Der französische Regisseur Michel Hazanavicius widmete sich 2011 mit seinem The Artist einer einschneidenden Veränderung in der Welt des Films. Der Komödiant Jean Dujardin spielt den Stummfilm-Darsteller George Valentin, der sich mit dem aufkommenden Tonfilm konfrontiert sieht.
In der Filmwelt kommt es immer wieder zu Veränderungen, zumeist technischer Natur. Da wäre der 3D-Film, der schon vor James Camerons Avatar zugegen war, seit seinem Fantasy-Spektakel aber inflationär in Mode gekommen ist. Leider hat sich Dolby Atmos als Soundsystem (noch) nicht flächendeckend durchgesetzt und zum Glück haben die 48 fps (frames per second, Bilder pro Sekunde) anstelle von den standardmäßigen 24 Bildern in Der Hobbit keine Begeisterungswelle ausgelöst.
Hazanavicius inszeniert seinen Film in schwarz/weißen Bildern, als Stummfilm und Liebeserklärung an das Hollywood vergangener Tage, ganz gleich mit welchen Mitteln seine Leidenschaft zum Medium Film auf die Leinwände gebannt wird.
Auf diesen Leinwänden sieht er den Superstar George Valentin (Jean Dujardin), der der Inbegriff des Hollywood-Idols der 1920er Jahre ist. Dem unvergleichlichen Charmeur und Draufgänger fliegen die Herzen des Publikums zu. Er genießt und zelebriert seinen Ruhm und entdeckt nur im Vorbeigehen das Talent der jungen Statistin Peppy Miller (Bérénice Bejo).
The Artist
" data-orig-size="1000,748" sizes="(max-width: 890px) 100vw, 890px" aperture="aperture" />Jean Dujardin als George Valentin in „The Artist“
Doch mit dem Wendepunkt vom Stumm- zum Tonfilm stehen die beiden Schauspieler plötzlich zwischen Ruhm und Untergang. Valentin will nicht wahrhaben, dass der Tonfilm seine Karriere zu überrollen droht. Für Peppy aber bedeutet die neue Technik den Durchbruch. Sie wird zum gefeierten Kinostar des Tonfilms.
Mit seinem The Artist hat Regisseur Hazanavicius (der mit Dujardin und Bejo zuvor bereits die Komödie OSS 117 – Der Spion, der sich liebte gedreht hat) der Welt einen Film geliefert, der viele Jahrzehnte nach der Stummfilmzeit einen leidenschaftlichen Blick zurück wirft, eine Hommage an das Medium darstellt und beweist, dass mit veraltet geglaubten Mitteln das Geschichtenerzählen weiterhin möglich ist.
Wortlos durchlaufen wir gemeinsam mit den beiden Hauptakteuren Dujardin und Bejo die farblosen Bilder, die von der Musik des Komponisten Ludovic Bource durch komische und dramatische Momente getragen werden. Dabei spielt der Film selbst mit seinem stummen Dasein. So werfen wir in der Einstiegssequenz einen Blick in einen Film von George Valentin, in dem er sich gerade gegen russische Agenten zur Wehr setzen muss, die ihn zum reden bringen wollen. Er weigert sich standhaft, bleibt sich treu: “Ich werde nicht sprechen!”.
Kurz danach verschlägt es uns hinter die Leinwand, wo ein Schild aushängt, das die Regeln hier hinten deutlich macht: “Ruhe bitte!”. An solchen Momenten erkennen wir als Zuschauer, dass in diesem Film eine ganze Menge Liebe zum Detail drin steckt.
The Artist
" data-orig-size="1000,751" sizes="(max-width: 890px) 100vw, 890px" aperture="aperture" />Bérénice Bejo als Peppy Miller in „The Artist“
Was für George Valetin zum Alptraum seiner Karriere wird, manifestiert sich in einem wundervoll inszenierten Traum-Moment, in dem sich der absteigende Superstar auf einmal einer Geräuschkulissen hingeben muss. Die Musik erlischt, während Valentin stumm durch seine von Geräuschen durchflutete Umwelt taumelt. Das Glas gibt einen Ton von sich, wenn es auf den Tisch gestellt wird. Ein Hund bellt, draußen kichern Tänzerinnen und eine langsam zu Boden gleitende Feder erzeugt bei ihrem Aufprall auf die Erde ein ungemein lautes Wummern.
Es macht schlicht Spaß Jean Dujardin bei seinem Spiel zuzusehen. Aber auch die Ehegattin des Regisseurs, Bérénice Bejo hat sich der ausdrucksstarken Schauspielkraft der Stummfilmzeit bemächtigt. Mit überzogener Mimik und Körpersprache bleiben beide wortlos überzeugend bis kurz vor Ende des Films.
The Artist hält gute ausgewählte, talentierte Darsteller mit einer Kombination aus Bild und Ton parat. Dabei stellt sich Hazanavicius auf keine Seite, möchte weder Stumm- noch Tonfilm bevorzugen, sondern geht viel mehr auf die Entwicklung des Mediums ein. Zugleich bleibt der Film aber eben auch dieser nostalgische Blick zurück.