Filmempfehlung: Alphabet

Alphabet KinoplakatAls wir alle drei letzten Samstag krank die Wohnung gehütet haben, nutzten wir die Zeit, um uns den Film ALPHABET anzuschauen. Dieser Film befasst sich sehr kritisch mit dem aktuellen Bildungssystem, welches nur auf Leistung ausgelegt ist:

“Unser Wirtschafts- und Gesellschaftssystem wird durch krisenhafte Entwicklungen zunehmend in Frage gestellt und eine Antwort ist nicht in Sicht. Die politischen und wirtschaftlich Mächtigen wurden zum Großteil an den besten Schulen und Universitäten ausgebildet. Ihre Ratlosigkeit ist deutlich zu spüren und an die Stelle einer langfristigen Perspektive ist kurzatmiger Aktionismus getreten.

Mit erschreckender Deutlichkeit wird nun sichtbar, dass uns die Grenzen unseres Denkens von Kindheit an zu eng gesteckt wurden. Egal, welche Schule wir besucht haben, bewegen wir uns in Denkmustern, die aus der Frühzeit der Industrialisierung stammen, als es darum ging, die Menschen zu gut funktionierenden Rädchen einer arbeitsteiligen Produktionsgesellschaft auszubilden. Die Lehrinhalte haben sich seither stark verändert und die Schule ist auch kein Ort des autoritären Drills mehr. Doch die Fixierung auf normierte Standards beherrscht den Unterricht mehr denn je.

Denn neuerdings weht an den Schulen ein rauer Wind. „Leistung“ als Fetisch der Wettbewerbsgesellschaft ist weltweit zum unerbittlichen Maß aller Dinge geworden. Doch die einseitige Ausrichtung auf technokratische Lernziele und auf die fehlerfreie Wiedergabe isolierter Wissensinhalte lässt genau jene spielerische Kreativität verkümmern, die uns helfen könnte, ohne Angst vor dem Scheitern nach neuen Lösungen zu suchen.”

Schon seit längerem befasse ich mich mit der Frage, wie wir unseren Sohn aufwachsen lassen. Leider muss ich sagen, dass ich mich immer mehr von staatlichen Einrichtungen entferne und sie als nicht mehr zeitgemäß erachte. Ich scherze immer, dass “das System” meinen Sohn nie bekommen wird. Mit “das System” meine ich städtische Kinderkrippen und Kindergärten und später dann die staatlichen Schulen.

Wer das Leistungsprinzip sät, wird McKinsey Menschen ernten

Der Film zeigt wieder sehr eindrucksvoll, wie Kinder und Jugendliche schon in der Schule bis zur Erschöpfung getrieben werden. Den Anfang machte im Film China und sicher war es für mich keine Überraschung, dass Familien ihre Kinder so antreiben und sie von Mathe Olympiade zu Mathe Olympiade schleifen. Und statt beim gemeinsamen Tee trinken werden dann auch nicht Familienbilder angeschaut, sondern die bereits erreichten Urkunden und Medaillen begutachtet, immer mit dem Hinweis, dass bitte noch einige Folgen sollten.

Schlug mir China schon etwas auf meinen kranken Magen, wurde mir bei der Sequenz zum Wettbewerb “CEO of the Future” wirklich speiübel. Diese jungen Menschen, die da ihre McKinsey Phrasen in den Raum dreschen, dass sind die gesellschaftlichen Probleme von morgen. Effizienz, Leistungsorientierung, nur für den Job leben – das wahre Bullshit-Bingo der Beraterelite ergoss sich da vor der Kamera. Aber woher sollen die denn mit 25 Jahren wissen, dass sie mit 35 und einem Burnout wohl nicht mehr so toll über ein Leben nur für den Job denken. Schließlich hat man ihnen in der Schule ständig eingehämmert, dass es nur die Besten nach oben schaffen und Disziplin und Ehrgeiz die Steigwerkzeuge auf dem Weg zum Gipfel sind.

War früher Gordon Gecko für mich der Hero, ist seit meinem Ausstieg bei Daimler im Jahr 2010 und den Wochen in Nepal als ehrenamtlicher Helfer in einen Heim für geistig behinderte Jugendliche nun Forrest Gump der Held meines Herzens. Für das heutige Bildungssystem wäre Forrest Gump wohl der reinste Horror und dürfte wahrscheinlich maximal auf die Baumschule.

