Fever Ray: Im Hornissennest

Fever Ray: Im HornissennestFever Ray
„Plunge“

(PIAS Coop)
Über die politische Meinungsäußerung von Musikern wird ja die Tage wieder reichlich diskutiert: Morrissey überrascht nicht wenige seiner Fans und schlägt sich mit dem neuen Album auf die Seite der Eurospektiker und Populisten, Nick Cave verbittet sich jedwede Verhaltensmaßregel von Seiten der Herren Eno und Waters, die ihrerseits wieder mit fast schon missionarischem Feuereifer antworten – es sind bewegte Zeiten, die zuweilen skurrile Blüten treiben. Nun ist das Rock- und Popbusiness seit jeher eher links und verortet, faierweise muß man allerdings feststellen, daß ein geordneter Gedankenaustausch auch hier kaum möglich ist, die Fronten sind hart, die Bereitschaft zu ergebnisoffener Diskussion geht gegen Null und die holzschnitthaften Einteilungen in gut und böse funktionieren weitesgehend prächtig. Soweit, so unbefriedigend – bleibt nur zu konstatieren, daß eine persönliche Meinung auch immer eine solche bleibt (auch wenn die Tragweite manchmal unterschätzt wird) und man mit einem humanistischen Weltbild noch immer am besten fährt.

Auch Karin Dreijer Andersson, Teil des Avantgarde-Popduos The Knife und seit 2009 solistisch unter dem Namen Fever Ray unterwegs, geht auf ihrer neuen, zweiten Platte überraschend offensiv zu Werke und reiht sich damit ein in die Liste der Frauen, die in diesem Jahr Pop, Politik und Feminismus maßgeblich miteinander verbunden und mitbestimmt haben: Austra, Feist, St. Vincent, Beth Ditto, Charlotte Gainsbourg, etc. Die Vermutung, die Wahl des wildgewordenen Toupetträgers zum Präsidenten Amerikas könnte diese Entwicklung maßgeblich befeuert haben, kommt dabei nicht von ungefähr. Man muß sich nur einen Track wie „This Country“ anhören, meilenweit entfernt von den geheimnisvoll verschlungenen Soundcollagen des Vorgängers, um eine Vorstellung vom Leidensdruck der schwedischen Künstlerin zu bekommen: „Free abortions and clean water, destroy nuclear, destroy boring! Lovers got love in a love fest, every time we fuck we win – this house makes it hard to fuck, this country makes it hard to fuck!“ Direkter geht es kaum. https://feverray.com/
Daten für die Europatournee 2018 hier.

Die Stücke von „Plunge“ sind voller mehr oder weniger direkter Verweise auf die Freiheit von Liebe, Lust, Begehren und Leidenschaft, auch die Videos zum Album bieten reichlich provokantes Bildmaterial zu Genderproblematik und Geschlechterrollen, zur grellen Obszönität einer Merrill Beth Nisker aka. Peaches ist’s da nur noch ein kleiner Schritt. Von der düster-melancholischen Aura des Debüts ist dabei nicht mehr viel übriggeblieben, vielmehr hat man den Eindruck, in ein ramponiertes Hornissennest geraten zu sein: Maschinengewehrloops, kreisende Helikopter, saftige Drone-Beats, das ganz große hypernervöse Hämmern bildet die Grundierung (exemplarisch „Wanna Sip“, „Falling“ „An Itch“), zusammengetragen durch eine erlesene Auswahl an Gastproduzenten wie Paula Temple, Deena Abdelwahed, Nídia, Peder Mannerfelt und Johannes Berglund. Dazu die schneidende Stimme Anderssons und als Krönung die elektrische Violine von Sara Parkman („Red Trail“). Daß am Ende die Liebe gewinnt, kann da nur ein schwacher Trost sein („The final puzzle piece, this little thing called love …“/„Mama’s Head“). Eine Platte, so aufreizend wie überwältigend – wait was worth it.

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