Filmkritik: The Bling Ring (US 2013)

Filmplakat

America has his sick fascination with the ‘Bonnie and Clyde’ kind of thing.

Schüchtern betritt Marc den neuen Klassenraum. Die Schüler um ihn herum tuscheln aufgeregt. Seine alte Schule musste er verlassen, weil er zu oft fehlte. Nun möchte er einen Neubeginn starten; mit Gleichgesinnten, die ihn zum Lernen motivieren, anstatt ihn davon abzuhalten. Dann trifft er auf Rebecca, die ebenso modebegeistert ist und später einmal ganz wie ihre großen Vorbilder Lindsey Lohan und Paris Hilton ein eigenes Fashion-Label gründen möchte. Joints werden herumgereicht, Smalltalk wird betrieben – schnell entwickelt sich zwischen den beiden Träumern eine tiefe Freundschaft, die Konsequenzen haben wird.

Höher, schneller, weiter – live fast and die young. Sofia Coppola („Lost in Translation“) inszeniert den Film der Generation „Yolo“ und erinnert dabei in vielerlei Hinsicht an Harmony Korines „Spring Breakers“. Zwischen der Leidenschaft des Konsums und der nächsten Dosis Kokain bleibt gerade noch genug Platz, um seine Zeit in der Schule abzusitzen. So hoch fliegen wie die Stars, im reich beschmückten Federkleid Hollywoods High Society. Dafür arbeiten zu müssen, ist absurd; die Schönen und Reichen haben doch schon längst alles und davon viel zu viel. Eine kleine Prise weniger davon wird ihnen schon nicht schaden und uns zum American Dream verhelfen. Dass dies per Gesetz natürlich illegal ist, kümmert sie nicht, schließlich werden nur Wohnungen irrealer Schemen bestohlen, die im medialen Blitzlichtgewitter mittlerweile kaum mehr als abstrahierte Lifestyle-Symbole und keine echten Menschen mehr sind. Megan Fox, Rachel Bilson und Miranda Kerr? Das sind nur berühmte Namen – so nahbar und echt wie der Gott, zu dem man täglich betet.

Coppola gelingt es, die Dynamik innerhalb der Gruppe immer fließend von pubertärem Leichtsinn zu adoleszenter Schwermut umschwenken zu lassen und die jeweiligen Stimmungen nur in geringem Maße zu überzeichnen, sodass ihre Beweggründe und Ambitionen trotz all der Satire, die ihnen innewohnt, nur selten so lächerlich erscheinen, dass der Zuschauer das Interesse an ihnen verliert. Polohemd-Bilderbuch-Familien, niedliche Mini-Hunde und übergroße Einbauküchen dominieren das Bild ihrer fotographierten Überfluss-Gesellschaft – das ist natürlich plakativ, letztendlich aber erstaunlicherweise beinahe genau so unterhaltsam wie die neuesten Nachrichten der Boulevard-Presse, nach denen die Protagonisten lechzen. Die Kleptomanie als Zeichen des Triumphes über das unausgeglichene System Prominenz. Ein neues Mode-Accessoire, eine neue Trophäe. Unter den gebrochenen Händen liberaler Erziehungsmethodiken sind der Experimentierfreudigkeit der jungen Generation keine Grenzen gesetzt, die selbst noch nicht einmal genau zu wissen scheint, ob ihre Taten nun Hilfeschreie, kindliche Machtbeweise oder schlicht Symptome von Langeweile sind.

Die Idee ist soweit nicht schlecht, woran die Tochter der Regie-Legende Francis Ford Coppola aber letztlich scheitert, ist ihr Versuch, diese Neid- und Pubertäts-Thematik mit dem Lebensstil moderner Jugendlicher verknüpfen und damit erklären zu wollen. Dabei ist eine Szene stellvertretend für den gesamten Film: Durch ihren letzten Raubzug hat die Clique binnnen ein paar Stunden 5.000$ eingesammelt, welche sie sodann in cyber-hedonistischer Manier in einem Nobel-Club verprassen und sich dabei unentwegt selbst und gegenseitig für Facebook mit ihren Smartphones portraitieren. Dies geschieht schätzungsweise im 20-Sekunden-Takt und obwohl der Zuschauer bereits nach Foto Nummer 1 versteht, was uns Frau C. mitteilen möchte, entfesselt sie ein redundantes Tischfeuerwerk der Internet-Plattitüden und -Symbole. Ausschließlich der einzige männliche Protagonist Marc ist beispielsweise dazu in der Lage, das hochkomplexe System von Google-Maps zu verstehen und dadurch immer neue Opfer-Adressen herauszufinden. Nach der vierten, beinahe identisch dramaturgisierten Wiederholung eines Einbruchsdiebstahls könnte man gar vermuten, dass es sich dabei insgeheim um Füllmaterial handelt, damit die Film-Mindestlaufzeit von 90 Minuten erreicht werden kann.

So tritt „The Bling Ring“ dann bereits nach nur 40 Minuten nur noch ermüdend auf der Stelle und kann den satirischen Spitzen, welche stellenweise durchaus gelungen sind, ab einem gewissen Punkt nichts mehr hinzufügen. Das Jugend-Ensemble rund um Emma Watson, Katie Chang und Israel Broussard spielt giftig-überzeugend, wenngleich man sich durchaus fragen darf, wie weit sich die Jungschauspieler in Anbetracht ihres eigenen Wohlstands überhaupt in ihre Rollen hineinversetzen mussten. Tatsächlich ist man sich bis zum Schluss nie ganz sicher, ob Coppola die für eine Schwarze Komödie unbedingt notwendige Distanz zu der Thematik innewohnt – stets hat man das Gefühl, das perfide Faszinosum Traumfabrik habe auch sie ganz in ihren Bann gezogen. Als wäre sie selbst Opfer ihrer eigenen Geschichte geworden. In einem anderen Kontext wäre das sicherlich lobenswert, für eine Satire allerdings ist das geradezu tödlich.

 Filmkritik: The Bling Ring (US 2013)

5,0 / 10



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