Fidel Castro ist tot. Der ewige Revolutionär hat sich auf Kuba sein eigenes Utopia geschaffen - und es dann zerstört.
Fidel Castro war ein Träumer. Er hat von einer gerechten und guten Gesellschaft geträumt - und er hat dafür gekämpft: Als ewiger Revolutionär hat er sich sein ganzes Leben gegen vermeintliche Ungerechtigkeit und Unterdrückung gewehrt. Kuba hätte sein Utopia werden sollen: eine Insel der glückseligen Sozialromantiker. Doch dieser Traum hat sich als Alptraum entpuppt - und Castro als einer der Menschen, die er selbst immer bekriegt hat: als skrupelloser Karibik-Diktator.
Fidel Castro ist einer der Menschen, die mich am meisten faszinieren. Was ist das für ein Mann, der sein Leben für Ideale riskiert, die er dann verrät und entehrt? Das sozialromantische Programm seiner Revolution liest sich auf dem Papier wie eine Utopie für das 20. Jahrhundert: Der junge Castro beschwört die Freiheit, die Gerechtigkeit und die Brüderlichkeit. Er sagt dem Staatsterror den Kampf an und verspricht eine rechtsstaatlich verfasste und liberale Gesellschaftsordnung, die Wohlstand und Wohlbefinden für alle bringt.
Als junger Rechtsanwalt und Studentenführer streitet Fidel Castro gegen den kubanischen Militärdiktator Batista und für seine Vorstellungen von Demokratie. Zumindest gibt er das vor. Kaum, dass seine siegreiche Revolution den Tyrannen vertrieben hat, sitzt aber auch schon der nächste große Unterdrücker in Havanna. Anfangs jubeln ihm die vermeintlich befreiten Kubaner euphorisch zu, weil Castro die amerikanischen Konzerne enteignet und den Großgrundbesitz auf die armen Landbauern verteilt. Sie bewundern ihn dafür, dass er den wutschnaubenden US-Politikern in Washington trotzig die Stirn bietet (auch wenn er sich dafür den Sowjets andienen muss). Sie freuen sich über bessere Bildung und Gesundheitsversorgungen, und sehen geflissentlich darüber hinweg, dass Castros Kuba auch nichts anderes als eine Zweiklassengesellschaft ist. Sie feiern einen Volkstribunen, der als Guerillero selbst mit dem Gewehr für die Freiheit seiner Heimat gekämpft hat und der als Staatenlenker selbst mit der Machete das Zuckerrohr schneidet. Bis heute wird dieses Bild gepflegt. Die Wahrheit sieht seit Jahrzehnten anders aus.
Castros Klinge trifft nicht nur das Zuckerrohr. Seit den ersten Tagen der erfolgreichen Revolution räumt er erbarmungslos jeden aus dem Weg, der ihm nicht mehr bedingungslos folgt - oder ihm auch nur gut ins Gewissen redet. Selbst engste Vertraute und Waffenbrüder des Guerillakampfes sind vor Castro nicht sicher. Schauprozesse zementieren die konsequent errichtete Castro-Diktatur, die im Lauf der Jahrzehnte zum eigenen Denk- und Mahnmal erstarrt. Denn wirtschaftlich liegt Kuba am Boden und kaum eine der unzähligen Reformen schlägt an. Lediglich die unermüdliche Revolutionsrhetorik des maximo lider ("Vaterland oder Tod! Wir werden siegen!" ) gaukelt bald noch den ewigen Fortschritt vor. Tatsächlich verwaltet das Castro-Regime die längste Zeit seines Bestehens den Stillstand. Dass sich Castro an der Macht halten kann, verdankt er auch seinem wohl wichtigsten - wenn auch unfreiwilligen - Verbündeten: den USA. Deren kompromissloses Wirtschaftsembargo ist eine willkommene Begründung dafür, dass die kubanische Konjunktur nicht so richtig anspringt. Und die politischen und militärischen Intrigen der USA gegen das Castro-Regime verklären den Despoten zum tapferen Idealisten, der sich einer Weltmacht nicht beugen will. Unter dem Träumer Castro ist Kuba in einen jahrzehntenlangen Tiefschlaf gesunken. Jetzt, da Fidel Castro selbst für immer eingeschlafen ist, wird sich zeigen, ob Kuba wieder erwacht...