Filme ohne Farbe: „Frau ohne Gewissen“ (1944) von Billy Wilder

Erstellt am 20. Januar 2017 von Denis Sasse @filmtogo

Und wieder Billy Wilder. Dieser Regisseur, der einfach alles kann, wie er schon in Manche mögen’s heiß und Das Apartment unter Beweis stellen durfte. In Frau ohne Gewissen drehte er 1944 mit Fred MacMurray (Das Apartment, 1960), Barbara Stanwyck (Die seltsame Liebe der Martha Ivers, 1946), Edward G. Robinson (Die zehn Gebote, 1956) und Byron Barr (Pitfall, 1948) einen Vorzeige Film Noir, basierend auf der Story Double Indemnity (wie auch der US Originaltitel des Films), den der Autor James M. Cain ein Jahr vorher als 8-teilige Reihe im Liberty Magazin veröffentlichte (und die Gerüchten zufolge wiederum auf einen wahren Mord in den 1920er Jahren basiert).

Im Film lernen wir Walter Neff (MacMurray) kennen. Er ist ein Versicherungsvertreter, der auf Phyllis Dietrichson (Stanwyck) trifft. Die Dame stellt sich als Ausgeburt einer forschen Hausfrau dar, die sich ihren Ehemann tot wünscht. Als klassische Femme Fatal weiß sie, wie sie Neff um den Finger wickeln kann, um ihr ihren Wunsch auch zu erfüllen.

Der Originaltitel Double Indemnity weist dabei auf eine Versicherungsklausel hin, die sich in manchen Lebensversicherungen finden lässt. Diese besagt, dass bei eher selten auftretenden Todesursachen die doppelte Versicherungssumme ausgezahlt wird. Im Falle von Frau ohne Gewissen sieht der Plan vor, den störenden Ehemann von einem Zug fallen zu lassen, wodurch die “Double Indemnity”-Klausel zum Einsatz kommen würde.

Frau ohne Gewissen

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Fred MacMurray mit Barbara Stanwyck in „Frau ohne Gewissen“ von Billy Wilder

Im Film Noir geht es um Mord, es geht um Betrügereien, um Verschwörungen und eine Femme Fatal, die die Fäden in den Händen hält. Barbara Stanwyck spielt diese erotisch verführende Dame als Männer manipulierende Venusfliegenfalle, die ihren finsteren Plan immer in ihrer Mimik mit sich trägt. Billy Wilder hat einen Vorzeige-Noirfilm geschaffen, mit all seinen klassischen Erkennungsmerkmalen: Neff erzählt uns in einer Rückblende und mit Voice Over-Stimme die Story, die sich eigentlich schon längst abgespielt hat. Deswegen steigt der Film auch mit dem Ende ein, schafft es dennoch uns einige Überraschungen zu bieten.

Das von Wilder und Raymond Chandler geschriebene Drehbuch hält immer neue Twists in immer neue Richtungen bereit. Die Story zeigt uns die Vorbereitungen auf den geplanten Mord, wie er durchgeführt werden soll, wie die Täter vermeintlich entlarvt werden, aber auch wie an manchen Stellen versucht wird, Dinge zu verschleiern. Wir sind immer ganz nahe dabei, können aber nur in den seltensten Fällen etwas vorausahnen. Wir dürfen dabei zusehen, wie sich die verschiedenen Figuren gegenseitig betrügen und beschuldigen. Das wird dann immer mehr zu einer komplexen Verstrickung der Ereignisse und Beziehungen der Figuren zueinander.

Frau ohne Gewissen

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MacMurray und Stanwyck in den Noir-Schatten des Genres

Ob gewollt oder nicht, bei MacMurray und Stanwyck herrscht dabei Eiseskälte. Das männliche Opfer und die Femme Fatal entwickeln nie ein wirkliches Liebes-Wohlgefühl miteinander. Beide strahlen eher ein berechnendes, analytisches Miteinander aus, unterstützt durch die düster-kühlen Schattenbilder des Noir-Genres, die Wilder nur zu gut einzusetzen versteht. Das lässt dann den drastisch-skrupellosen Noir-Mord nur umso besser seine Wirkung entfalten.

Frau ohne Gewissen ist einer der ersten Noirfilme. Das Genre verdankt vor allem Kameramann John Seitz seine markanten dunklen Bilder mit scharfkantigen Schatten und einsamen Settings, die in verwinkelten Kamera-Einstellungen eingefangen werden. Derweil spielen MacMurray und Stanwyck das perfekte Nicht-Liebespaar, das sich trotzdem irgendwie zu lieben scheint – zumindest die Vorstellung liebt, gemeinsam einen Mord zu begeben. Das ist finster.