Filme ohne Farbe: MES PROVINCIALES (2018) von Jean-Paul Civeyrac

“Ich habe genug von diesen weinerlichen, französischen Filmen. Ich will Filme sehen, die von dem wirklichen Leben handeln.” tönt es an einer Stelle in Regisseur Jean-Paul Civeyracs 2018er Mes Provinciales (benannt nach einem Roman des Autors Blaise Pascal). Dann aber könnten wir seinen Film selbst als ebensolchen verstehen. Der französische Filmemacher holt seinen Protagonisten aus Lyon in die Metropole Paris, wo er an der Universität Paris VIII, dort wo Civeyrac selbst seit 2011 unterrichtet, Film studieren will.

Civeyrac gilt als Vertreter der “neuen” französischen Nouvelle Vague-Bewegung und zeigt seinen Film als solches im Schwarzweiß-Stil, was sofort Erinnerungen an den deutschen Oh Boy (für Berlin) und den amerikanischen Frances Ha (für New York) aufkommen lässt. In allen drei Filmen geht es um eine sich auf ihre Art und Weise bemühende Spätjugend, die sich durch eine Großstadt kämpfen muss um ihre Ziele zu erreichen und dabei nicht immer alle Probleme gelöst bekommt. Diese drei Filme geben eine wunderbare Großstadt-Schwarzweiß-Trilogie eines modernen Zeitgeistes ab.

Im Mittelpunkt des Films steht Etienne (Andranic Manet). Er vertritt die feste Meinung, dass ein Film immer in Farbe gedreht werden sollte und Schwarzweiß kein gutes Stilmittel sei. Herzlich willkommen in der ironischen Welt von Mes Provinciales, der sich eben auch selbst als weinerlichen, französischen Film inszenieren darf.

Filme ohne Farbe: MES PROVINCIALES (2018) von Jean-Paul Civeyrac

Mes Provinciales

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Andranic Manet als Etienne in MES PROVINCIALES

Etienne freundet sich recht schnell mit zwei Klassenkameraden an: dem lebensfrohen und hilfsbereiten Jean-Noel (Gonzague Van Bervesseles) und dem eingebildeten, einnehmenden Mathias (Corentin Fila), der über Filme spricht, als wäre er der nächste Jean-Luc Godard, aber keines seiner eigenen Werke vorführen möchte. Mathis wird mit seiner von sich selbst überzeugenden Einstellung und seiner Sichtweise aufs Filmemachen zu einem Vorbild für Etienne, der selbst gerne Regisseur werden würde, aber ganz anders als sein neu gefundener Freund, alle seine Arbeiten eher anzweifelt als sich von ihnen überzeugt zu zeigen.

Darüber hinaus führt Etienne ein ganz normal-französisches Liebesleben, das ihn ab und an ablenkt: mit seiner Freundin (Diane Rouxel) in Lyon führt er eine Fernbeziehung, seine Mitbewohnerin (Jenna Thiam) ist in ihn verliebt, dann ist da aber auch noch eine zweite Mitbewohnerin (Sophie Verbeeck), die ihn nicht liebt, sowie ein Mädchen aus der Schule, mit der er gelegentlich im Bett landet.

Mit über zwei Stunden Laufzeit und langen Szenen, die sich ausschließlich Gesprächen zwischen diesen Jugendlichen widmen, hätte Mes Provinciales ein überaus anstrengender Film werden können. Aber besser als ein Quentin Tarantino versteht es Jean-Paul Civeyrac uns mit seinen Filmgesprächen zu unterhalten, ohne dass es jemals auch nur eine Minute zu lang erscheinen würde.

Es ist, als säßen wir mit guten Freunden an einem Tisch, in einem Café, in einer Bar oder bei jemanden Zuhause und würden wie ganz normale junge Erwachsene, dann wieder wie Poeten über das Leben, die Liebe und über Freundschaften philosophieren und all unsere Ergüsse in den Kontext des Filmemachens und -verstehens setzen.

Unser bester Freund ist dabei Etienne, der von dem relativen Neuling Andranic Manet wunderbar portraitiert wird. Manchmal müssen wir uns fragen, ob dieser Fatzke nicht etwas zu eingebildet daherkommt, als dass er unser Mitgefühl verdient hätte. Im nächsten Moment ist aber schon wieder alles gut und wir akzeptieren ihn als unser Fenster in Civeyracs Geschichte.

Filme ohne Farbe: MES PROVINCIALES (2018) von Jean-Paul Civeyrac

Mes Provinciales

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Die studentische Filmcrew versucht Etiennes Film zu realisieren.

Diese Geschichte behandelt das erste Schuljahr von Etienne in einer episodenhaften Struktur. Immer wieder blendet Mes Provinciales ab, wenn eine Episode fertig erzählt ist. Es werden Zwischenüberschriften und am Ende ein Epilog gesetzt, um uns Etiennes schwere Zeit in Paris aufzuzeigen, in der er versucht seine Stimme als Filmemacher zu finden, wo er doch von so vielen Zweifeln und desillusionierenden Erkenntnissen geplagt wird.

Die Kunst ist es, Etienne nicht abzuschotten, sondern ihn im Umfeld anderer Personen zu zeigen. Und ganz gleich ob wir uns in der Filmschule oder in seinem Privatleben bewegen, jede einzelne Figur bekommt ausreichend Zeit gewidmet, damit wir sie kennenlernen können, ihre Ansichten erfahren und in welchem Spannungsverhältnis sie sich zu Etienne befindet. Das balanciert der Film wunderbar aus und am Ende gibt es kein Gesicht, dass nicht in irgendeiner Form einen Eindruck bei Etienne und uns hinterlassen hätte.

Mes Provinciales ist eine Coming-of-Age Geschichte für Filmliebhaber, die einen schwer-philosophischen Blick auf das Leben richtet, aber auch selbstironisch Spaß mit sich haben kann. Jean-Paul Civeyrac umgibt uns mit jungen Erwachsenen, die seinem Film allesamt erhebliches Charisma verleihen und es eine wahre Freude sein lassen, zweieinhalb Stunden dabei zuzusehen, wie sie sich in verschiedenste Gespräche vertiefen.


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