Filmkritik zu Andrew Stantons ‘John Carter’

Filmkritik zu Andrew Stantons ‘John Carter’

Bekannt wurde der amerikanische Schriftsteller Edgar Rice Burroughs durch seinen Dschungelhelden Tarzan, den er in mehr als zwanzig Geschichten durch den afrikanischen Urwald von Liane zu Liane schwingen ließ. Über die Jahre hinweg wurde Tarzan in jedweder Medienform Beachtung geschenkt. Der bekannteste Auftritt kommt von Schauspieler Johnny Weissmüller, der als erster Tarzan-Darsteller der Tonfilmzeit 1932 den markanten Dschungelschrei ausstoßen durfte. Neben den abenteuerlichen Geschichten um Tarzan machte Rice Burroughs zur selben Zeit einen Ausflug auf den fernen Planeten Barsoom – den wir als Mars kennengelernt haben. Nun hat es auch John Carter, der Held dieser fünfzehnteiligen Science-Fiction Fantasygeschichten, dank Pixar-Regisseur Andrew Stanton (‚Wall-E’, ‚Findet Nemo’) auf die Kinoleinwände geschafft. Nach eigener Aussage wartete Stanton dreißig Jahre lang auf eine angemessene filmische Umsetzung, bis er sie nun selbst inszeniert hat.

John Carter (Taylor Kitsch) ist ein ehemaliger Offizier, der nicht mehr kämpfen will. Doch dann gerät er auf unerklärliche Weise auf den fernen Planeten Barsoom, wo exotische Geschöpfe eine Welt bevölkern, auf der sich fremdartige Stämme und Kulturen bekriegen und ihren eigenen Untergang heraufbeschwören. Auf seiner abenteuerlichen Odyssee durch diese fremde Welt begegnet John Carter dem Anführer der grünen, vierarmigen Tahrks namens Tars Tarkas (Willem Dafoe), verliebt sich in die selbstbewusste Prinzessin von Helium Dejah Thoris (Lynn Collins) und bekommt mit dem Anführer von Zodanga (Dominic West) einen erbarmungslosen Gegner vorgesetzt. Der Erdling erkennt, dass das Überleben der Bewohner dieser Welt in seinen Händen liegt.

Filmkritik zu Andrew Stantons ‘John Carter’

John Carter (Taylor Kitsch) auf der Erde

Es ist nicht die Zukunft, es ist nur ein anderer Planet in der Vergangenheit. Denn ‚John Carter‘ spielt lange Zeit vor der Schaffensphase seines Autors Edgar Rice Burroughs, der immerhin bereits 1912 von den Abenteuern auf dem Planeten Mars schrieb. Während sich auf der Erde die Konföderierten mit den indianischen Ureinwohnern des Landes beharken, sind es auf dem Mars die römerähnlichen Menschen aus Helium und Zodanga, die sich gegenseitig bekriegen. Inmitten dieser Auseinandersetzung verstecken sich die nicht minder kriegsbereiten Tahrks, die ohne jeden Individualismus in der Barbarei hausen und darauf warten dass sich die anderen Kulturen gegenseitig vernichten. Das bringt den Zuschauern imposante Städtekulissen, futuristische Landschaftsaufnahmen, die unterschiedlichsten Figuren, die den verschiedensten Kulturen entspringen und natürlich Einzel- wie auch Massenschlachten sowie eine dazugehörige Liebesgeschichte. Es sollen epische Bilder wie einst der Krieg der Sterne sie formte sein, die zwar hinter der Original-Trilogie von Schöpfer George Lucas zurückbleiben, aus einem Konkurrenzkampf mit der von 1999 bis 2005 entstandenen neuen Trilogie aber siegreich hervorgehen. Vielleicht ist ‚John Carter‘ die Space Opera, die Episode I bis III aus dem ‚Star Wars‘-Universum nicht ist, vielleicht ist ‚John Carter‘ der Film – und die zukünftige Trilogie – auf die das 21. Jahrhundert gewartet hat.

