Letztes Jahr tauchte der Film Europa Report auf meinem Radar auf. Doch so schnell er erschienen war, so schnell war er auch wieder vom Schirm verschwunden. Ich hätte über den Streifen gar nicht mehr viel nachgedacht, hätte mir kurz vor Weihnachten nicht ein guter Freund die DVD des Films mit der Maßgabe in die Hand gedrückt, ihn mir doch bitte einmal anzusehen und gegebenenfalls etwas darüber zu schreiben. In den anschließenden Wochen kam ich jedoch nicht dazu und der Silberling lagerte erst einmal im Regal. Da man als anständiger Mensch ein geliehenes Gut aber schließlich irgendwann einmal zurückgeben möchte, schob ich die DVD gestern endlich in den Player und investierte 87 Minuten meines Feierabends in den Film. Rückblickend muss ich sagen, ich hätte meine Zeit sinnvoller verbringen können.
Europa Report spielt irgendwann in der näheren Zukunft und eine private Raumfahrtagentur schickt eine internationale Crew auf eine Mission zum Jupitermond Europa. Es ist das erste Mal, dass Menschen weiter als bis zum Mond reisen. Europa wurde als Ziel gewählt, weil unter dem Eispanzer des Trabanten Wasservorkommen entdeckt wurden. Da auf der Erde das Leben zuerst in den Ozeanen entstand, will man nun prüfen, ob auf Europa ebenfalls Lebensformen existieren. Die Reise dorthin verläuft nicht ohne Zwischenfälle, doch schlussendlich gelingt die Landung auf dem Jupitermond und die Forschungsarbeiten können beginnen. Was die Astronauten dabei entdecken, übersteigt ihre kühnsten Erwartungen.
Realisiert wurde Europa Report von Sebastián Cordero. Und dies mit einem recht kleinen Budget, weshalb man großen Namen auf der Besetzungsliste auch vergeblich sucht. Michael Nyqvist kennt man wohl noch am ehesten, z.B. als Gegenspieler von Tom Cruise in Mission Impossible – Phantom Protokoll. Sharlto Copley war in District 9 und Elysium dabei, Embeth Davidtz in Amazing Spider-Man, Verblendung und in der TV-Serie Mad Men. Ansonsten stehen noch Daniel Wu, Karolina Wydra, Christian Carmago, Anamaria Marinca und Dan Fogler auf der Besetzungsliste. Die Leistung aller Beteiligten geht in Ordnung, doch man bekommt schauspielerisch nicht mehr geboten als das, was man von einem soliden B-Film erwarten kann. Was die Effekte angeht, so wissen diese durchaus zu gefallen, wenngleich sie aus Kostengründen leider nur in begrenztem Maße zum Einsatz kommen können. Besonders gelungen sind dabei vor allem jene Szenen, in denen das Raumschiff von außen gezeigt wird. Bei der Gestaltung der Interieurs haben sich die Designer an realen Vorbildern wie beispielsweise der ISS orientiert. Alles wirkt nüchtern, kalt, beengt und zweckmäßig. Wie auch schon in anderen Filmen, so soll auch in Europa Report Science Fiction durch Science Fact geerdet werden. Und die Rechnung geht sogar einigermaßen gut auf.
Nun gibt es Filmemacher, die selbstbewusst zu ihren kleinen Budgets stehen. Sie liefern gradlinige spannende Werke ab und konzentrieren sich dabei vor allem auf die Charaktere, weil für aufwändige SFX eben kein Geld vorhanden ist. Cordero und Drehbuchautor Philip Gelatt gehören leider nicht zu dieser Gattung, sondern versuchen stattdessen krampfhaft, ihren Film gewichtiger wirken zu lassen, als er es in Wirklichkeit ist. Dazu bedienen sie sich des Stilmittels des wohlbekannten Found Footage. Was in Europa Report zu sehen ist, sind angeblich die Aufzeichnungen der Überwachungskameras im und am Raumschiff, sowie die der Helmkameras der Astronauten. Folgerichtig ist die Kamera oftmals recht weit vom Geschehen entfernt, mal wird unvermittelt umgeschaltet, in Split Screens werden die Bilder gleich mehrerer Kameras parallel eingeblendet und es mangelt auch nicht an Übertragungsfehlern und Bildaussetzern. Unterm Strich soll damit jedoch nur von den Beschränkungen abgelenkt werden, denen sich die Filmemacher unterwerfen mussten: Wenn man eben kein Geld für detaillierte Sets hat, dann nimmt man sie halt aus größerer Entfernung auf und tarnt das Ganze als eine an ungünstiger Stelle montierte Überwachungskamera. Und wenn man es schon nicht glaubwürdig darstellen kann, wie ein Astronaut über Europa spaziert, zeigt man eben nur jenen Ausschnitt seines Gesichts, den die Helmkamera liefert. Bei jedem Fanfilm-Projekt würde man es wohl ebenso machen.
Als ob dies alles nicht schon reichen würde, ist die Handlung selbst eingebettet in den Bericht der Missionsverantwortlichen der Raumfahrtagentur, die mit betretenem Gesicht alles aus der Retrospektive schildert. Die Mission kann also nicht gut ausgegangen sein – das steht schon frühzeitig fest. Ein echter Spannungskiller. Dass es vor diesem Hintergrund keinen Sinn macht, dass einzelne Passagen der Reise zunächst ausgelassen und später nachgereicht werden, erschließt sich wohl auch dem unbedarftesten Zuschauer. Der Kardinalfehler der Films liegt jedoch darin, dass Cordero und Gelatt die Charaktere ihres Films nicht näher beleuchten und es dem Publikum darum nicht ermöglichen, eine Beziehung zu den Figuren aufzubauen. Deshalb lässt es einen auch relativ kalt, als ihnen etwas zustößt. Retten hätte den Film einzig noch, wenn es ihm gelungen wäre, einen gewissen Sense of Wonder zu vermitteln. Doch auch dieser Ansatz verpufft weitgehend.
Insgesamt vier Testimonials hat der Verleiher auf dem Front- bzw. Backcover der DVD abgedruckt, die Europa Report selbstredend alle in den höchsten Tönen preisen. Dieser Film mag vieles sein, jedoch ist er keinesfalls (Zitat) „Der fesselndste Sci-Fi-Thriller seit Kubricks 2001: Odyssee im Weltraum“. In Wahrheit ist Europa Report ein B-Movie, das mit der Wahl seines Stilmittels auf den Kino-Mainstream schielt. Also dorthin, wo der Streifen selbst niemals angekommen ist. Auf Blu-Ray und DVD ist er gut aufgehoben. Gesehen haben muss man ihn meiner Meinung nach aber nicht.