Filme ohne Farbe: „Tabu der Gerechten“ (1947) mit Gregory Peck

Erstellt am 2. Juni 2017 von Denis Sasse @filmtogo

“Ich bin immer noch derselben Mann wie gestern. Es ist ganz gleich ob ich jüdisch oder ein Christ bin. Aber das ist Antisemitismus. Dieses Gefühl, das du jetzt gerade in dir spürst!” Harte Worte von Gregory Peck, der in Tabu der Gerechten von Regisseur Elia Kazan den Journalisten Philip Green spielt, der vorgibt ein Jude zu sein, um den Diskriminierungen direkt ausgesetzt zu werden über die er einen Enthüllungsartikel schreiben will.

Kazan, der später noch Endstation Sehnsucht, Jenseits von Eden oder Die Faust im Nacken drehen sollte, ließ sich mit seinem Film auf ein gewagtes Spiel ein. Auch wenn am Ende acht Oscar-Nominierungen heraus sprangen – von denen drei gewonnen werden konnten – war es in Hollywood gar nicht gerne gesehen, dass der Roman von Laura Z. Hobson verfilmt werden sollte.

Tabu der Gerechten

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Gregory Peck als Journalist Philip Green mit seiner Mutter (Anne Revere)

Aber Produzent Darryl F. Zanuck musste den Film einfach realisieren, nachdem ihm der Zugang zum Los Angeles Country Club verwehrt wurde, weil man ihn fälschlicherweise für einen Juden hielt. Bevor überhaupt die Dreharbeiten beginnen konnten, wurde Zanuck von Samuel Goldwyn und anderen Juden im Filmbusiness aufgesucht, die ihn von seinem Filmvorhaben abbringen wollten. Sie fürchteten, dass Tabu der Gerechten für Probleme sorgen könnte.

Ebenso wurde vor den Zensoren gewarnt, die zu dieser Zeit mit dem Hays Code ein hartes Urteil über jeden Film brachten, der sich in irgendeiner Form zu unmoralisch für das amerikanische Publikum anfühlte. Und auch dass Dororty McGuire im Film eine geschiedene Frau spielte, wurde als Gefahr angesehen, die die National Legion of Decency auf den Plan rufen könnte, eine Institution, die über Moral und Anstand wachte. Selbst Cary Grant, der zuerst für die Rolle des Journalisten Green vorgesehen war, lehnte dankend ab – aus Angst der Film könne seine Karriere zerstören.

Auch Gregory Pecks Agent sah die Gefahr, aber der Schauspieler ließ sich nicht von der Rolle abbringen. Und es ist großartig zu sehen, wie er jede Minute des Films mit Emotionen füllt. Die Handlung hält ein intelligentes Verständnis für das Problem bereit und dringt durch Pecks Spiel zu den Zuschauern durch. Es mag sich um einen höchst naiven Reporter handeln, der selbst zuerst mit dem Begriff des Antisemitismus nichts anzufangen weiß, aber dadurch versetzt sich das Publikum viel mehr in seine Figur hinein, wird von Grund auf aufgeklärt und mit den schockierenden Erkenntnissen dieses Spiels im Spiel konfrontiert.

Eine weitere Einschränkung besteht darin, dass es so scheint, als wolle Green eine Enthüllungstory über den Antisemitismus in den gesamten USA schreiben. Wenn man sich den Film allerdings länger als zehn Minuten anschaut, wird schnell deutlich, dass der Journalist sich lediglich in den oberen Riegen der Gesellschaft aufhält und niemals auch nur einen Fuß in die Unter- oder Mittelschicht setzt.

Tabu der Gerechten

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Gregory Peck mit Dorothy McGuire in der Rolle seiner Geliebten Kathy Lacey

Dennoch werden ihm harte Worte entgegen gebracht. Mal ist es die pure Ablehnung, eine Schikane, ihm wird ein Hotelaufenthalt nicht gestattet, weil er scheinbar jüdischer Herkunft ist. Er darf das Namensschild an seinem Briefkasten nicht ändern, damit nur kein Indiz im Hausflur zu sehen ist, dass hier ein Jude wohnt.

Am ärgsten trifft es ihn allerdings mit seiner Geliebten Kathy (Dorothy McGuire), eine nur scheinbar weltoffene Frau, die sich trotz ihrer intellektuellen Überzeugungen nicht von ihren eigenen Vorurteilen gegenüber einer Gruppe von Menschen freisprechen kann, womit sie natürlich mit Green aneinander geraten muss – ob dieser sein Juden-dasein nun vortäuscht oder nicht.

Tabu der Gerechten mag nicht perfekt sein, vor allem wegen der eng geknüpften Szenerie, in der Antisemitismus erforscht wird – als auch der Naivität, mit der alle Akteure durch die Welt zu gehen scheinen. Aber er trifft, wo er treffen sollte, hinterlässt einen deutlichen Eindruck und wird vor allem das damalige Publikum dazu bewegt haben, einmal über die eigenen Ansichten nachzudenken oder im besten Falle sogar zu überdenken.