Filme ohne Farbe: A GIRL WALKS HOME ALONE AT NIGHT (2014) von Ana Lily Amirpour

Es ist ein unfassbar mitreißender und wunderschön gefilmter als auch getimter Moment, wenn Filmemacherin Ana Lily Amirpour in ihrem persisch-sprachigen Regiedebüt A Girl Walks Home Alone At Night ihre Tschador tragende Vampirfrau eine Vinylplatte der White Lies auflegen lässt und deren Song “Death” gespielt wird, während sich ein als Dracula verkleideter Typ vom Bett erhebt, eine Discokugel zum rotieren bringt und das Lichterspiel den schwarzweißen Film in einen farblosen Glanz versetzt. Die beiden lieben sich, dürfen es aber nicht. Mensch und Vampir, eine fünf Minuten lange Beobachtung ihrer Annäherung, die uns ohne Gegenargument das Talent dieser Regisseurin anerkennen lassen muss.

A Girl Walks Home Alone At Night spielt in einer kleinen Stadt im Iran namens Bad City, wurde aber in Kalifornien gedreht und erinnert in Stil und Atmosphäre an amerikanische Spaghetti Western, an Teen-Romanzen, an Horrorfilme und 50er Jahre James Dean-Filme, die vor allem auf Coolness ausgelegt sind. Wir sehen ein bisschen Sin City, aber auch So finster die Nacht.

In dieser iranischen Bad City lebt Arash (Arash Marandi), ein junger Erwachsener, der stolz auf seinen Ford Thunderbird ist. Er lebt mit seinem Heroin-süchtigen Vater Hossein (Marshall Manesh), der seine Drogen von Saeed (Dominic Rains) bekommt, der recht prollig das Wort “Sex” auf seinem Hals tätowiert stehen hat. Da Arashs Vater dem Drogendealer noch Geld schuldet, nimmt dieser sich dem Thunderbird an. Dann ist da auch noch ein kleiner Junge (Milad Eghbali), der in der Nachbarschaft ein Auge auf alles hat. Ihm entgeht nur wenig, womit er zum unschuldigen Mitwisser in einer Stadt voller korrupter und erschreckender Dinge wird.

Filme ohne Farbe: A GIRL WALKS HOME ALONE AT NIGHT (2014) von Ana Lily Amirpour

A Girl Walks Home Alone At Night

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© Pretty Pictures
Arash (Arash Marandi) ist der coole James Dean-Typ in A GIRL WALKS HOME ALONE AT NIGHT.

Das erschreckendste Wesen in dieser Stadt dürfte aber eine Vampirfrau sein, die schlicht als “Mädchen” (Sheila Vand) auftritt. Sie trägt ihren Tschador wie ein Cape, so dass sie des nachts wie eine wahre Fledermaus durch die Straßen schleicht. Sie verschwindet fast in der Schwärze der Nacht, während sie sich hauptsächlich auf Männer stürzt, die nicht sonderlich gut im Umgang mit Frauen sind.

Dabei ist sie genauso wie all die normalen Menschen in dieser Bad City gefangen. Ob nun Arash, der selbst mit Drogen dealt, sein Vater, der in Abhängigkeit lebt oder ein waschechter Pimp-Möchtegern, der gleichermaßen Konsument wie Händler von Drogen ist, so ist auch das Mädchen abhängig – nur eben von einer anderen Droge: Blut.

Ana Lily Amirpour erzählt von Abhängigkeiten. Sie zeichnet ein Bild ihrer Bad City, das von Drogen bestimmt ist. Aber auch von Liebe. Nicht nur zwischen Arash und dem Mädchen, auch der Vater ist in gewisser Weise ein Opfer der Liebes-Abhängigkeit geworden, während eine Prostituierte (Mozhan Marnò) in dieser iranischen Hölle die Straßen auf und abgeht und eine Befriedigung der Abhängigkeit vom Sex anbietet.

Amirpour gelingt es aber auch, eine Leichtigkeit in den Film zu bringen, so dass wir nicht durch dessen Schwere erdrückt werden. Wenn Arash von einer Kostümparty als Dracula verkleidet nach Hause geht und dank seiner Trunkenheit an einer Laterne stehen bleibt um von dem grellen Licht in Hypnose versetzt zu werden, dann lässt Amirpour ihr Vampirmädchen auf einem Skateboard an der Szene vorbei fahren, sich wundern und umdrehen.

Filme ohne Farbe: A GIRL WALKS HOME ALONE AT NIGHT (2014) von Ana Lily Amirpour

A Girl Walks Home Alone At Night

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© Pretty Pictures
Sheila Vand als „das Mädchen“ kommt Arash bedrohlich nahe.

Wie auch in dem Moment, in dem sich die beiden zur Musik von den White Lies näher kommen, bleibt ihr Dracula/Skateboard-Treffen wortlos, was A Girl Walks Home Alone At Night so stark macht. Amirpour versteht den Sinn hinter “Show, don’t tell” und entwickelt die Liebesgeschichte zwischen ihren zwei Protagonisten wortkarg, aber intensiv und nachempfindbar.

Nicht genug, dass sich Amirpour mit ihrem Filmdebüt als großartige Regisseurin hinstellt, sie war auch schon als DJane tätig, was wir nur allzu gut bei ihrer fantastischen Auswahl der Musik für A Girl Walks Home Alone At Night spüren und hören können. Sie vermischt eine ganze Menge iranischer Popsongs mit amerikanischen Rock und schaurigen Score-Musikstücken. Diese sind immer perfekt platziert, unterstreichen die Atmosphäre und verschmelzen Bild und Ton, als würden sie zusammen gehören, wie ein sich liebendes Paar.

A Girl Walks Home Alone At Night kombiniert mit seiner düsteren Stimmung, seinem abwechslungsreich-grandiosen Soundtrack, den überaus lobenswerten Performances und der ausgefallenen Love Story einen innovativen Mix aus Horror, Film Noir und Western, eine erfrischende Vampir-Geschichte über zwei Außenseiter, die nicht zueinander finden sollten.


A GIRL WALKS HOME ALONE AT NIGHT ist ein grandioses Regiedebüt von Ana Lily Amirpour, voller cooler Musik, einer ungewöhnlichen Liebesgeschichte und Bildern, die uns auch im düsteren Schwarzweiß zu verzaubern wissen.
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