Filme ohne Farbe: GEHEIMNISVOLLE ERBSCHAFT (1946) von David Lean

Mit Verfilmungen des britischen Schriftstellers Charles Dickens verhält es sich wie mit den Adaptionen der Werke Shakespeares. Entweder sie gelingen oder aber sie verfehlen ihr Ziel gänzlich. David Lean, einer der großen britischen Filmemacher, der mit einem Background aus dem Filmschnitt kommt, hat sich nie an Dickens’ bekanntester und in den verschiedensten Variationen verfilmter Die Weihnachtsgeschichte versucht. Dafür aber an Oliver Twist in 1948 und bereits zwei Jahre zuvor an Geheimnisvolle Erbschaft (Great Expectations) – an dem er sich nicht nur versucht hat, sondern der ihm auch überaus gut gelungen ist.

Lean, der später weitaus mehr Bekanntheit durch Die Brücke am Kwai (1957), Lawrence von Arabien (1962) und Doktor Schiwago (1965) erlangt hat, hat Geheimnisvolle Erbschaft (spätere Verfilmungen wurden immer als Große Erwartungen übersetzt) fast wie einen Horrorfilm inszeniert. Er zeigt Darstellerin Martita Hunt als obskure und makabre Miss Havisham, die an ihrem Hochzeitstag sitzengelassen wurde und seither ein Leben in bitterer Zurückgezogenheit fristet. Alle Uhren in ihrem gigantischen Anwesen wurden angehalten und zeigen exakt den Moment, in dem sie ihren Mann des Fremdgehen überführen konnte.

Filme ohne Farbe: GEHEIMNISVOLLE ERBSCHAFT (1946) von David Lean

Gefährliche Erbschaft

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Die junge Estella führt Pip in das riesige Anwesen von Miss Havenish.

Hierher wird der Waisenjunge Pip (Anthony Wager) bestellt, der in ärmlichen Verhältnissen vom Dorfschmied (Joe Gargery) aufgezogen wurde. Er findet Miss Havisham in ihrem Hochzeitskleid vor, das sie partout nicht ausziehen will, wie sie auch weiterhin in den Räumlichkeiten verweilt, in denen das Hochzeitsbankett hätte stattfinden sollen. Während sie auf den von Mäusen zerfressenen Kuchen hinweist und von Spinnenweben umgeben ist, soll Pip ihren Rollstuhl umher schieben.

Geheimnisvolle Erbschaft profitiert in diesen Gemäuern, aber auch in der Großstadt London, auf freiem Feld, in Gärten und auf spukigen Friedhöfen von der Kamera von Guy Green – für die er mit einem Academy Award ausgezeichnet worden ist. Er zeigt gigantische Panoramen, fast märchenhaft in Szene gesetzt. Würde Guy Green noch leben, würde er vermutlich Filme von Tim Burton oder Guillermo Del Toro begleiten. Vor allem wenn der kleine Pip über den Friedhof irrt, wo in seiner Imagination Tiere mit ihm sprechen, Nebelschwaden aufziehen und ihn blind umher torkeln lassen, ist das ein Glanzstück von Horror-Atmosphäre. Dann schießt der entflohene Verbrecher Magwitch (Finlay Currie) hervor und zeigt uns, wie ein guter Jumpscare funktionieren kann.

Nicht weniger atmosphärisch kommt das Anwaltsbüro von Mr. Jaggers (Francis L. Sullivan) daher, bei dem ein erwachsener Pip (John Mills) lernen soll, sich wie ein Gentleman zu geben, der einer ordentlichen und angesehenen Arbeit nachgeht. Jaggers ist Miss Havenishs Anwalt und wird von ihr beauftragt, aus Pip einen anständigen Kerl zu machen. Ihm wird gesagt, dass jemand für die Unkosten aufkommen wird. Ein Geheimnis das Pip aufzulösen versucht, während er sich in diesem Büro wiederfindet, an dessen Wänden Todesmasken von Klienten hängen, die Jaggers an den Galgen verloren hat.

Hier teilt sich Pip ein Zimmer mit Herbert Pocket, der von Alec Guinness (Obi-Wan Kenobi in der Original Star Wars-Trilogie) in seiner ersten großen Rolle verkörpert wird. Wenn diese beiden miteinander spielen, entfernt sich David Lean vom Horror und gibt uns pure Comedy. Mr. Pip und Mr. Pocket als Leans britische Antwort auf Stan Laurel und Oliver Hardy – vielleicht nicht ganz so sehr im Slapstick verortet, aber immer noch amüsant miteinander anzusehen.

Pip nimmt diese Ausbildung auf sich, da er Estella für sich gewinnen will. Sie ist ebenso eine junge Waise, die wiederum von Miss Havenish adoptiert wurde und in ihrem Haus leben darf, um jungen Männern den Kopf zu verdrehen und sie dann fallen zu lassen. Damit nimmt Havenish Rache an der Männerwelt. Estelle warnt Pip davor, sich mit ihr einzulassen. Vielleicht aus dem Grund, da sie ihn wirklich gerne hat und ihn nicht dem Zorn ihrer Adoptivmutter aussetzen möchte.

Filme ohne Farbe: GEHEIMNISVOLLE ERBSCHAFT (1946) von David Lean

Gefährliche Erbschaft

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Im Erwachsenenalter treffen sich Pip und Estella wieder.

Als junges Mädchen wird Estella von Jean Simmons gespielt (die in einer 1989er Adaption wiederum Miss Havenish verkörpert), später übernimmt Valerie Hobson die Rolle. Beide funktionieren großartig als britische Femme Fatales, die Rache und Vergeltung heraufbeschwören. Sie sind hübsch und für das männliche Herz tödlich. Das spüren wir mit jedem Wort und jedem verführerischen Blick, den sie Pip entgegen bringen.

Geheimnisvolle Erbschaft von David Lean nimmt ein paar wenige Änderungen an der Vorlage von Charles Dickens vor, was mit sich bringt, dass auch Kenner des Romans nicht unbedingt wissen müssen, wie der Film ausgeht. Und selbst wenn, mag man es nicht missen, wie unfassbar mitreißend hier gespielt wird und wie unglaublich gut uns die Bilder des Films in diese Welt hineinziehen.


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