Feuer, Lehm und Bronze

Erstellt am 22. August 2011 von Claytec @claytec
Fest gemauert in der Erden
Steht die Form, aus Lehm gebrannt.
Heute muß die Glocke werden,
Frisch, Gesellen! seid zur Hand.
 
Friedrich Schiller – „Das Lied von der Glocke“

Bruder Michael

Die Glockengießerei der Benediktinerabtei Maria Laach wird betrieben von Bruder Michael Reuter, dem einzigen Benediktinermönch weltweit, der in heutiger Zeit Glocken gießt. Zur Herstellung der Gussformen verwendet Bruder Michael Lehm von CLAYTEC

Dass Lehm nicht nur beim Bau und Innenausbau von Gebäuden Verwendung findet und es noch zahlreiche andere Anwendungen für unseren Lieblings-Werkstoff gibt, haben wir hier im Clayblog schon verschiedentlich dokumentiert. Ein Verwendungszweck mit jahrhundertealter Tradition ist das Glockengießen. Die Benediktinerabtei Maria Laach ordert regelmäßig größere Mengen Lehm für die klostereigene Glockengießerei. Unter der Leitung von Benediktiner-Mönch Bruder Michael Reuter entstehen daraus die Gussformen für die hier gefertigten Glocken.

Die „Mutter aller Glocken”, die „Gloriosa” im Erfurter Dom

Omnium campanarum regina – Königin aller Glocken wird sie genannt, die „Gloriosa“ im Erfurter Dom. Sie gilt als die schönste Glocke der Christenheit, aber „sie ist eine kranke Dame“, klärt uns Bruder Michael auf. Seitdem er in Trier zum Glockensachverständigen ausgebildet wurde, ist der Benediktinermönch aus dem Kloster Maria Laach auch für Pflege und Bekümmerung dieser „Alten Dame“ zuständig. Sie musste im Lauf der Jahrhunderte mehrere Reparaturen über sich ergehen lassen. Damit bei solch einer Reparatur das ausdifferenzierte Klangbild einer Glocke nicht leidet, ist größte Sorgfalt und fachkundige Überwachung der Reparaturarbeiten notwendig, und es wird grundsätzlich ein sachverständiger Glocken-Experte hinzugezogen.

Anfänge in der Garage

Sein Weg zum Glockensachverständigen führte bei Bruder Michael über das Handwerk. Bei der umfangreichen Renovierung der Benediktinerabtei Maria Laach Anfang der 1990er-Jahre beteiligte sich der gelernten Schreiner intensiv an den Sanierungsarbeiten. Beim Läutedienst beschäftigte ihn immer wieder der Klang der Kirchenglocken. „Dass ich nicht beurteilen konnte, warum der Klang so ist wie er ist, hat gewissermaßen an meiner Handwerksehre gekratzt“, berichtet der Ordensbruder. Durch seine Ausbildung zum Sachverständigen konnte er diesen Mangel beseitigen. Der nächste Schritt ergab sich dann fast zwangsläufig.

Ebenbild aus Lehm: die „falsche Glocke“

„Als Handwerker verspürte ich nun den Wunsch, Glocken auch herzustellen“, erzählt Bruder Michael. Ganz so, wie man es aus den Gründungs-Legenden so mancher innovativer Unternehmen kennt, fand auch Bruder Michaels erster Glockenguß in einer Garage statt, nämlich in einer des klostereigenen Holzlagers. Dass sich aus diesem Erstversuch der Beginn eines angesehenen und erfolgreichen Unternehmens ableiten würde, war seinerzeit noch nicht absehbar, auch wenn Bruder Michael schon damals ahnte, dass der Versuch nicht folgenlos bleiben würde. Schmunzelnd erläutert er: „Das ‚Pech‘ an der Sache war, dass uns direkt der erste Versuch gelang. Da konnten wir gar nicht anders als weiter zu machen.“

Flüssige Bronze wird in die Glockenform eingegossen

Mehr als nur ein Ton

Mittlerweile zählt die von Bruder Michael und seinen Mitarbeitern Markus Schneider und Bertram Thierfelder betriebene Glockengießerei zu den Vorzeigebetrieben der Zunft. Über 1000 gegossene Glocken haben seit 1999 die Werkstatt verlassen. Beschäftigt man sich näher mit dem Produktionsprozess solch einer Glocke, erschließt sich ein äußerst anspruchsvolles Handwerk, das in seinen höchsten Momenten die Schwelle zur Kunst passiert. Feinste tonale Nuancen sind möglich, eine einzige Glocke erzeugt dabei keineswegs nur einen Ton, sondern einen ganzen Akkord, der bekanntlich aus drei Tönen besteht. Da ist einmal der eigentliche Schlagton, dann die sogenannte Mollterz, das ist derjenige Ton, der pfeifend über dem Grundton liegt, und schließlich die Unteroktav, also der Unterton, der tief mitschwingt und oft minutenlang nachklingt. All diese Feinheiten und Abstufungen, die schließlich den fertigen Glocken-Akkord formen, sind in der Gussform aus Lehm bereits angelegt.

Glockengießer bei der Arbeit

Dementsprechend ist bei deren Herstellung allergrößte Sorgfalt oberstes Gebot. Beim Formen der Außenseite der so genannten „Falschen Glocke“, die ein identisches Ebenbild der späteren Glocke darstellt, geht es um Millimeter. Mit einer Holschablone, dem „Rippenbrett“ wird die äußere Form in den noch weichen Lehm „gezeichnet“. Dieser wurde zuvor auf einen aus Ziegeln gemauerten Kern aufgetragen. Ein Überzug aus Wachs sorgt dafür, dass sich der so entstandene „Rohling“ später leicht entnehmen lässt. Übrig bleibt die eigentliche Gussform, die, im Boden eingegraben, mit über 1000 Grad heißer, flüssiger Bronze gefüllt wird. Ob die Sorgfalt bei der Verarbeitung des Lehms und dem Modellieren der „falschen Glocke“ groß genug war zeigt sich immer erst ganz am Schluss, wenn nach dem Guss und dem vollständigen Erkalten die Gussform zerschlagen wird. Das ist auch für den erfahrenen Glockengießer jedes Mal aufs Neue ein spannender Moment. Wir bei CLAYTEC sind sehr froh, dass wir mit unseren Materialien unseren Teil zu diesem spannenden und kreativen Prozess beitragen dürfen.

Fotos: Kloster Maria Laach
Bild Gloriosa, Urheber: Kolossos - Creative Commons Lizenz