Die Weihnachtszeit nutze ich immer wieder gern, um Medien zu konsumieren. Dabei versuche ich weniger die aktuellsten Veröffentlichungen an Filmen, Büchern und Spielen abzuarbeiten, sondern eine gute Mischung aus Altem und Neuem, Bekanntem und Fremden zu finden. In dieser Weihnachtspause habe ich unter anderem zwei bedeutende filmhistorische Werke wiedergesehen. Das erste ist “Metropolis”, der Science-Fiction-Stummfilm von Fritz Lang aus dem Jahr 1927. Diesem werde ich später noch einen eigenen Artikel widmen. Hier soll es aber um “Fantasia” gehen, einen ganz besonders Walt Disney Zeichentrickfilm von 1940. Meine Affinität zu Zeichentrickfilmen habe ich ja schon diverse Male (hier, hier und hier beispielsweise) unter Beweis gestellt, Fantasia habe ich als Kind schon einmal auf Video gesehen, konnte da aber natürlich nicht ernsthaft die künstlerische Leistung einschätzen, die hier drin steckt. Vielmehr fanden wir den Film als Kinder recht langweilig.
Micky als Zauberlehrling
Letztendlich ist es eine Collage aus Trick und Zeichentrick vor dem Hintergrund klassischer Musik ist, die nahezu ohne Narration oder Figuren auskommt, von Micky als Zauberlehrling mal abgesehen. Der Film war erst der dritte abendfüllende Zeichentrickfilm nach Schneewittchen (1937) und Pinocchio (ebenfalls 1940), wenngleich er sich wie eben erklärt doch deutlich von diesen abhebt und für Disney damals ein Prestigeprojekt darstellte. Tatsächlich beabsichtigte Walt Disney damals Fantasia als Fortsetzungsreihe und Hochkulturveranstaltung zu etablieren. Das klappte aber nur mäßig, Fantasia war zunächst kaum erfolgreich und konnte erst als Tripfilm in den 1960er Jahren vermehrt Fans finden.
Präsentator Deems Taylor
Fantasia zeigt ein klassisches Konzert bestehend aus verschiedenen Stücken, die vom Philadelphia Orchester unter der Leitung von Leopold Stakowski interpretiert werden. Zwischen den einzelnen Werken liefert Deems Taylor Einleitung und erläuternde Kommentare. Die Musik, die zum Teil großzügig gekürzt oder angepasst wurde, wird durch aufwendige Animation und Filmtricktechnik visuell untermalt. Es beginnt mit Toccata und Fuge in D-Moll von Johann Sebastian Bach, visuell ist das Orchester als Silhouette vor buntem Hintergrund zu sehen, ansonsten zeigen die Animationen abstrakte Bilder.
Nach dieser Ouvertüre folgt die Nussknacker-Suite von Tchaikovsky, bei der diverse Tiere, Feen und ähnliche Figuren ähnlich der Vorlage in Form des Balletts zur Musik tanzen.
Es folgt die wohl bekannteste Szene, Der Zauberlehrling von Paul Dukas, in dem Micky Maus als Lehrling eines Zauberers sich die Arbeit erleichtern will und den Besen verzaubert, damit er das Putzwasser selbst aus dem Brunnen holt. Doch er hat den Spruch vergessen, mit dem er dem Zauber ein Ende setzen kann und die Besen setzen munter das gesamte Haus unter Wasser.
In einem Land vor unserer Zeit…
Daran schließt Le Sacre du Printemps von Igor Strawinski an, die Musik untermalt hier Szenen aus der Vergangenheit der Erde, die Entstehung des Lebens nach der Evolutionstheorie vom Einzeller zu ersten Landtieren und den Dinosauriern, die hier lange vor der Magie von Spielbergs Jurassic Park zum Leben erweckt werden.
Zur sechsten Sinfonie von Ludwig van Beethoven zeigt der Film Figuren und Erzählungen aus der griechischen Mythologie, ein Fest zur Ehren von Bacchus, dem Gott des Weins, wird vorbereitet. Neben diversen griechischen Göttern, werden einige mythische Figuren im niedlichen Stil von Walt Disney gezeigt.
