Fest im Ring die deutsche Eiche

Die deutsche Eiche, ein Mann wie ein Baum, mit Armen wie Kranausleger und einer Stimme, als würde Willy Brand Wagner singen. Timo Hoffmann ist der letzte deutsche Boxer, in dessen Körper noch deutsche Gene durcheinanderflattern, wenn ihm einer seiner stets namenlos wirkenden Gegner auf die Birne haut. Seit einem Jahrzehnt ist der Mann aus Polleben im legendären Mansfeld unterwegs, einen Profibox-Titel zu erobern. Häufiger noch als der legendäre Verlierer Axel Schulz ist Hoffmann, derr sich die "Deutsche Eiche" nennt, kurz vor dem Ziel geschlagen worden, er bekam im Ernstfall die Fäuste nicht hoch, die Trainingsform nicht mit in den Ring, er scheiterte, blieb aber immer stolz auf das Erreichte, wie er es gelernt hat zu Füßen der Kupferabraumhalden, wo die DDR immer DDR geblieben ist.
Manchmal hat Timo Hoffmann an Rücktritt gedacht. Aus einem Mund, plattgeschlagen wie ein Schnitzel, bröckelte er dann Halbsätze, aus denen hervorging, wie sehr er sich schämte, seinen Fans nicht gezeigt zu haben, was die angeblich erwartet hatten. Zurückgetreten ist Timo Hoffmann dann doch nicht, denn immer noch glaubt er daran, dass er noch einmal so gut werden kann wie damals, als ihn einer der Klitschko-Brüder 12 Runden lang vermöbelte, ohne dass er umfiel.
Noch einmal so eine Tat, noch einmal so sehr Held sein, noch einmal dieses Glück spüren, verloren zu haben und doch ein bisschen auch Gewinner zu sein. Das möchte Timo Hoffmann, das möchten die, die mit ihm bangen, die ihm wünschen, er möge nicht eines Tages den einen Kampf zuviel abliefern, der ihn endgültig in die große Dunkelheit der Champions stürzt. Sie beten für ihn im gottlosen Mansfeld und die Magdeburger Band Crossfire, die eine Sängerin besitzt, die wirklich Biggi Middelkoop heißt, singt ihm eine Weise, die sich gewaschen hat: "Fruchtbarer Boden / Mansfelder Land / Kraft der Natur / gebündelt im Stamm / weite Krone / trotzt jedem Sturm / nur einer von uns / steht ganz vorn /" heißt es da, ehe die Ästhetik der frühen "Rocky"-Filme beschworen wird. "Immer im Lauf / Trainings-Qual / von Bösenburg / bis Heiligenthal / Als Bäcker backte / er das täglich Brot / Heut' drischt er wenn's muss Korn und Schrot!"
Darauf, auf diesen Ausbruch an lyrischer Heimatkunde, kann nur ein Refrain folgen, der noch mehr zu Herzen geht als das hilflose Herumstochern Hoffmanns mit den Fäusten in der Luft neben, vor über und hinter seinem Gegner. "Deutsche Eiche, deutscher Baum", quengeln die Gitarren, "Schlag auf Schlag, ein echter Traum". Blut und Boden, Herz und Schmerz, Trainer Schuster und Gym-Schweiß, Flanellunterhosen und ein ständig rutschender Tiefschutz: "Es taumelt der Schwache, es fällt der Weiche", läuft es auf das erwartbare Ende zu, "nur fest im Ring steht die deutsche Eiche."
Timo Hoffmann, den ein gnädiges Kampfgericht davor bewahrt hat, gegen den Russen Alexander Petkovic zu verlieren, möchte weitermachen. Einen Rückkampf habe er fest im Blick, sagte er. Und danach dann wieder einen Klitschko, denn "Runde für Runde / muss es weiter geh’n / Im Seilgeviert / wo sie auf dich seh’n / Die Hoffnung ruht / auf einem Mann / Führhand, Treffer / am Gegner dran / Faust von Nah’ / Jab von Fern’ / Krachen ins Ziel / des Kampfes Kern / Veilchen, Cuts / der Sieg so schwer / Brechharte Arbeit / immer fair".
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