Filme ohne Farbe: AM RANDE DES ROLLFELDS (1962) von Chris Marker

Mit  seinem Kurzfilm – oder seiner Fotogeschichte – La Jetée leistete der Franzose Chris Marker 1962 einen wichtigen Beitrag zum Genre des Science Fiction Films. Mit seinem Werk wurde der Grundstein für Zeitreisen in Filmen wie 12 Monkeys (1995) oder Looper (2012) gelegt. In Deutschland als Am Rande des Rollfelds erschienen, nimmt der Titel Bezug auf die Anlegestelle des Flughafen-Terminals von Paris-Orly. Hier nimmt Markers Film seinen Anfang und findet auch sein Ende.

So wie Am Rande des Rollfelds als Vorlage für zahlreiche Zeitreise-Filme gilt, so sehr nimmt sich Chris Marker seines eigenen Vorbilds Alfred Hitchcock an, wenn er dessen Vertigo – Aus dem Reich der Toten von 1958 zitiert. Die verzweifelte Suche nach einer Person aus der Vergangenheit wird in La Jetée zur Schilderung des Lebens eines Zeitreisenden, der realisiert, dass seine Kindheitserinnerungen seiner eigenen Zukunft gleichen.

Ebenso zeigt Marker eine apokalyptische Zukunft und erschafft Bilder, die in 1962 nicht unbedingt filmischer Alltag waren. Dabei gelingt es ihm vor allem, dieser Welt mit unbewegten Fotografien Leben einzuhauchen und eine kontinuierliche Story zu erzählen. Damit nutzt er nicht nur innerhalb von Am Rande des Rollfelds die Zeitreise-Thematik, sondern schickt uns auch als Zuschauer zurück in eine Zeit, in der mit Fotos statt mit bewegten Bildern erzählt worden ist.

Filme ohne Farbe: AM RANDE DES ROLLFELDS (1962) von Chris Marker

Am Rande des Rollfelds

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Davos Hanich als der Zeitreisende

In dem Film übernimmt Davos Hanich die Hauptrolle eines Zeitreisenden, der von Erinnerungen an seine Kindheit geradezu geplagt wird. Es sind das Gesicht einer jungen Frau und der Tod eines Mannes, die sich in seiner Kindheit in sein Gedächtnis eingebrannt haben. Marker platziert uns irgendwann kurz vor dem Ausbruch des Dritten Weltkrieges, wir erleben die Zerstörung von Paris mit endzeitlichen Bildern, was die komplett radioaktiv verseuchte Oberfläche des Planeten zur Folge hat.

In dieser Einöde zieht sich die Menschheit in den Untergrund zurück – man erinnere sich an Die Zeitmaschine von H. G. Wells – wo sie zusammen gepfercht und mit wenig Hoffnung auf eine Zukunft dahin vegetiert. Die Erde ist zerstört. Das Weltall unerreichbar. Dementsprechend bleibt nur die Reise durch die Zeit, um in der Vergangenheit oder Zukunft eine Lösung für die Gegenwart zu finden.

Die Experimente mit diesen Zeitreisen sind dabei nicht ungefährlich, sie zwingen mental schwache Menschen in die Knie. Aber die Perspektive auf Medikamente, auf Nahrung und Energiequellen lassen die Verantwortlichen nicht damit aufhören. Sie machen immer weiter, wollen die Menschen retten – zumindest sich selbst – und nehmen dafür einige Opfer in Kauf.

Chris Markers Hauptprotagonist in Am Rande des Rollfelds wird in die Vergangenheit geschickt, wo er der Frau (Hélène Chatelain) aus seinen Erinnerungen begegnet, sich in sie verliebt und eine schöne Zeit mit ihr verbringt, bis er wieder in seine Gegenwart zurückgeholt wird. Dann muss er in die Zukunft reisen, wo er in einer hoch entwickelten Zivilisation die Energiequelle entdeckt, die zu einem neuen Aufbau der Gesellschaft in der Gegenwart ausreichen wird.

Hélène Chatelain als die Frau

Doch dann sind die Wissenschaftler aus der Gegenwart auf einmal auf der Jagd nach ihm. Aus der Zukunft wird ihm ein Platz genau dort angeboten, wo die Zivilisation bereits wieder hergestellt wurde, aber er wünscht sich zurück in die Vergangenheit, wo er seiner großen Liebe begegnet ist.

Man möchte glauben, dass die Zeitreise-Thematik einen zentralen Punkt in Am Rande des Rollfelds einnimmt, der Film ist aber kaum auf die wissenschaftliche Neugierde, den Forscher- und Entdeckerdrang ausgerichtet und widmet sich vielmehr der Poetik dieser Möglichkeit, schürt das emotionale Verlangen und die Sehnsucht, verlorene Zeit wieder zu erlangen und sich selbst zu begegnen und besser kennen zu lernen.

Das macht den Film zu einem Identitätsthriller, der an Memento, Inception oder Total Recall erinnern lässt. Vor allem die vielen Fotos mit denen sich Guy Pearce in Christopher Nolans 2000er Memento die Erinnerungen erhält, weisen eine große Nähe zu La Jetée auf, in dem ein Foto eine ebenso große wie relevante Wichtigkeit zugesprochen wird, weshalb die Idee einer Fotogeschichte zur Umsetzung von Markers Idee nur umso einfallsreicher erscheint.

Und dann ist es dieser eine kurze Moment, der sich eindringlich in unsere eigene Erinnerung brennt, weil Marker ins Bewegtbild wechselt. Die Frau öffnet beim Aufwachen ihre Augen. Sie sieht und durchbricht den Stillstand der Bilder mit ihrer Bewegung und entfacht damit ein merkwürdig opulentes Gefühl bei uns Zuschauern.

Chris Marker hat nicht nur Regie geführt, sondern auch das Drehbuch geschrieben und die Fotos selbst geschossen. Am Rande des Rollfelds – weltweit eigentlich besser bekannt als La Jetée – ist ein französisches Kurzfilm-Meisterwerk des Filmemachens und -erzählens, ohne den es manche Sci-Fi Filmgeschichte nicht gegeben hätte.


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