Jahrescharts
Veröffentlicht am 23. Dezember 2013 | von Marco Rauch
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Jahrescharts der Redaktion 2013: Filme – Teil 1!
Die Zeit ist mal wieder reif für Listen: Das pressplay Filmteam hat sich erneut zum Jahresende den Kopf zerbrochen, was denn im Filmjahr 2013 so alles los war. Wie immer gilt: wir wollen uns doch etwas vom Rest im unseren Awards abheben und wir hätten noch sehr viel mehr Rubriken auf Lager (aber wir wollen ja niemand überfordern). Kleine Anmerkung: Rot unterlegter Text führt zu den jeweiligen Filmkritiken, zum Nachlesen.
A Good Film to End the Franchise Award
Es ist zu hoffen, dass der neueste Teil der Stirb Langsam-Reihe (A Good Day to Die Hard) mit einem mehr als nur lustlosen Bruce Willis die Serie endlich zu Grabe getragen hat und der Film DAS schafft, was bisher keinem internationalen Terroristen gelungen ist – nämlich John McLane zu töten (zumindest als Franchise!). Ähnliches, aber entweder nicht so geschichtsträchtig oder qualitativ ohnehin nie auf dem gleichen Niveau, ist auch für die Groteske Kick Ass 2 oder den vollkommen verkorksten Fast & Furious 6 zu wünschen. Evil Dead ist ein gutes Beispiel, dass die Toten lieber begraben bleiben sollten und man sich an Remakes von Kultfilmen nur die Finger verbrennen kann.
Altmeister in Action Award
Man könnte fast von einer Neuentdeckung sprechen, war Michael Douglas als schrullig-schwuler Entertainer im Glitzerfummel doch dermaßen ungewohnt und göttlich anzusehen. Der ansonsten eher auf harte Machotypen abonnierte Schauspieler bewies als schriller Klaviervirtuose Liberace im gleichnamigen Biopic von Steven Soderbergh jedenfalls ungeahntes Talent fürs Tragikomische und spielte sich damit in die Herzen von Kritikern und Zuschauern. Auch nicht auf der faulen Haut lag in diesem Jahr der umtriebige Alleskönner Robert Redford, der mit All is Lost und The Company you Keep wiederum spannungsgeladene Filmkost mit Qualitätsanspruch aufbot. Wenns für die beiden Herren schon keinen Oscar geben wird, den Altmeister in Action Award haben sie sich in jedem Fall redlich verdient.
Bauchmuskel Award
Zahlreiche Stars, vor allem im Action-Genre, tragen ihre übermenschlichen, unnatürlichen Muskelberge offen zur Schau, als wären sie die Hirngespinste emsiger Comic-Superhelden Autoren. Passend, dass gerade Hugh Jackman in The Wolverine und Henry Cavill in Man of Steel eben solche Helden mimen. Doch sie alle verblassen angesichts der geballten, muskelstrotzenden Grotesken, die sich in Pain & Gain über die Leinwand bewegen. Mark Wahlberg und Anthony Mackie sind fit, aber selbst sie werden in den Schatten gestellt von diesem wandelnden Muskelberg Dwayne “The Rock” Johnson!
Mit-Clint-Eastwoods-stoischer-Miene Award
Keine Miene zum bösen Spiel machten in diesem Jahr gleich mehrere Schauspieler, die mit ihrer Fähigkeit, ihr Antlitz zur absoluten Regungslosigkeit erstarren zu lassen, wohl jede Runde „Ernst auf Ernst“ spielerisch für sich entscheiden könnten. Da wären zum einen Ryan Gosling und Vithaya Pansringarm zu nennen, die sich als Kontrahenten in Only God Forgives dermaßen gnadenlos niederstarrten, dass es einem ganz schwarz vor Augen werden konnte. Joaquin Phoenix (in The Master) und Mads Mikkelsen (in/als Michael Kohlhaas) standen der Gesichtsvereisung ihrer Kollegen in nichts nach und den Gipfel der fazialen Erstarrung bildete wohl Walter White alias Heisenberg alias Bryan Cranston, der in seiner Rolle als zunehmend emotions- und skrupelloser Drogenbaron Breaking Bad zu seinem fulminanten Finale führte.
Begraben in CGI Award
Schon George Lucas hat gezeigt, dass die Verführung einen Film in Computer Generated Imagery (CGI) zu begraben nur allzu groß sein kann. Auch 2013 ließen sich einige Regisseure und Produzenten von diesen relativ neuen und scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten übermannen. Der Mann aus Stahl, oder besser bekannt als Superman, kehrte heuer auf die große Kinoleinwand zurück. Nach einem guten Anfang verwandelt sich der Film Man of Steel von Zack Snyder zunehmend in ein bombastisches Feuerwerk aus Explosionen und die Geschichte blieb auf der Strecke. Auch bei den post-apokalyptischen Actionabenteuern After Earth, des einst großartigen M. Night Shyamalan und Oblivion mit Tom Cruise wurde die CGI wohl einem guten Drehbuch bevorzugt. Sam Raimi setzte in seinem OZ – The Great and Powerful, trotz eines durchaus sehenswerten Cast rund um James Franco, Zach Braff und Mila Kunis – leider ebenfalls viel zu sehr auf seine Effekte und sonst nicht viel anderes.
