wie es so weit kommen konnte, weiß keiner von ihnen. Den Kampf scheinen beide bereits verloren zu haben. Als letzten Rettungsversuch für die Ehe verbringen Dean und Cindy eine Nacht in einem Motel, in der sowohl zärtliche Erinnerungen an die erste Zeit als Paar als auch die brutale Gewissheit wach werden, dass sie vor der härtesten Veränderung ihres Lebens stehen.

Michelle Williams

Regisseur Derek Cianfrance kombiniert seine Erfahrungen aus dem Dokumentar- und Kurzfilm. Sehr lebensnahe schildert er, wie sich Dean und Cindy voneinander entfernt haben. Dabei erfahren die Zuschauer nicht das Zwischenspiel, wie es soweit kommen konnte. Der Film stellt es als gegeben dahin, dass dort keine Liebe mehr vorhanden ist, sondern nur Verzweiflung, wie man aus der gegebenen Situation ausbrechen kann. Auf der anderen Seite erzählt er die liebevolle, fast schon aus einer anderen Welt stammende Geschichte, des ersten Kennenlernens, des Verliebt seins und der ersten gemeinsamen Nacht. So reiht Cianfrance dokumentarische Bilder an kurzfilmartige Episoden aus der Gegenwart und Vergangenheit der beiden Protagonisten.

Dabei werden immer wieder die starken Kontraste hervorgehoben. Die Rückblicke erscheinen von solcher Leichtigkeit, werden mit fröhlicher Hintergrundmusik unterlegt, dass der Zuschauer sich wirklich fragen muss, wie es jemals soweit kommen konnte, dass diese beiden Personen sich so sehr hassen, wie es in der Gegenwart der Fall ist. Hier ist die Stimmung angespannt, ruhig, abweisend. Diese gruselige Ernsthaftigkeit trifft auf den unbekümmerten Frohsinn und zeigt damit auf, wie sich der Traum von der großen Liebe binnen weniger Jahre in das exakte Gegenteil verwandeln kann. Nichts wehrt ewig.

Ryan Gosling

Und auch die Chemie zwischen den Darstellern stimmt. Um seine Kollegin besser kennenzulernen, hat sich Ryan Gosling mehrere Wochen bei Michelle Williams eingenistet, mit ihr gelebt, ein Zusammenleben geschaffen, welches ein Aspekt des guten Zusammenspiels der beiden sein dürfte. Man darf es als magischen Moment ansehen, wenn Gosling auf seiner Ukulele spielt, dazu singt und Williams vergnügt, mit einem Herz im Hintergrund, mitten auf der Straße tanzt. Hier ist nichts zu spüren von der Teilnahmslosigkeit, die sie in ihrem späteren Leben an den Tag legen wird. Viel zu früh wurde Cindy zur Mutter, hat sich dadurch in ihrer kleinen Heimat binden lassen, konnte niemals entkommen. Ihr Leben ist nicht das, was sie sich erträumt hat. Dann schmerzt es natürlich zu sehen, dass sie mit Dean einen Mann an der Seite hat, der so viel mehr aus seinem Leben machen könnte, seine Chancen aber einfach nicht nutzt.

Selten hat man sich als Zuschauer das Wort „Scheidung“ so sehr herbeigesehnt. Wenn es dann auf der Leinwand zum ersten Mal fällt, fühlt man eine Art Befreiung für Cindy, während sich Dean erst noch an die gegebene Situation klammert, seine Ehe retten möchte, da er sonst ohne Perspektiven durchs Leben stolpern wird. Zumindest glaub er das. Auch wenn der Film die weitere Geschichte nicht zeigt, kann man davon ausgehen, dass sich das Leben beider Menschen zum Besseren verändern wird. Das Ende – ebenso wie der Film – bewegt die beiden Figuren auseinander, zeigt noch einmal das Bild von zwei Personen, die einst zusammen gestanden, nun aber in entgegengesetzte Richtungen gehen müssen um nicht an ihrer Verzweiflung zu zergehen.

‚Blue Valentine‘ ist eine moderne Liebesgeschichte, die zeigt, dass eine große Liebe auch scheitern kann, wenn sie offenbar perfekt begonnen hat. Das Ende, so tragisch es ausschaut, dient eher zur Befreiung und schafft es, dieses Gefühl auch auf den Zuschauer zu übertragen, so dass dieser nicht mit einem mulmigen Gefühl den Film hinter sich lassen wird. Sowohl Michelle Williams als auch Ryan Gosling empfehlen sich als Charakterdarsteller, die gemeinsam eine Atmosphäre erschaffen, der man sich nicht entziehen kann.

Denis Sasse


’Blue Valentine’

Originaltitel: Blue Valentine
Altersfreigabe: ab 12 Jahren
Produktionsland, Jahr: USA, 2010
Länge: ca. 112 Minuten
Regie: Derek Cianfrance
Darsteller: Michelle Williams, Ryan Gosling, Faith Wladyka, John Doman, Mike Vogel

Deutschlandstart: 4. August 2011
Offizielle Homepage: bluevalentinemovie.com/