Darauf folgt Der Tanz der Stunden von Amilcare Ponchielli, ein Ballet, das – offenbar als Persiflage – von Nilpferden, Elefanten und Alligatoren getanzt wird.
Am Schluss folgt eine Szene bestehend aus Eine Nacht auf dem kahlen Berge von Modest Mussorgski und im Anschluss das Ave Maria von Franz Schubert. Der erste Teil dieser Szene zeigt, wie ein Dämon des nachts die Toten erweckt und Hexen und Geister auf dem Berg einen Hexensabbat (wie z.B. zur Walpurgisnacht) feiern. Erst das Läuten der Glocke beendet den Spuk und es schließt direkt der zweite Teil an, der eine Lange Prozession mit Kerzen durch die Wälder zeigt während die Sonne aufgeht.
Ich habe die aktuelle Version auf Bluray gesehen, die nicht nur in großartiger Qualität vorliegt, sondern auch schon zur Erstveröffentlichung mit Mehrkanalton aufgenommen wurde. Da der Film im Original im Bildformat 4:3 vorliegt, kann man sich wahlweise anstelle der nötigen schwarzen Seitenränder szenenspezifische, farblich passende Zeichnungen einblenden lassen. Außerdem liegt der Film, der eine höchst faszinierende Geschichte mit diversen Schnittfassungen hat, in seiner ursprünglichen Form und Länge von 124 Minuten vor, die VHS-Fassung, die ich als Kind gesehen hatte, war soweit ich mich erinnere, beispielsweise um die Kommentare gekürzt.
Ein interessanteres Kleinod im Bonusmaterial stellt eine Kurzdoku zu den sogenannten Schultheiß Notizbüchern dar, benannt nach Hermann Schultheis, der für Spezialeffekte bei den ersten Disney Animationfilmen verantwortlich war. Viele dieser Effekte basierten auf neuen, eigenen Ideen und diese hielt Schultheis in Notizbüchern fest, die zu kaufen Disney zunächst ablehnte und die danach erst viele Jahre nach seinem mysteriösen Verschwinden in Guatemala wiedergefunden und restauriert wurden. Viele der Spezialeffekte fernab von den Möglichkeiten der digitalen Technik waren überaus komplex und so musste beispielsweise die letzte Sequenz des Films drei Mal neu aufgenommen werden, weil sie nicht gelang. Sie wurden buchstäblichen Stunden vor der Uraufführung fertig gestellt.
Es gibt übrigens auch ein Sequel zu diesem Film, Fantasia 2000 kam wie der Titel vermuten lässt Ende 1999 bzw. 2000 heraus und folgt in der Idee und Struktur dem Vorgänger. Da ich den aber nicht gesehen habe, kann ich natürlich kein Urteil anbieten.
Fantasia liegt mit einer Rottentomatoes-Wertung von 96% hoch in der Gunst der Kritiker, das Publikum schließt sich zu 77% an. Wie schon andere Zeichentrickfilme, die ich hier behandelt habe, ist auch Fantasia kein Film für Kinder. Er ist überhaupt weit weg vom Mainstream, wer aber für das Außergewöhnliche eine Ader hat, sollte sich Fantasia mal ausleihen und genießen. Ich würde mich freuen, eure Meinung in den Kommentaren zu lesen. Die Szene “Nussknacker-Suite” hab’ ich mal angehängt, überhaupt findet man aber einige der Szenen auch bei YouTube, im Übrigen auch die erst nachträglich fertiggestellte Szene zu “Claire de Lune”.
Noch eine kleine Bemerkung: SWoL ist nun auch bei Google+. Leider ist Google noch immer nicht zu einer API mit der Möglichkeit zu posten gekommen (die müssen echt mächtig beschäftigt sein), darum wird es dort erstmal weniger Posts geben als bei Facebook, weil ich immer manuell posten muss. Was aber vielleicht auch besser ist.