Positive Überraschung des Jahres
Dass 2013 gleich mehrere gute Zombiefilme, die tatsächlich Grundlage zur Diskussion bieten, in die Kinos kommen hätte wohl keiner gedacht. Doch World War Z und Warm Bodies tun genau das und beleben ein Klischee-überhäuftes Genre. Mit Thor: The Dark World kommt eine Fortsetzung, die dem ersten Teil in nichts nachsteht und uns weiter an den Ränkeschmieden der Asgardier teilhaben lässt. This is the End lässt einen jedoch letztendlich nur auf das Ende des Films hoffen… von daher sollte die positive Überraschung des Jahres definitiv an Pain & Gain gehen, der nicht nur absurd-komisch ist, sondern aus seinem Ensemble in schöner Selbstironie das Beste herausholt. Wahlberg und Johnson zeigen nicht nur ihre Muckis sondern auch ihr Talent für Komödien.
Marvel-Materialmangel Award
Wer sieht nicht gern mehr von seinen liebsten Superhelden? Wir alle. Doch dieses Jahr wurden wir von Marvel quasi überschüttet. Die Fernsehserie Agents of S.H.I.E.L.D. nähert sich langsam dem an, was wir tatsächlich sehen wollen: Die Unmentionables, Menschen und andere Wesen mit besonderen Fähigkeiten. Während der Beginn der Serie eher mau war, bilden sich die Charaktere zunehmend aus und lassen auf zukünftige Gastauftritte der großen Brüder und Schwestern hoffen. Iron Man 3 bietet uns Tony Stark von der verletzlichen Seite und beendet gleichzeitig mehr oder weniger das gesamte Franchise im Sinne von “man soll aufhören wenns am schönsten ist“. Definitiver Materialmangel herrschte jedoch bei The Wolverine: Nicht nur wirkt der Klauen-bestückte Bad-Ass ohne seine Coolness etwas verloren, auch die Handlung schien sich nicht ganz mit den Schauspielern, dem Regisseur und den Zusehern verständigen zu können.
Ryan Gosling Award
Der Ryan Gosling-Award kann natürlich nur an, ja richtig, Tom Hardy Ryan Gosling gehen. Die Frage nach dem „Warum?“ sollte sich hier eigentlich schon erübrigen, aber bitte (Sollte ja eigentlich auch Bussi-Bussi Award heißen). Von Gangster Squad über Only God Forgives bis zu The Place Beyond The Pines – Ryan Gosling war ganz schön fleißig. Und ja, auch dieses Jahr sind zahlreiche Frauen wieder in „seine“ Filme gegangen um, naja, eben innerlich Ryaaaaan kreischen zu können. Die Frage weshalb Herr Gosling so beliebt ist, bleibt wohl ein Rätsel, aber irgendetwas hat der Mann eben. Keine Sorge liebe Männer, Träume werden ohnehin selten wahr und, wer würde nicht gerne so eine, pardon, coole Sau, sein?
Ähh – Worum geht’s eigentlich?
Fassungslosigkeit, verwirrtes Kopfschütteln, überfordertes Starren – das alles sind Regungen, die einen überkommen können, wenn die auserwählte Abendunterhaltung so gar nicht gängigen filmischen Konventionen gehorchen und/oder den eigenen Sehgewohnheiten entsprechen will. Dass es sich dennoch auszahlt, sich auf Ungewöhnliches einzulassen und beim ersten Anzeichen von Anspruch nicht gleich wegzuschalten, hat in diesem Jahr einmal mehr Ben Wheatley bewiesen, der in seinem psychedelischen „Field Trip“ A Field in England Genres und Erzählebenen wild durcheinanderwarf. Auch Shane Carruth blieb seinem Hang zum Sperrigen treu und inszenierte nach seinem Erstling Primer mit Upstream Color erneut einen vielfältig interpretierbaren, lange nachwirkenden Bilderrausch. Als akustischer Leckerbissen entpuppte sich schließlich Peter Stricklands Berberian Sound Studio, in dem die Grenzen zwischen Realität und Fiktion auf alptraumhafte Weise verschwammen. Worum’s in den Filmen geht? Anschauen und miträtseln!
Zum-Verwechseln-ähnlich Award
Olympus is Down? White House has Fallen oder: Olympus has Fallen Down? Is White House Down? The Bling Breakers? Spring Ring? This is the World’s End? A Single Mud? Who shot the Single, Joe? Wer sprengt noch gleich das Weiße Haus (diesmal) und wer darf dann durch dessen Trümmer mit markanten One-Linern ziehen? Welcher Hillbilly hat noch mal schwere emotionale Probleme, aber ein Herz aus Gold? Und welche Gruppe an vermeintlich emanzipierten Mädchen brechen noch mal wo ein und leben ihre oberflächlichen Fantasien aus? Irgendwas mit Weltuntergang und Männerfreundschaft war da ja auch noch…und jetzt sind uns auch noch die Fragezeichen ausgegangen.