Der Vergleich zieht sich bis zum Hauptdarsteller durch, der als Mischung aus Luke Skywalker und Han Solo daherkommt. Regisseur Andrew Stanton hat die weise Entscheidung getroffen, die Hauptrolle weder an einen Schauspiel-Veteranen zu vergeben, der aus der sichtlich an die Pulp-Literatur angelehnten Geschichte ein eventuell ironisches Spiel hätte machen können, aber auch nicht an einen kompletten Neuling, der mit der Rolle überfordert gewesen wäre. Stattdessen spielt der Kanadier Taylor Kitsch, in der Rolle des Meisterdiebes Gambit von Genrefans als einziges Highlight der ‚X-Men Origins: Wolverine‘-Verfilmung gefeiert, den titelgebenden Helden. Es wäre ein Leichtes die Rolle des John Carter unglaubwürdig darzustellen: Ein konföderierter Soldat auf dem Mars bietet genügend Ansatzpunkte für überzogene Mienenspiele, für abgedroschene Dialogzeilen oder verwirrtes umher taumeln in der Landschaft. Aber Kitsch bleibt ernst, gibt der Figur die nötige Tiefe um eine nachvollziehbare Wandlung seines Charakters zu erwirken. Anfangs ein Einsiedler, der seinen Mitmenschen liebend gerne aus dem Weg geht und sich aus dem Leben zurückgezogen hat, landet er ausgerechnet auf einem Planeten, auf dem er mit einer bunten Vielfalt von Völkern und Kreaturen konfrontiert wird ohne sich diesen entziehen zu können. Es ist eine Neugeburt für die Figur des John Carter. Er lernt wieder in den Krieg zu ziehen, er lernt wieder zu lieben und er muss lernen mit den neuen Gesetzen der Schwerkraft umzugehen, die ihn die Fähigkeit verleihen unglaubliche Entfernungen mit einem einzigen Sprung zurückzulegen. Hier wird aus John Carter von der Erde, John Carter vom Mars.

Filmkritik zu Andrew Stantons ‘John Carter’

John Carter auf dem Mars mit Prinzessin Dejah Thoris (Lynn Collins)

In der wissenschaftsbegeisterten Prinzessin Dejah Thoris, der Tahrk Sola und ihrem Vater Tars Tarkas und einem außerirdischen Hündchen findet Carter seine Gefolgschaft durch diese für ihn fremde Welt. Es entwickelt sich eine Liebesgeschichte zwischen ihm und der Prinzessin, die sich auf der Flucht vor einer Zwangsehe befindet und sich natürlich nur von John Carter höchstpersönlich erretten lassen möchte. Die beiden Tahrks, keine sehr liebevolle Gesellschaft, finden wiederum die familiäre Liebe zueinander. In einem gesamten Stamm von Wesen, die auf Stärke ausgerichtet sind und familiäre Bindungen als Schwäche ansehen, entwickeln ihre Figuren sich aus diesem System hinaus. Und natürlich darf auch die böse Seite in einem solchen Märchen nicht unterrepräsentiert sein. Hier finden sich erneut Ähnlichkeiten zum ‚Star Wars‘-Universum. „Immer zwei es sind. Ein Schüler und ein Meister“ hatte Yoda einst so schön erklärt. Als Handlanger zieht bei ‚John Carter‘ Dominic West als Sab Than in die Schlacht, der im Prolog zum Film eine übermächtige Waffe erhält, die es ihm erlaubt den Eroberungsfeldzug, den seine Heimat Zodanga seit Jahrhunderten vollzieht, nun endlich erfolgreich zu beenden. Diese Waffe erhält er von den als heilig geltenden Therns, die als Gestaltenwandler niemals in den Krieg eines Planeten eingreifen, ihn nur strukturieren und organisieren. Hier spielt Mark Strong als Matai Shang an der Seite von Dominic West den Ratgeber und Mentor, der in seinem Schüler eine austauschbare Puppe sieht. Strong hat sich in den vergangenen Jahren als stets überzeugender Schurke in Filmen wie ‚Sherlock Holmes‘ und ‚Kick-Ass‘ bewiesen und enttäuscht auch nicht in ‚John Carter‘. Ganz im Gegenteil. Er ist einer der Aspekte im Film, weswegen man als Zuschauer gerne noch mehr über diese erhabene, aber wohl böse Kultur erfahren möchte. So geht es einem bei Andrew Stantons Werk aber des Öfteren. Die 132 Minuten Laufzeit reichen gerade einmal aus um in die fantastische Welt einzuführen, die Figuren zu zeigen, einen kleinen Einblick in die Kulturen zu geben, aber nicht um diesen Blick zu vertiefen. Am Ende wird man wieder in die normale Welt zurückgeworfen, obwohl es noch so viel mehr zu sehen und erleben gibt. Da wünscht man dem Film den nötigen Erfolg um das offene Ende, mit dem auch ‚John Carter‘ sich eine Option auf kommende Filme verschafft, in zukünftigen Verfilmungen fortzuführen.

‚John Carter‘ ist ein gelungener Einstand für Andrew Stanton, der hiermit bei seinem ersten Realfilm Regie geführt hat. Er entführt die Zuschauer in eine fremde Welt, deren Gesetze und Brauchtümer die Zuschauer interessiert beobachten dürfen, jede Anzweiflung wäre fehl am Platz und schlicht unnötig. Der Film macht Spaß und unterhält die Massen. Und wenn er erst einmal zu Ende ist, wird man sich – ähnlich wie John Carter selbst – wünschen nach Barsoom zurückkehren zu dürfen. Und das ist hoffentlich nur eine Frage der Zeit.

Denis Sasse

Filmkritik zu Andrew Stantons ‘John Carter’

‘John Carter – Zwischen zwei Welten‘


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