Selbst wenn man absolut nichts mit Filmtechnik am Hut hat, wird man recht schnell merken, wie oft wir in Der dritte Mann ein vertikal-schräges Kamerabild präsentiert bekommen. Hierbei spricht man vom “Dutch Angle”, bekannt und beliebt geworden durch den enormen Einsatz durch Regisseur Carol Reed, der hier seinen 1949er Film Noir mit Joseph Cotten, Alida Valli und Orson Welles inszeniert hat.
Der Film ist nach einem Drehbuch von Graham Greene entstanden, der als Vorbereitung erst einmal einen Roman zu der Geschichte schrieb. Greene und Reed waren hier bereits ein eingespieltes Team, da sie ein Jahr zuvor schon für Kleines Herz in Not zusammen gearbeitet hatten.
Der dritte Mann spielt im Wien der Nachkriegszeit, wo der Amerikaner Holly Martins (Joseph Cotten) einen Job antritt, den er von seinem Freund Harry Lime (Orson Welles) bekommen hat. Aber als Martins in Wien ankommt, ist Lime tot. Der Amerikaner beginnt auf eigene Faust zu ermitteln, da der Tod seines Freundes nicht nach einem natürlichen Ableben ausschaut.
Der dritte Mann
" data-orig-size="1000,721" sizes="(max-width: 890px) 100vw, 890px" aperture="aperture" />Holly Martins (Joseph Cotten) erfährt vom Tod seines Freundes Harry Lime.
Alles an Der dritte Mann schreit nach Film Noir. Ein Paradebeispiel dieses Genres. Es gibt diese atmosphärischen Schwarz-Weiß Bilder, die uns in die Schatten der Großstadt versenken. Robert Krasker brilliert durch seine fabelhaft-expressionistische Kameraarbeit und steinigt uns mit jedem Moment, in dem er die Handlung in sein hartes Licht eintaucht.
Anton Karas zeichnet sich derweil für die Filmmusik verantwortlich, die er geschrieben und eingespielt hat. Nur eine Zitter ist zu hören. Und damit wurde ein langlebiges Musikstück etabliert, dass es seinerzeit bis in die Charts geschafft hat. Die Titelmelodie zu Der dritte Mann ist ebenso einprägsam wie wenn Der weiße Hai angreift oder Darth Vader in Erscheinung tritt. Die Zitter bleibt uns im Gedächtnis und wenn der Film zuende ist, werden wir die Musik weiter summen. Das hat der Selbstversuch bewiesen.
Der dritte Mann lässt Wien wie eine schäbig-heruntergekommene Großstadt wirken. Auch New York könnte nicht anders sein, vielleicht mit ein paar mehr Leuchtreklamen an jeder Häuserfront. Wien bietet die kleine Großstadt, in der wir uns umso besser verlieren können.
Derweil agieren die Darsteller in stylischen Detektiv-Monturen – auch wenn sie keine sind – mit langen Mänteln und Hüten spielen sich Joseph Cotten und Alida Valli durch die Handlung, während wir Orson Welles in einer nur sehr kleinen Rolle zu sehen bekommen. So groß der Name über dem Film prangert, so sehr müsste man ihn eigentlich als Cameo-Auftritt bezeichnen – vielleicht als ausgedehnte Gastrolle.
Der dritte Mann
" data-orig-size="1000,722" sizes="(max-width: 890px) 100vw, 890px" aperture="aperture" />Joseph Cotten (rechts) als Holly Martins mit Alida Valli (links) als Anna Schmidt.
Alida Valli, die in ihren Filmen und dementsprechend auch hier schlicht als Valli angekündigt wird, war eine wundervolle italienische Schauspielerin, die in über 100 Filmen mitwirkte. Darunter Alfred Hitchcocks Der Fall Paradin (an der Seite von Gregory Peck), in Michelangelo Antonionis Der Schrei oder auch in Bernardo Bertoluccis 1900 (mit Robert De Niro und Gérard Depardieu) und Dario Argentos Horrorfilm Suspiria.
In Der dritte Mann sieht man sofort, weshalb diese Dame eine solche Karriere hingelegt hat und die Aufmerksamkeit von den größten Regisseuren ihrer Zeit auf sich zog. Sie vereinnahmt den Film fast gänzlich für sich, stellt Hauptdarsteller und Orson Welles in die Film Noir Schatten, weil sie durch ihr emanzipiertes und weibliches Spiel soviel Größe beweist.
Man sollte Der dritte Mann allerdings eher als The Third Man schauen, also im englischsprachigen Original. Denn es handelt sich hier um einen dieser Filme, die besonders durch die sprachliche Vielfältigkeit an Reiz gewinnen. Das Unverständnis des Amerikaners gegenüber den deutschsprachigen Wienern, die sich in jeder Situation wunderbar aufzuregen verstehen, ist herrlich mit anzusehen. Ähnlich wie heutzutage in Richard Linklaters Before-Reihe oder einigen Quentin Tarantino-Werken, liegt in der Sprache selbst noch die Handlung begraben, was jeden Übersetzungsversuch zum Diebstahl an der Faszination des Films werden lässt.