Filmkritik: RoboCop (seit dem 6. Februar 2014 im Kino)


Will man den Blutdruck von Filmfans in die Höhe treiben, dann muss man manchmal nur ein einziges Wort fallen lassen: Remake. Praktisch jeder Cineast hat eine Meinung zum diesem Thema. Und zumeist ist sie negativ. Remakes sind nie so gut wie das Original, lautet eine der Standardbegründungen für die ablehnende Haltung, die Neuauflagen oftmals entgegengebracht, ehe überhaupt eine einzige Szene gedreht wurde. Vom Release des fertigen Films ganz zu schweigen. Auf Neuverfilmungen wie von 1984 oder Die Körperfresser kommen zu verweisen, die ihren Vorgängern deutlich überlegen waren, bringt ebenfalls nichts. Das sind dann halt die Ausnahmen, welche die Regel bestätigen. Seit letztem Donnerstag läuft nun RoboCop in unseren Kinos, das Remake des gleichnamigen Verhoeven-Klassikers aus dem Jahre 1987. Eines ist sicher: Die Diskussion über die Sinnhaftigkeit von Remakes wird weitergehen.
Filmkritik: RoboCop (seit dem 6. Februar 2014 im Kino)Am Anfang von RoboCop steht Omnicorp. Überall auf der Welt hilft der gewinnsüchtige Konzern (sind sie das nicht alle?) mit seinen Robotersoldaten, überdimensionalen Kampfmaschinen und Drohnen der US-Regierung dabei, ihre Interessen durchzusetzen. Im Namen der Freiheit versteht sich. Auf diese Weise verdient er sich eine goldene Nase und würde dies auch gerne in den USA tun. Doch das darf er das nicht. Der Grund: Die Mehrheit der Bevölkerung will seine Sicherheit nicht seelenlosen Automaten anvertrauen und steht deshalb hinter einem Gesetz, das deren Einsatz auf amerikanischem Boden verbietet. Lösen soll das Problem der RoboCop – ein Produkt, dass der Robotertechnologie eine menschliche Komponente hinzufügt. Dazu wird der Körper des Polizisten Alex Murphy – jedenfalls der Teil von ihm, der nach einem Bombenanschlag noch übrig ist – mit High-Tech-Komponenten aus dem Omnicorp-Produktsortiment verschmolzen und die Kreation medienträchtig als Verbrechensbekämpfer der Zukunft auf die Straßen von Detroit losgelassen. Zunächst sieht alles nach einem Erfolg für Omnicorp aus und die Stimmen, die eine Abschaffung des Gesetzes fordern, das dem Konzern ein Dorn im Auge ist, werden immer lauter. Doch dann regt sich in RoboCop das Bewusstsein von Alex Murphy. Der Robocop beginnt, sich dem Zugriff seiner Schöpfer zu entziehen und nicht nur diese stehen schlussendlich vor der Frage: Ist der menschliche Geist stärker eine Programmierung?
Paul Verhoevens originaler RoboCop ist nicht zuletzt deshalb ein Klassiker, weil der Regisseur bei aller Gewalt und trotz der zweifelsohne vorhandenen Stereotypen einen äußerst zynischen Kommentar auf die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in den USA der 1980er Jahre ablieferte. Der Film treibt die Reagonomics und die ihnen innewohnende Maxime des Small Government soweit auf die Spitze, dass der Staat sogar eine hoheitliche Aufgabe wie die des Schutzes der Bürger durch die Polizei an einen Konzern überträgt. Von einem Remake des Stoffes darf man als Zuschauer also nicht weniger erwarten, als dass auch der neue Film sich als Statement zu den gegenwärtigen Verhältnissen in Amerika lesen lässt. Und tatsächlich haben die Autoren Joshua Zetumer und Nick Schenk in dieser Hinsicht einen guten Job gemacht. Sie schildern glaubwürdig die Verstrickungen zwischen Politik und dem Big Business, die Beeinflussung der öffentlichen Meinung durch die Medien und die Globalisierung der Wirtschaft. Sie greifen Obamas Drohnenkrieg auf und legen die Doppelmoral jenes Teils der amerikanischen Bevölkerung offen, der solange kein Problem mit dem Einsatz auch höchst fragwürdiger Mittel hat, solange die Regierung versichert, die lediglich außerhalb der Grenzen der USA anzuwenden. Das Glanzstück in Sachen Seitenhieb auf das heutige Amerika ist mit Sicherheit Samuel L. Jacksons Verkörperung des konservativen Moderators Pat Novak, der in seiner Sendung The Novak Element massiv gegen das Omnicorp behindernde Gesetz trommelt – inklusive einer Liveschaltung in die iranische Hauptstadt Teheran, wo gerade eine von Kampfrobotern durchgeführte Razzia stattfindet. Vorbild für diese Figur war ohne Zweifel Bill O'Reilly, den man hierzulande kaum kennt, der jedoch mit seiner bei Fox News laufenden Sendung The O'Reilly Factor massiven Einfluss auf die Meinungsbildung in den USA hat. O'Reilly ist dafür bekannt, dass er Interviewgästen gerne auch mal das Mikrophon abdrehen lässt, wenn sie ihm unangenehm werden. Und auch Novak blendet in einer Szene einen Senator aus, als dieser seine Meinung vertreten will. O'Reilly wird diese Anspielungen auf seine Person wahrscheinlich entweder ignorieren (dafür ist sein Ego aber eigentlich zu groß), sie als Beweis für seinen Einfluss auffassen oder als den Versuch des liberalen Hollywood, ihn zu verunglimpfen. Heute läuft RoboCop auch in den USA an und man darf gespannt sein, ob sich O'Reilly in den kommenden Tagen äußert. Nur nebenbei: Die blonde Reporterin, die aus den Straßen von Teheran berichtet, heißt übrigens Kelly. Den Namen und die Haarfarbe hat sie mit Megyn Kelly gemein, einem weiteren Aushängeschild von Fox News. Zufälle gibt es...


