Fidelio in Bonn – Tut nicht weh

Die Neuinszenierung von Beethovens einziger Oper Fidelio von Jakob Peters-Messer in Bonn gehört nicht zu diesen Vorstellungen.

Ein Hoch auf die Gattenliebe

Leonore ist mit Florestan verheiratet. Dieser wurde unrechtmäßig vom tyrannischen Gouverneur Don Pizarro gefangen gesetzt. Um ihn zu befreien, hat sich Leonore als Mann verkleidet und sich unter dem Decknamen Fidelio als Schließer des Gefängnisses einstellen lassen. Aber bisher wurde sie von Rocco, dem Gefängnisvorsteher, nicht in die tieferen Gefängnistrakte geführt, wo sie ihren Mann zu finden hofft. Während sie durch fleißige Arbeit sein Vertrauen gewinnen will, hat sich Roccos Tochter Marzelline in Fidelio verliebt. Und Jaquino, der Pförtner des Gefängnisses, ist wiederum scharf auf Marzelline. Es ist eine alte Geschichte. Nun erfährt Pizarro, dass der Minister eine überraschende Inspektion des Gefängnisses plant. Um zu verhindern, dass dieser Florestan findet und dessen schuldlose Inhaftierung erkennt, will Pizarro das Naheliegende tun - ihn umbringen. Oder zumindest jemanden damit beauftragen. Rocco scheint ihm dafür der geeignete Komplize zu sein. Der wird zwar bei der gebotenen Belohnung zuerst hellhörig, lässt sich damit aber nicht sein Gewissen abkaufen. Als Kompromiss soll er mindestens das Grab für Florestan schaufeln. Sein neuer Schließer Fidelio kann ihm dabei ja helfen. Die beiden gehen also runter in den Kerker, wo der gut eingesungene Tenor wartet. Nachdem die letzte Ruhestätte des armen Mannes ausgehoben ist, kommt Pizarro. Als er Florestan ins Jenseits befördern will, geht Leonore dazwischen und gibt sich gleichzeitig als treue Ehefrau zu erkennen. Zum Glück kündigt bald darauf ein Trompetensignal die Ankunft des Ministers Don Fernando an. Dieser erkennt in Florestan einen alten Kumpel und lässt Pizarro abführen. Leonore hat ihren Mann wieder, Rocco und Marzelline gucken konsterniert, alle singen laut. The end.

Auf die Bühne, egal wie

Beethovens Fidelio hat ein mangelhaftes Libretto und grausam altbackene Dialoge. Das haben schon viele andere vor mir gedacht und besser ausgedrückt. Wenn man sich dieser Tatsache bewusst ist und trotzdem nicht von dem Vorhaben abrücken kann oder will, dieses Stück auf die Bühne zu bringen, sollte man sich also überlegen, wie man es auf schlüssige oder zumindest effektreiche Art und Weise aufmotzen kann. Das ist in der Bonner Inszenierung von Peters-Messer leider nicht passiert. Die einzige nette Idee am Abend ist die Einbeziehung des Stegs an der Vorderkante des Orchestergrabens als Spielfläche. Zu Anfang befürchtet man zeitweise, dass Marzelline den aufdringlichen Jaquino gleich in den Graben wirft, was der ganzen Szene ganz nebenbei mehr Dramatik verleiht. Später bietet diese Position die Möglichkeit von interessanten Konstellationen während der handlungsarmen Ensembles. Akustisch ist es hier allerdings wenig vorteilhaft.

Never bring a knife to a gunfight

Unvorteilhaft und banal ist in Bonn auch der Einsatz von Requisiten geraten. Beispielsweise hat Don Pizarro ein klitzekleines Klappmesser dabei. Gut, auch mit einem Obstmesser kann man jemandem die Kehle durchschneiden, aber hätte man dem großen Kerl nicht mindestens einen schicken Dolch geben können? Im Endeffekt auch egal, da Fidelio/Leonore zum Glück als Pendant eine klitzekleine Pistole dabei hat. Never bring a knife to a gunfight - der Film hätte Beethoven gefallen. Rocco hat hingegen keine Waffen bei sich, sondern jede Menge Bares und zufällig auch eine weiße Stoffbordüre. Was man eben im Gefängnis so braucht. Er scheint selbst ganz überrascht von diesem Fund in seiner Manteltasche zu sein. Aber da er den Stofffetzen nunmal hat, kann er auch gleich eine kleine Hochzeitszeremonie zwischen Fidelio und Marzelline abhalten, indem er deren Hände damit umwickelt. Süß. Ich dachte ja im ersten Moment, dass es kein Stoff sei, sondern ein ellenlanger Rechnungsbeleg, den Rocco in der Manteltasche hat. Im zweiten Moment dachte ich, dass das eine viel bessere Idee gewesen wäre.

Verhaftet oder verrückt?

Und wo wir gerade bei Roccos Mantel sind - da hat der Kostümbildner sich entweder von Sherlocks Garderobe inspirieren lassen oder hat mindestens genauso viel Geschmack. Überflüssig zu sagen, dass ich von diesem Kostümbild mehr als angetan war. Unter anderem auch, weil so ein großes Kleidungsstück den größten Teil der Weiblichkeit von Leonore halbwegs glaubhaft verstecken kann. Nicht ganz klar geworden sind mir die weißen Pyjamas der Gefangenen. Oder sind sie eher Insassen einer Klinik? Die leicht irritierten und planlosen Blicke des Chors lassen sowas vermuten. Böse Zungen könnten behaupten, dass die Verwirrung von mangelhaften Regieanweisungen herrührt. Man weiß es nicht. Jedenfalls haben sie auf ihren weißen Hemden rotbraune, vertrocknete Flecken. Die kennt man ja nur zu gut, wenn man sich mal die Haare färben will und vergisst, ein Handtuch drunter zu legen. Oder waren die Gefangenen vielleicht Opfer von experimentellen Zahnoperationen? Jedenfalls hätte Marzelline im ersten Bild doch lieber Hemden waschen sollen anstatt Schuhe von links nach rechts zu stellen. Huch, wieder eine schlüssigere Idee.

'Tschuldigung, Marzelline!

Überhaupt Marzelline, sie ist doch die eigentliche tragische Figur dieser Oper. Sie verliebt sich in einen Mann, der in Wirklichkeit eine Frau ist. Und hier kann man keinesfalls behaupten, dass sie sich nur mit Fidelio in besonderer Art und Weise verbunden fühlt, weil sie sich ähnlich sind. In ihrer Arie freut sich Marzelline ja ganz ausdrücklich auf nächtliche Aktivitäten mit dem Geliebten. Ist Marzelline also unbewusst lesbisch? Oder steht sie vielleicht auf Transvestiten... In jedem Fall ist die Nachricht von Fidelios tatsächlicher Identität ein ernsthaftes Trauma über ihre sexuelle Orientierung.

Ein Hoch auf die skrupellose Gattenliebe!

Kritik im Deutschlandfunk vom 29. September 2014Kritik in der Rhein-Zeitung vom 1. Oktober 2014Kritik im General-Anzeiger vom 30. September 2014Kritik im Deutschlandradio Kultur vom 28. September 2014Fidelio. Oper in zwei Aufzügen (UA 1814 Wien)

Theater Bonn
Musikalische Leitung: Hendrik Vestmann
Regie: Jakob Peters-Messer
Bühne und Licht: Guido Petzold
Kostüme: Sven Bindseil

Besuchte Vorstellung: 3. Oktober 2014


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