Filmkritik zu “Atemlos – Gefährliche Wahrheit”

Filmkritik zu “Atemlos – Gefährliche Wahrheit”

Regisseur John Singleton war bisher dafür bekannt, schwarze Subkultur zu inszenieren. Sein Debüt gab er 1991 mit „Boyz n the Hood“, der von einem Bandenkrieg in South Central, einem von Schwarzen dominierten Stadtteil von Los Angeles, erzählt. Es folgten das 2000er Remake von „Shaft“ mit Samuel L. Jackson und die Zusammenarbeit mit Schauspieler Tyrese Gibson, dem Singleton eine Hauptrolle in „2 Fast 2 Furious“ verschaffte und mit ihm für „Vier Brüder“ erneut kooperierte. Nun ist es ausgerechnet dieser Regisseur, der aus dem „Twilight“-Kuschel-Werwolf Jacob einen gestandenen Action-Helden machen soll. Dabei verlässt sich Singleton für “Atemlos – Gefährliche Wahrheit” aber nicht allein auf das Schauspiel seines Hauptdarstellers Taylor Lautner, sondern umgibt den Jungstar mit einer ganzen Reihe von Darstellern, die ihr Handwerk beherrschen: Darunter Alfred Molina, Jason Isaacs und Sigourney Weaver.

Lautner schlüpft in die Rolle des Teenagers Nathan Harper, der auf einer Website mit Fotos von vermissten Kindern ein Bild entdeckt, das ihn als kleinen Jungen zeigt. Doch wenn er gar nicht bei seinen richtigen Eltern lebt, wer sind dann die Menschen, die ihn aufgezogen haben? Schlagartig wird Nathan klar, dass sein ganzes Leben eine Lüge sein muss. Als er beginnt, nach seiner wahren Identität zu forschen, wird er plötzlich zur Zielscheibe hochprofessioneller Killer. Nur seiner Klassenkameradin Karen (Lily Collins) kann er jetzt noch trauen. Zusammen gelingt ihnen zwar im letzten Moment die Flucht, aber instinktiv weiß Nathan, dass der Schlüssel zur Wahrheit in seiner Vergangenheit liegt. Er muss die Dinge selbst in die Hand nehmen, wenn er das Geheimnis lüften will.

Filmkritik zu “Atemlos – Gefährliche Wahrheit”

Alfred Molina & Taylor Lautner

Dinge selbst in die Hand nehmen – ein Motiv welches sich in „Atemlos“ auch auf den Hauptdarsteller Taylor Lautner übertragen lässt. Aber sowohl die Filmfigur Nathan Harper als auch der Schauspieler selbst, scheitern an dem Vorhaben, selbst ihre Probleme zu lösen. Auf filmischer Ebene darf der Zuschauer zwar der Flucht des Teenagers beiwohnen, am Ende seiner Reise, wenn er sich im finalen Showdown dem Russen Koszlow stellen muss, ist es aber sein Vater, der die Situation für seinen Jungen regelt. Lautner wiederum hat mit einer Fehlbesetzung zu kämpfen, der er nicht gewachsen ist. Hätte man ihn mit ähnlich schwachen Darstellern auf der Leinwand zusammen gebracht, wäre das Ergebnis wahrscheinlich weniger auffällig gewesen. So aber sind es Alfred Molina („Duell der Magier“) als CIA-Ermittler, Jason Isaacs („Harry Potter und die Heiligtümer des Todes“) als Vater, Sigourney Weaver („Paul – Ein Alien auf der Flucht“) als Psychiaterin oder der aus Stockholm stammende Michael Nyqvist – aus der Millennium-Trilogie – als Gegenspieler Koszlow, die dem eigentlichen Hauptdarsteller die Show stehlen.