Die Magie des Malort und die wunderbare Entwicklung des André Stern
Quelle: Arno Stern

Quelle: Arno Stern

Gott sei Dank war irgendwann das Kapitel “CEO of the Future” vorbei und wir kamen zu Arno Stern. Ich bin durch unsere Spielraum Kursleiterin Bettina auf Arno Stern und seinen Malort aufmerksam geworden und muss sagen, dass ich diese Idee schlichtweg toll finde. Ein Ort, wo jung und alt einfach malen können, ist aus meiner Sicht einfach traumhaft. Zum Glück bietet Bettina so einen Malort auch in München an und ich werde sicher mal vorbeischauen, wenn Nepo mindestens 2,5 Jahre alt ist, also in gut einem Jahr.

Dann kam im Film auch noch André Stern zu Wort. Ich kannte ihn, weil ich auf Amazon auf sein Buch “… Und ich war nie in der Schule” aufmerksam geworden bin. Allerdings wusste ich damals nicht, dass er der Sohn von Arno Stern ist. André Stern war nie in der Schule und wurde nie von seinen Eltern unterrichtet. Ich finde aus ihm ist trotzdem oder gerade deswegen ein glücklicher und entspannter Mensch geworden. Die deutschen Lehrer würden es wohl nicht glauben, was da in Frankreich so alles möglich ist. Nach dem Film würde ich mir das Buch sicher ausleihen oder auf meinen Kindle laden, denn die Kindheit von André Stern und sein selbstgesteuertes Lernen bzw. Entdecken interessiert mich sehr, auch wenn ich mir das für unseren Sohn nie vorstellen kann.

Zurück zu Arno Stern: Sehr interessant fand ich seine, aus den Bildern der Kinder gewonnene Erkenntnis, dass mit Ende der 80er Jahre Kinder keine wirklichen “Kinderbilder” mehr gemalt haben, sondern abstrakte Formen, weil sie glauben, das die Erwachsenen so eine Malart von ihnen erwarteten. Am Freitag zuvor war ich witzigerweise spontan mit Nepo bei einer Familie in unserem Haus zu Besuch, die allesamt Musiker sind. Das Mädchen, ca. 7 Jahre alt spielt wunderbar Geige und zeigte mir auch ihre selbstgemalten Bilder. Und was war auf den Bildern zu sehen? Abstraktionen, ähnlich den Bildern, die ihre Mutter gemalt hat. Sowohl die Bilder der Mutter, als auch der Tochter waren wunderschön, aber ich habe mich gefragt, ob Nepo sowas auch malen würde? Oder würde er Mandalas malen, weil ich mir jetzt ein Mandala Malbuch gekauft habe und Kinder eben gerne nachahmen?

Der Film ist eine Bestärkung weg von staatlichen Bildungseinrichtungen

In dem Film kamen noch viele weitere Protagonisten zu Wort. Von Mr. PISA Andreas Schleicher, über den Neurowissenschaftler Gerald Hüther bis zu Pablo Pineda Ferrer, der als erster Europäer mit Down Syndrom einen Hochschulabschluss gemacht hat. Alles in allem eine wirklich tolle Runde, die einen sehr stark über das hiesige Schulsystem nachdenken lässt.

Einen Tag, nach dem ich den Film angeschaut habe, bin ich bei der FAZ über einen Artikel gestoßen, in dem Wirtschaftsbosse in Davos über die Herausforderung der Digitalisierung und die Zukunft der Bildungspolitik sinniert haben. Besonders erschreckend fand ich die Forderung, dass “die Wirtschaft mit dem Staat in Bildungsfragen enger zusammenarbeiten muss“.

Wenn mich der Film eines gelehrt hat, dann wohl dass, dass sich die Wirtschaft schon überall zu viel einmische und an der Schule ja sowieso schon fast nur Lemminge rangezüchtet werden und Kreativität, wenn sie nicht zur Leistungssteigerung taugt, systematisch abtrainiert wird.

Je mehr ich über Bildung und mögliche Schulwege für Nepo nachdenke, desto stärker wächst in mir der Wunsch den Sohn lieber auf eine Montessori- oder eine Waldorfschule zu schicken, als ihn dem Leistungswahn normaler Schulen auszusetzen. Lieber tanzt er seinen Namen, als nach der Pfeife von irgendwelchen Business School Absolventen. 😀

Wer sich für das Thema Bildung interessiert, dem empfehle ich diesen Film wirklich von Herzen. Hier gibt es auf jeden Fall schon mal den Trailer zum Film:


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