Filmkritik: Gambit (US 2012)

Gambit-Filmplakat

Der Mann ist ein hoffnungsloser Ignorant.

Harry Deane (Colin Firth) hat es satt. Keinen Tag länger will er für den Mann arbeiten, den er am allermeisten verabscheut. In einem Job, der für ihn gerade genug abwirft, um in seiner kleinen Erdgeschoss-Wohnung leidlich über die Runden zu kommen und nichts anderes zu tun als arbeiten zu müssen, während sein Vorgesetzter als einer der wohlhabendsten Männer Londons die Frucht von Harrys Arbeit erntet und ein dekadentes Leben in Saus und Braus führt. Die Falten auf seinem Gesicht werden prägnanter und er dadurch auch nicht gerade attraktiver, viele Freunde hat er nicht und das Glück will und will einfach nicht an seine Tür klopfen. Höchste Zeit, denkt er sich, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Spontan trifft er den Entschluss, seinen Arbeitgeber, den berühmten Lord Lionel Shahbandar (Alan Rickman), illegalerweise um ein gehöriges Sümmchen zu erleichtern, indem er ihm ein gefälschtes Gemälde, welches ihm sein einziger Freund und Künstler, Major Wingate (charmant: Tom Courtenay), anzufertigen bereit ist, zu einem horrenden Preis als Original verkaufen will.

Und dort kommt schon die unbedarfte Texanerin P.J. Puznowski (Cameron Diaz) ins Spiel, die als Besitzerin des vorgeblichen Originals auftreten und den Verkaufspreis im besten Falle durch ihr aufreizendes Äußeres noch ein wenig in die Höhe treiben soll. Bombensicher erscheint der ganze Coup, aber dies wäre nicht Harrys Geschichte, würde nicht noch so einiges schiefgehen.

Der vom sichtlich unterforderten Firth einfühlsam verkörperte Deane stellt die archetypische Verlierer-Figur dar, die ihre eigenen Fehler auf andere (Feind-)Figuren projeziert, um einer möglicherweise schmerzhaften Reflexion zu entgehen, und diese somit unberechtigt für das persönliche Unglück verantwortlich macht, anstatt die Energie dahingehend zu verwenden, sich aus der eigenen Misere herauszukämpfen. Immer wieder, besonders am Anfang, erleben wir fließende, manipulative Wechsel der Erzählperspektive, wenn aus dem brutalen Industrielöwen und obszönen Nudisten Lionel Shahbandar ein zwar durchaus recht arroganter aber ebenso normaler Mensch wird, der gleichsam Bedürfnisse hat und längst nicht das Monster ist, zu dem ihm Harry gerne machen würde. All das tritt in Erscheinung durch die naive wie aufrichtige P.J. (recht passend und doch mitunter zu überzogen: Cameron Diaz), welche die Haupteigenschaften der heimlichen Kontrahenten – den Pragmatismus des reichen Geschäftsmannes und den naiven Pseudomoralismus des hart arbeitenden Mannes – homogen in sich vereint, karikiert und somit zumindest dem gebeutelten Harry mehr als einmal unbewusst den Spiegel vorhält. Hin- und hergerissen zwischen komfortabler sowie befriedigender Rache und der steinigen Suche nach dem Glück, stellt sich einem die Frage, welche Wahl man dabei wohl selbst treffen würde.

Trotz seiner ambitionierten Botschaft jedoch fühlt sich „Gambit“ leider über weite Strecken wie eine beliebige Slapstick-Komödie an, die inmitten eines altbackenen Versatzstück-Sammelsuriums so verzweifelt nach dem nächsten Lacher strebt wie ihr Protagonist nach seiner Vergeltung. Oft lässt sich anhand der zeitweise gelungenen Situationskomik zumindest erahnen, dass das Drehbuch aus der Feder der gefeierten Coen-Brüder stammt, wenngleich das humoristische Gesamtbild letztlich doch einen viel zu unpersönlichen Eindruck macht. Statt ausgeklügelter Pointen serviert uns der Regisseur Michael Hoffman antiquierte Kalauer, die in den meisten Momenten an klamaukige C-Komödien gemahnt und sich wie ein fast verdorbener Aufguss unnötiger Sujets dieses Genres anfühlt.

Schlussendlich gelingt es dem Film durch den unnötigen Einsatz seiner vorgeblich cleveren Doppelbödigkeit überdies, den eigenen Subtext, welcher als einziges Merkmal dem Werk gegenüber eine gewisse Sympathie zuließe, gänzlich zu demontieren. Eine Wendung, die ausschließlich dem reinen Selbstzweck dient und mehr zerstört als es zu heilen. Vielleicht hätten die Produzenten das Maß an pseudo-originärer Skurillität diesmal etwas herunterschrauben und die Komik weniger plump gestalten sollen, damit aus „Gambit“ mehr geworden wäre als nur eine vergessenswerte Hollywood-Komödie, die drei talentierte Schauspieler-Größen in ihrem Ensemble vereinen darf. Das größte Ärgernis an diesem Film ist tatsächlich sein enorm verschenktes Potenzial. Die Schluss-Pointe sollte nie derart markant gestaltet sein, dass sie die Oberhand über das filmische Konzept gewinnt, es am Ende womöglich sogar selbst ad absurdum führt – eine Regel, welche eigentlich jeder Regisseur beherrschen sollte, der nicht ausschließlich auf reißerische Twists setzt.

 Filmkritik: Gambit (US 2012)

4,0 / 10



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