Dabei macht vor allem Nyqvist eine gute Rolle, der hier einen seiner ersten Hollywood Auftritte absolviert, bevor er als nächstes neben Tom Cruise in dem Blockbuster „Mission: Impossible – Ghost Protocol“ zu sehen sein wird. Eine ganze Zeit lang imponiert der schwedische Darsteller durch bloße Mimik, jagt Lautner stillschweigend hinterher und bildet damit den stärksten Kontrast zu der fehlenden Mimik des Hauptdarstellers. Wenn man als Zuschauer schon mit dem Gedanken abgeschlossen hat, dass Nyqvist hier nur eine kleine visuelle Rolle abbekommen hat, wird er plötzlich doch noch zum charismatisch sprechenden Bösewicht, für den man sich weitaus mehr interessiert als für Nathan Harper. Leider bleibt die Figur des Russen Koszlow aber nur oberflächlich, zu wenig Zeit und Mühe hat man in die Charakterisierung und Personalisierung der Figuren gesteckt, als das man sich wirklich mit ihnen beschäftigen möchte.

Ganz anders als die erwachsene Vorlage „Die Bourne Identität“ samt seinen Fortsetzungen, bleibt „Atemlos“ actionarm. Die Kämpfe sind langweilig choreographiert, die Bilder wirken uninspiriert, die Kameraführung bleibt langweilig, bietet keinen wirklichen Hingucker. Und auch die Kulissen und Landschaftsbilder, bei denen man à la „Auf der Flucht“ zumindest einige wichtige Stationen hätte aufzeigen können, waren für das Filmteam wohl eher irrelevant. Das Hauptaugenmerk gilt eher den Bildern, in denen Taylor Lautner mit entblößtem Oberkörper zu sehen ist oder in denen sein Gesicht in Großaufnahme eingefangen wurden. Für die „Team Jacob“-Anhänger mag das ein Grund sein, den Film anzusehen, für alle anderen wirkt das eher abstoßend.

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Taylor Lautner & Lily Collins

Aber selbst „Team Jacob“ wird seine Probleme mit dieser wenig charismatischen Figur haben: Geile Frauen, Aufreißer-Sprüche, erst Schlagen dann Denken – so könnte man Nathan Harper auch charakterisieren. Sein Besuch bei einer Psychiaterin wird dadurch erklärt, dass er früher durch seine Wutausbrüche mit Leichtigkeit in der Jugendvollzugsanstalt hätte landen können. Eine unglaubwürdige Randnotiz, die Lautners Figur lediglich das gewisse Maß an Gefährlichkeit zukommen lassen soll – was allerdings ganz gehörig nach hinten losgeht.

Und wenn das große Ende dann bevorsteht, kommt der wahre Vater aus der Versenkung hervor um seinem Sohn eine gut gemeinte Hilfe zukommen zu lassen. Der Zuschauer fragt sich unterdessen, wer genau diese neue Vaterfigur ist, bekommt aber die Auflösung nicht serviert. Statt hier einen ansatzweise interessanten Handlungsstrang weiter zu verfolgen, widmet sich „Atemlos“ der Liebesgeschichte zwischen Lautner und Lily Collins, die an dieser Stelle pures Desinteresse aufkommen lässt. Wer sich derweil wirklich für den armen Darsteller interessiert, der niemals zu sehen ist, sollte einen Blick auf Dermot Mulroney („Flash of Genius“) werfen, der die undankbare Rolle von Taylor Lautners Filmvaterfigur übernommen hat.

„Atemlos“ bietet gute Ansätze, die man allerdings allesamt bereits durch die Bourne-Verfilmungen zu sehen bekommen hat. In Kombination mit Lautners nackten Oberkörper – dem wiederum man bereits in der Twilight-Saga zu Genüge vorgesetzt bekommen hat, wirkt es fast so, als habe Regisseur Singleton nur die für ein vorpubertäres Publikum wichtigen Motive in seine Handlung aufgenommen. Wer also zur bloßen Fleischbeschau von Taylor Lautner im Kinosessel Platz nehmen möchte, wird voll und ganz auf seine Kosten kommen.

Denis Sasse

Filmkritik zu “Atemlos – Gefährliche Wahrheit”

‘Atemlos – Gefährliche Wahrheit‘

Originaltitel: Abduction
Altersfreigabe: ab 12 Jahren
Produktionsland, Jahr: USA, 2011
Länge: ca. 106 Minuten
Regie: John Singleton
Darsteller: Taylor Lautner, Lily Collins, Maria Bello, Jason Isaacs, Alfred Molina, Michael Nyqvist, Sigourney Weaver, Dermot Mulroney


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