Als ich in Antalya aus dem Flughafen trat, traf mich die Hitze wie eine weiche Matratze. Ich hatte eine Betonwand erwartet und war ein klein wenig enttäuscht. Zumal ich nicht, wie ebenfalls erwartet, umfiel und meinen Koffer selbst zum Auto des Hotels ziehen musste. Doof.
Im Hotel traf mich dann aber doch ein Schlag. Nacktes Fleisch! Braunes nacktes Fleisch! Viel braunes, nacktes Fleisch. Ich wurde mit der Erkenntnis konfrontiert, dass Bikinimodels besseres zu tun haben, als in einem All-Inclusive Hotel an der Türkischen Riviera am Pool zu liegen und sich lasziv zu räkeln. Irgendwo mit einer Stange Sellerie und einem Diät-Wasser verhungern, nehme ich an.
Statt dessen wurde ich mit einer wichtigen Erkenntnis über die Conditio Humana konfrontiert: Bier formt keine wunderbaren Körper! Und ihn will auch keiner sehen. Wirklich nicht. Ich tat auf der Stelle folgenden Schwur: „Wenn ich hier mit freiem Oberkörper und in Badehose herumlaufe, soll mich sofort dieser oder jener niederstrecken!“
Im Folgenden erkundete ich missmutig das Hotelgelände und befand am ersten Tag: Alles Scheiße! Das Hotel war zwar nicht so groß, wie befürchtet, so voll wie befürchtet, so laut (Ha!) wie befürchtet und vollkommen frei von randalierenden Russen und ihren Oben-Ohne Frauen (wie … befürchtet), aber trotzdem befand ich, dass das einfach nicht mein Fall und meine Art von Urlaub ist. Und sicher rennen nachher die Animateure im Restaurant rum, um Opfer für ihre debilen Pool-Spiele zu suchen. Und das Essen ist sicher Mist.
Am ersten Abend erwischte es mich dann auch knüppelhart: Türkischer Abend! Gala-Veranstaltung! No way! Allerdings amüsierte mich der Gedanke an einen „türkischen Abend“ in der Türkei. Was sind denn die anderen Abende? Belgisch? Die Veranstaltung war … überkandidelt. Außerdem erlitt ich das Schlimmste, was man einem Ethnologen antun kann: Folklore. D. kicherte beim Auftritt der Tanzgruppe und ihren „authentisch türkischen Tänzen“ auch die ganze Zeit vor sich hin. Bauchtanz!
Also das war dann schon mal gelaufen. Tut mir leid, Lapis, D. und M.. Amüsiert euch am Strand, ich habe besseres zu tun. Meine Mutter besuchen, zum Beispiel.
Es stellte sich heraus, dass das nicht so einfach war, wie gedacht. Gündoğdu liegt am entgegengesetzten Ende von Side, vom Wohnort meiner Mutter aus gesehen. Und wenn man dann tatsächlich in Yesilköy war, durfte man noch einmal eine halbe Stunde durch die Hitze laufen zur Wohnung meiner Mutter. Andere Umstände ließen die Fahrt nach Yesilköy zu einer Ochsentour werden, und so besuchte ich Mama nicht so oft wie geplant.
Also, was tun? Aus gesundheitliche Gründen kann ich nicht baden. Also saß ich in den ersten Tagen mit einem Buch am Pool, lief regelmäßig dem Schatten hinterher, guckte verkniffen und trank viel. So ähnlich verliefen alle meine Tage im Hotel. Nur zunehmend unverkrampfter und am Ende meinte ich so etwas wie Entspannung zu spüren. Ich hätte das Gefühl gerne etwas tiefer erforscht.
Abends spielten wir meist, wie fast alle Gäste, an einem Tisch im Pool-Bereich Karten und genossen die kühlere Luft. Manchmal gab es auch Animations-Gedöns, wie eine Modenschau, aber das Team hielt sich wirklich zurück und ich musste nicht einmal Blitze der Missbilligung auf sie nieder regnen lassen. Ich war ein wenig enttäuscht.
Das Essen, stellte sich heraus, war wirklich gut, wenn man sich an die frisch zubereiteten Sachen hielt. Und an das türkische Essen. Die Kellner und eigentlich das ganze Personal war sehr freundlich und zuvorkommend und ich ertappte mich dabei, wie die Sache begann, mir Spaß zu machen. Nach einem besonders stressigen Ausflug nach Yesilköy freute ich mich sogar auf einen ruhigen Tag im Hotel! Was war mit mir los?
Ich begann, die sechs Mahlzeiten am Tag zu genießen und bekam Hunger, wenn ich länger als ein paar Stunden nicht wenigstens einen Snack hatte. Bei einer der Abendveranstaltungen ertappte ich mich dabei, wie ich mit den Fingern schnippte. War ich im Begriff über zu schnappen? Oder korrumpierte mich das süße Leben?
Drei Tage vor der Abreise war es mir dann egal. Es war heiß und bis auf das Personal waren alle um mich herum in Badeklamotten, also luftig und … kühl? … „gekleidet“. Der englische Kolonialoffizier in mir tat das einzig ehrenhafte: er erschoss sich. Ich gab auf. Vorsichtig zog ich mein T-Shirt aus und wartete. Nein, kein Blitzstrahl vom Himmel. Die Erde tat sich nicht auf und die anderen Gäste johlten und lachten nicht. Ich war einer unter vielen Halbnackten, nur dünner und sehr viel blasser.
Und es fühlte sich gut an.