Hatte ich eigentlich schon einmal einen Text geschrieben zum Thema Nahtod-Erfahrung? Nein, das sicher nicht, dafür habe ich keinen Grund. In Todesgefahr war ich noch nie. Was ich allerdings mal letztens erlebt habe, war, da bin ich in einem Riesengebäude, hochmodern. Wirklich äußerst hochmodern, eins dieser Gebäude, das dafür verantwortlich ist, dass Düsseldorf als Schickimicki-Town gilt. Und auch hier könnte man meinen, dass es sich als unbegründet herausstellt. Aber erst einmal von Anfang an. Da bin ich also auf dieser Vortragsreihe im, weiß ich gar nicht mehr im wievielten Stock das war, aber ist ja auch egal. Man weiß ja, wenn ich im elektrischen Rollstuhl sitze bzw. wenn irgendwer im elektrischen Rollstuhl sitzt, dann sind schon 2 Stufen nicht mehr überwindbar. Hier ein Vorteil des Schieberollstuhls, der Nachteil, man sitzt unbequemer und kann sich, wie in meinem Fall, nicht selbständig fortbewegen.
Ich also Vortragsreihe und wenn man so ein bisschen vor sich hin kränkelt, dann ist das alles anstrengender als es sonst ist. Und aktives Zuhören, wenn man dabei nun mal passiv bleibt, ist auch sonst anstrengend. Ich hab sogar schon überlegt, ob ich früher nach Hause gehen soll. Die Kopfschmerzen wurden schlimmer. Ich nahm meine Tablette und als ich die Flasche absetzte, heulte die Sirene los. Im ersten Moment dachte ich mir nichts dabei und alle anderen guckten sich zwar an, aber keiner unternahm was. Also dachte ich, okay, wenn die alle hier sitzen und die scheinen wohl öfters hier zu sein, dann brauche ich mir auch keine Gedanken zu machen. Irgendwann kam einer der Organisatoren in die Runde und meinte, wir sollen alle gehen. Es wäre ein Feueralarm, das Gebäude müsste evakuiert werden. Und so gingen alle, packten erst mal in aller Ruhe ihren Krempel und dann gingen sie zur Tür. Die Security des Gebäudes wies den Weg, alles superdolle organisiert. Alle behielten die Ruhe, bis auf die Sirene.
Und wenn alle die Ruhe behalten, behalte ich sie auch. Es würde wahrscheinlich nicht helfen, wenn ich in Panik verfallen würde. Panik hilft ja nie. Die Sirene heulte in meinen Ohren, muss an dieser Stelle noch erwähnt werden, dass die Kopfschmerztablette zu diesem Zeitpunkt noch nicht ihre Arbeit aufgenommen hatte? Ich hatte sogar den Eindruck, dass sie im Bereich des Treppenhauses noch lauter war oder panischer oder einfach nur mehr kreischte. Oder vielleicht war es ja nur so eingestellt, dass, nachdem die Menschen gewarnt waren, auch die Hunde Bescheid wissen sollten? Ich dachte mir eigentlich, dass man auf dieser Frequenz mit dem menschlichen Ohr nicht mehr empfangen könnte, aber ich konnte es noch hören, es drang mir nur vor ins tiefste Mark.
Ich könnte jetzt so weiter erzählen, wie sich das für mich anfühlte. Aber was fehlt hier? Ich müsste angesprochen werden von jemandem, was ich denn zu tun habe. Denn wie steht es immer so schön auf den Aufzügen „Im Brandfall nicht benutzen“. Einen Brandfall habe ich jetzt nicht gesehen, aber ein Feueralarm geht doch immer davon aus. Oder nicht? Als ich da so stand, dachte ich, fragst du mal nach. Und ich hätte wirklich damit gerechnet, „Sie gehen da außen rum. Wir gehen zu dem Aufzug, der hier hinten ist und extra dafür ausgestattet in diesem mit gefühlten 20 Stockwerken ausgestattetem Gebäude.“ Aber nein. Man stimmte mir zu, dass es ja nicht geht, dass ich das Treppenhaus benutzte mit dem Rollstuhl. Dann kamen andere Mitarbeiter dazu, man beriet sich, was man jetzt wohl machen könnte. Man hatte jedoch keine Idee, es gebe wohl keine Möglichkeit, wir müssten hier warten. Man gehe sowieso davon aus, dass man nur den Auslöser für den Feueralarm finden müsste und dann würde er abgestellt und das wäre es dann auch. Währenddessen hallte der Feueralarm weiter in unseren Köpfen, speziell in meinem Kopf pochte es.
Und so war es dann auch. Eine Pfanne oder irgendwas wurde in der Küche zu heiß, rauchte, löste den Alarm aus, so war das. Ja, schön für die Situation ist es sicher das Beste und es ist gut, dass alles so glimpflich ausgegangen ist. Auch die Veranstaltung konnte dann mit einer Zeitverzögerung weiter gehen. Es hatte irgendwie auch unterhaltsamen Wert für mich. Was mich aber dabei am meisten unterhalten hat und das meine ich jetzt natürlich ironisch, ist die Frage, was denn wäre, wenn es wirklich brennt. Wie komme ich raus und warum sind Gebäude dieser Riesenqualität und dieser Größe nicht für eine barrierefreie Evakuierung entsprechend ausgestattet? Ist das nicht selbstverständlich? Sollte man nicht vorbereitet sein für solche Fälle? Ich meine nicht den Veranstalter, ich meine das Gebäudemanagement. Das war schockierend so etwas mitzuerleben, dass man dann hilflos ist. Und ich befürchte auch, dass, wenn solche Beispiele dauerhaft die Runde machen, man eher dazu neigen wird, Rollstuhlfahrern den Zugang zu solchen Veranstaltungen zu verweigern, als sich Gedanken über eine Lösung dieses Problems zu machen. Übertreibe ich es jetzt gerade? Ich denke nicht. Denn, wie ist es denn bei den Karussels in den Freizeitparks? Und wo ist die Idee der Teilhabe, der Selbstbestimmung und der Freiheit?
(Foto: Dirk Sanne / pixelio.de)
Advertisements