Old School, done Right
Gigantische Roboter im fulminanten Faustkampf gegen noch größere Monster (Pacific Rim); Ein Haufen überraschend gut funktionierender weil oftmals erprobter Horrorelemente (The Conjuring); ein unbesiegbarer Bad-Ass-Macho als Hauptfigur samt treuem CGI-Hund (Riddick) und ein unnahbarer Bad-Ass-Killer als Antagonist in einer langgedienten Filmreihe voller illustrer Charaktere (Star Trek Into Darkness): Betrachtet man all jene Filme, so wird schnell klar, das hier vielleicht nicht viel Umwerfendes in Sachen Innovation angeboten wird, aber das Gezeigte dann doch so gut zusammen passt, das Unterhaltung zustande kommt. Kritik darf bei genauerer Betrachtung geübt werden, mit einem zugedrückten Auge und geminderter Erwartungshaltung machen alle – man mag es kaum wagen auszusprechen – Spaß.
Old School, done Wrong
Mal ehrlich: Wer rechnet eigentlich noch damit, das altgediente Haudegen wie Stallone oder Schwarzenegger noch einmal einen “guten” Actionfilm im Herbst ihres Schauspielerdaseins abliefern? Sowohl Escape Plan, wo ja beide mitspielten, als auch Shootout von Regielegende Walter Hill mit Sly in der Hauptrolle waren mühevolle Rückblicke auf ein Genre, das nicht nur seit kurzem Qualitätsprobleme hat. Ganz schlimm auch Machete Kills von Robert Rodriguez: Als zweiter Eintrag einer absehbaren Trilogie macht das Ganze noch etwas weniger Spaß als noch der Vorgänger, der seinerseits schon nur mit zwei zugedrückten Augen verkraftbar war. Horrorseitig konnte manchmal nur die grundlegende Idee (Eindrucksvolle bei The Purge ersichtlich) oder die in den Credits aufgeührten Produzenten (Guillermo del Toro bei Mama, Sam Raimi bei Evil Dead) Gänsehaut erzeugen. Und warum ausgerechnet der nicht gerade für seine Statur bekannte Actiongigant Tom Cruise in die (riesigen) Fußstapfen eines hühnenhaften Ex-Marines in der Romanverfilmung Jack Reacher treten musste, bleibt wohl auch für immer ein Geheimnis.
I get this strange Malick-Feeling des Jahres
Obwohl Naturphilosoph/Regie-Mastermind Malick höchstpersönlich dieses Jahr wieder einen Film ins Kino gebracht hat (To the Wonder) gebührt dieser nach ihm benannte Award dennoch zwei anderen Werken. The Loneliest Planet besticht nicht nur durch seine – es klingt fast wie ein Widerspruch – atemberaubende Stille, sondern auch durch seinen Minimalismus im erzählen seiner Geschichte, aber vor allem in der Darstellung seiner Protagonisten. Regisseurin Julia Loktev gelingt mit sehr wenig, sehr viel, ganz ohne überschwänglichen, pseudophilosophischen Voice-Over Monologen und bemüht lyrischen Bildern. Ben Wheatley erzeugt mit A Field in England einen ganz eigenen Sog und ein filmisches Mysterium, eher einen Trip, eine Erfahrung, als einen handelsüblichen Film. Hier merkt man aber nicht nur Malick, sondern auch den Einfluss von Werner Herzog und David Lynch. Dieser Film ist eine ganz eigenwillige Bestie, sagt aber auf seine Art mehr über den Zustand der Menschheit aus, als es Malicks jüngster filmischer Erguss, unter all seiner bemühten Oberfläche und künstlichen Erzählweise, zeigen könnte.
Filmfestival des Jahres
Klar, es ist immer eine besonder subjektive Entscheidung, welches Filmfestival nun das “beste”, “schönste” oder sowas in der Richtung war. Aber das Filmteam war sich einig, das die diesjährige Viennale den Preis verdient hat – was angesichts des letztjährigen Jubiläums des Festivals merkwürdig erscheint. Eine tolle Filmauswahl war entscheidend – und die war einfach unschlagbar in vielen Belangen: Abwechslungsreich (klar, bei der Auswahl, aber trotzdem) und überraschend aktuell mit vielen neuen Produktionen, die, umgeben von cinephilem Publikum, gleich doppelt so gut wirkten.
Teil zwei unserer Jahrescharts aus der Filmredaktion folgt am Donnerstag, den 26.12.2013!
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Über den Autor
Marco Rauch Aufgabenbereich selbst definiert als: Kinoplatzbesetzer. Findet den Ausspruch „So long and take it easy, because if you start taking things seriously, it is the end of you” (Kerouac) sehr ernst zu nehmend.