Filmbesprechung - Die Tribute von Panem (The Hunger Games)

Von Stefan Sasse

"Die Tribute von Panem" ist eine Buchtrilogie von Suzanne Collins, die einen ernsthaften und größtenteils erfolgreichen Versuch gemacht hat, die "Twilight"-Serie vom Thron der Teenie-Kitschromane zu stoßen. Erfolgreich genug jedenfalls um eine Big-Budget-Hollywood-Verfilmung (Trailer) mit deutlicher Option auf eine Filmtrilogie spendiert zu bekommen, deren erster Teil letzte Woche angelaufen ist. Dankenswerterweise sind die Tribute von  Panem, deren Originaltitel "The Hunger Games" ausnahmsweise hinter dem deutschen Titel zurückstecken muss, deutlich besser als der Vampirkitsch von Twilight. Die Story in Kürze: irgendwann in der Zukunft hat eine faschistische Zentralregierung (Hauptstadt von Panem) einen Aufstand der die Hauptstadt umgebenden Distrikte niedergeschlagen. Selbige Distrikte sind unterdrückt und schuften sich unter furchtbaren Bedingungen zugrunde, um den dekadenten Lebensstil der Hauptstadt zu bezahlen. Seit dieser Revolution werden alljährlich die "Hungerspiele" abgehalten, die titelgebenden "Hunger Games". Jeder Distrikt muss einen Jungen und ein Mädchen zwischen 12 und 18 als Tribut stellen, die sich in einer gigantischen Fernsehshow mit primitiven Waffen gegenseitig abschlachten, bis nur ein Sieger übrig bleibt, der im Gegenzug mit Reichtümern überschüttet nach Hause zurückkehrt (wer jetzt laut "Battle Royale!" ruft, liegt richtig). Der Hauptcharakter, das Mädchen Katniss Everdeen, meldet sich freiwillig um ihre ausgeloste junge Schwester zu retten. Ihr folgt die Geschichte in die Ausbildung zur Hauptstadt und über den Verlauf der Spiele, die, wenig überraschend, mit ihrem Sieg enden. 


Soweit, so merkwürdig. Der Film ist unter Teenagern derzeit trotz der eigentlich etwas merkwürdigen Thematik ein Hit, was aber angesichts der clever gemixten Zutaten nicht verwundert. Einige SciFi-Elemente (besonders in der Hauptstadt) werden mit viel Fantasy-Survival (Bögen und Schwerter sind die Hauptwaffen) und dem "Teenager behauptet sich in feindseliger Umgebung"-Topos zusammengerührt. Der eigentliche Clou an der trotz des vorhersagbaren Verlaufs überraschend spannenden Geschichte aber ist der Aufbau der Hungerspiele selbst. Nach der Überwindung des Kulturschocks müssen die (offensichtlich der Arbeiterklasse entstammenden) Kinder nicht nur für die Spiele trainieren, sondern die Aufmerksamkeit von Sponsoren gewinnen. Während der Spiele kann nämlich Nachschub von außen gesendet werden, was aber so sündteuer ist, dass nur irgendwelche Sponsoren es sich leisten können - und dafür muss man populär sein. Wie Vieh in einer Castingshow müssen sich die todgeweihten Jugendlichen deswegen möglichst sympathisch in irgendwelchen Talkshows präsentieren, worin sie von Designern und PR-Beratern unterstützt werden. Dabei werden alle Register gezogen, selbst die Erfindung einer tragischen Liebesstory ist dabei. 


Obwohl der Film sich nicht gerade scheut, seine Botschaft mit der Holzkeule an den Zuschauer zu bringen, ist er überraschend effektiv dabei. Die optischen Kontraste sind beeindruckend, der visuelle Stil der Hauptstadt hervorragend gelungen. Über lange Strecken lebt die Geschichte von dem Widerspruch, dem sich die Charaktere ausgesetzt sehen: einerseits müssen sie möglichst effektiv ihre Gegner vernichten - andere Jugendliche und Kinder -, andererseits aber müssen sie das Medienspektakel mitmachen. Besonders der Hauptcharakter Katniss mäandert zwischen diesen beiden Szenarien hin und her, ohne je voll für eines Position zu beziehen. 


"Die Tribute von Panem" sind zumindest im ersten Teil (ich kenne die Bücher nicht) ein merkwürdiges Ding. Eigentlich ist das Setting unglaublich abstoßend, denn halbe Kinder müssen sich hier grausam gegenseitig töten, gefeiert von einer blutdurstigen Masse vor den heimischen Bildschirmen. Trotzdem entfaltet es große Spannung. Das gelingt natürlich vorrangig durch einige Tricks; die dekadenten Bewohner der Hauptstadt schreien ihre Positionierung auf der Seite der Bösen geradezu heraus, und unter den Jugendlichen sind drei oder vier reichlich fiese Charaktere, die zu hassen und als Gegner aufzubauen nicht schwer fällt. Hier liegen auch die inhärenten Schwächen der Geschichte: der Hauptplot sind immer noch die Spiele selbst, und ein Großteil der Spannung kommt aus dem Beobachten dieses modernen Gladiatorenkampfs. Dass die aktuellen Spiele den Funken für eine neue Revolution legen, pfeifen dabei die Spatzen von den Dächern, und die nächsten beiden Bücher/Filme werden sich sicherlich mit diesem Topos beschäftigen. Umso unverständlicher ist es, dass den Reaktionen in den Distrikten selbst dabei nicht mehr Aufmerskamkeit gewidmet wird - es gibt nur eine einzige, eigentlich recht starke Szene, in der die Auswirkungen sichtbar werden. Die Konzentration auf den Hauptcharakter ist bei zweieinhalb Stunden Spielzeit eigentlich wenig nachvollziehbar. 


Einige sonstige Schwächen des Films lassen sich verschmerzen. So sind einige der auftauchenden Charaktere reichlich unklar, was vermutlich auf die Buchadaption zurückzuführen ist, wo ihnen wahrscheinlich mehr Raum eingeräumt wird. Ein Paradebeispiel dafür ist der von Lenny Kravitz gespielte Modedesigner Katniss', der wie ein deus ex machina substantielle Schützenhilfe leistet und total von Katniss eingenommen ist, ohne dass klar würde warum. Zum Ende hin wirkt die Geschichte plötzlich etwas überhastet. Hatte man sich vorher Zeit genommen, die verschiedenen Erlebnisse der Hauptfigur ausführlich zu schildern, passieren nun innerhalb weniger Minuten sämtliche klimatischen Momente, inklusive einiger (gräuslich animierter) Monster und dem Endkampf gegen den konsequent als Bösewicht aufgebauten Cato aus Distrikt 1. 


Trotz diesen Schwächen bleibt der Film empfehlenswert. Bei zweieinhalb Stunden Spielzeit wird der Spannungsbogen überraschend lange und konsequenz aufrecht erhalten, der visuelle Stil ist beeindruckend, die Medien- und Gesellschaftskritik gut integriert, scharf und ätzend. Für mich eine große Überraschung des begonnenen Kinojahrs 2012.


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