Ansonsten riskiert die Neuauflage von RoboCop, bei der José Padilha auf dem Regiestuhl saß, nicht viel - was irgendwie auch ein (wenngleich sicherlich ungewollter) Kommentar zum Zustand des amerikanischen Unterhaltungsbetriebs des Jahres 2014 ist. So wurde die drastische Gewalt der 1987er-Version (die ungeschnittene Fassung des Verhoeven-Films wurde hierzulande erst vor einigen Wochen vom Index genommen) für die Neuauflage auf ein massenkompatibles Maß reduziert. Als hätten die Autoren Schwierigkeiten, dem Plot des Originals neue Seiten abzugewinnen, gehen sie nicht nur auf das Training wesentlich ausführlicher ein, das der Cop der Zukunft vor seinem ersten Einsatz über sich ergehen lassen muss, sondern auch auf Alex Murphys Familienleben. Sie bauen es zu einem wichtigen Faktor für die Entwicklung des Protagonisten aus, was man sicherlich so machen kann, doch wird (nicht nur) an dieser Stelle das Bestreben der Autoren sichtbar, aus der einstmals ambivalenten Figur des RoboCop einen mit eindeutig positiven Wesenszügen ausgestatteten Helden zu machen. Das Publikum soll den RoboCop mögen – nicht weil so radikal und vor allem brutal mit dem Verbrechen aufräumt, sondern weil er so ein netter Kerl ist. Um jedoch zu zeigen, dass sie das Vorbild ehren, wurden von Zetumer und Schenk eine ganze Reihe von Reverenzen an den Originalfilm eingebaut. Die Autoren erzählen ihre Geschichte gradlinig, verzichten auf unerwartete Wendungen und lassen den Plot nach ca. zwei Stunden in einem fulminanten Showdown kulminieren. Die Frage, wer zu den Guten und wer zu den Bösen gehört, klären sie mit einer Ausnahme frühzeitig, damit sich der Zuschauer auf den Protagonisten und die Action konzentrieren kann. Diese wird von Regisseur José Padilha ansehnlich in Szene gesetzt, doch ansonsten bleibt er den Beweis schuldig, eine eigene Handschrift zu haben. Padilha kreiert keine Bilder, die im Kopf des Publikums hängen bleiben, sondern verlässt sich lieber auf einen indifferenten Stil, mit dem er zwar nichts falsch machen kann, aber auch kein Ausrufezeichen hinterlässt. Als Ausgleich bekommt man neben einem hohen Erzähltempo gelungene Effekte und vor allem eine namhafte Riege an Schauspielern geboten, die man für diese Neuverfilmung zusammengetrommelt hat. Joel Kinnaman liefert eine glaubwürdige Verkörperung von Alex Murphy ab und hinterlässt auch als RoboCop einen guten Eindruck. Während Abbie Cornish nicht über den Status der permanent besorgt dreinschauenden Ehefrau hinauskommt, wurde auf das Portrait des Bösewichts Raymond Sellars wesentlich mehr Kraft verwendet und es macht Spaß, Michael Keaton mal ein einer solchen Rolle zu erleben. Gary Oldman und der zuvor schon erwähnte Samuel L. Jackson sind ohnehin über jeden Zweifel erhaben und Jackie Earle Haley kann man wohl als Idealbesetzung für die Figur des Söldners Maddox betrachten.


Als der RoboCop 1987 erstmals auf der Leinwand auftauchte, schaffte er sich schnell eine Fangemeinde. Zwei weitere Filme waren die Folge und das Ganze mündete in einer Fernsehserie, die zwar die futuristischen Elemente beibehielt, auf Gesellschaftskritik und harte Gewaltszenen jedoch weitgehend verzichtete, um als familientaugliche Unterhaltung wahrgenommen zu werden. Die aktuelle Neuverfilmung ist sicherlich bissiger und härter als die TV-Show aus dem Jahre 1994, doch mit ihrer Machart schielt sie auf den selben Kundenkreis. Dies könnte RoboCop den Weg zu einen Filmfranchise ebnen – überzeugende Umsätze an den Kinokassen mal vorausgesetzt.


RoboCop ist ein solider SF-Actionfilm mit einer sehr guten Besetzung, der es versteht, seine Zuschauer über die knapp zwei Stunden Laufzeit bei der Stange zu halten. Den Fans des Ausgangsmaterials wird dies möglicherweise nicht genug sein, doch muss man MGM zugestehen einen Weg gefunden zu haben, eine seiner starken Marken für das Kinopublikum der zweiten Dekade des 21. Jahrhunderts so definiert zu haben, dass die Figur nicht verstaubt wirkt, sondern immer noch zeitgemäß. Auf diese Weise könnte RoboCop, alias The Future of Law Enforcement, tatsächlich eine Zukunft haben.
RoboCop läuft seit dem 6. Februar 2014 in den deutschen Kinos.  


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