Unser Hotel in Gündoğdu (günn-doh-du) war wie alle anderen Hotels im Großraum Side den Touristen eine feste Burg. Wenn man nicht wollte, musste man die Anlage während des ganzen Urlaubes nicht verlassen. Und wenn man Türkische Lira statt Euro ausgeben wollte, musste man das Dolmuş nach Manavgat nehmen und einen Händler finden, der Lira nahm.
Es gab einen (ganz schönen, wenn man Sand mag) Strand, Poolbereich, einige Bars, zwei Restaurants, „Wellness“, Sport, Bespaßung durch eine gottseidank recht dezente Animation und soviel Essen und Trinken, wie man wollte und konnte. Es war alles im Preis inbegriffen.
Jetzt bin ich niemand, der auf so eine Art Urlaub abfährt, wie man auch im nächsten Abschnitt nachlesen kann. Und weil ich aus der Computerspiel-Ecke die „Alles umsonst (wenn du mit einer Stunde Spielzeit zufrieden bist, sonst kostet dich der Spaß deinen Erstgeborenen)“-Masche kenne, witterte ich natürlich Betrug.
Und wurde nicht enttäuscht. Nein, niemand wurde betrogen. Eigentlich. Und nein, man muss für einen angenehmen Urlaub nicht hunderte Euro mehr zahlen, weil man ansonsten mit Wasser, Brot und einer kaputten Holzliege in der Nähe des Strandklos vorlieb nehmen musste. Das Essen war vollständig frei und so viel und auch lecker, dass selbst ich im Urlaub zugenommen habe. Kann man nicht meckern. Bei den Getränken gab es Einschränkungen in der Auswahl: keine Cuba Libre umsonst , aber Raki, Vodka und Weinbrand („Hausmarke“ ) so viel man wollte und konnte (bis 23 Uhr).
Aber man wurde auf Schritt und Tritt ermutigt, sich doch das „kleine Exra“ zu leisten. Zum Beispiel bekamen wir bei der Anreise jeder 20 Minuten Massage im Wellness-Bereich „geschenkt“. Die war OK. Bin schon besser massiert worden, aber die Dame war Balinesin und ich konnte meine (kaum vorhandene) Bahasa Indonesia ausprobieren*. Am Ende der Massage stand allerdings plötzlich ein Türke mit der Figur eines Ringers neben der Liege und fragte mich freundlich, ob ich denn die Massage genossen hätte. Ich überlegte fieberhaft ob die Masseurin vielleicht seine Frau war und er mich jetzt zusammenschlagen würde. Er hatte so etwas Lauerndes.
Nachdem ich meinen Hörprozessor mit flatternden Fingern wieder hinter das Ohr geklemmt hatte, stellte sich heraus, dass er mir weitere Massagen und Wellness-Zeug verkaufen wollte. Ich zog mich schnell an und murmelte, Feigling der ich bin, dass ich das erst mit meiner Frau besprechen muss und – oh, so spät ist es schon, das dritte Frühstück wartet – raus war ich. Lapis und die anderen haben für jeweils 100 Euro zugeschlagen. Was mich etwas sauer macht ist, dass der Ringer auch bei meiner Frau und D. plötzlich neben der Liege stand und sie halbnackt (er übrigens auch) bequatschte. Talk about: „Angebote, die man nicht ablehnen kann“.
Dann gab es natürlich die obligatorischen Ausflüge in die Umgebung, romatische „unvergessliche“ Fotoshootings am Strand und Freizeitangebote wie Billiard, Tennis und der ganze Aktivkram, der nicht drin ist.
Das einzige, was wirklich eine üble Abzocke war und an Betrug grenzt waren die Postkarten. Es war ein Briefkasten vorhanden, Karten bekam man in einem Hotel eigenen Laden, aber keine Briefmarken. Dafür Stempel, die das doppelte des Briefmarkenpreises kosteten, bzw. den Lirabetrag in Euro. Unsere Karten sind bis heute nicht angekommen und ich vermute, einfach weggeworfen worden.
Ich will das Hotel und die Leute, die dort arbeiten nicht schlecht machen, aber ich sehe das „All Inclusive“ kritisch. Nicht so sehr für die Urlauber, die natürlich davon profitieren, sich nie Sorgen machen zu müssen, wo sie abends essen, um die Preise im Hotel etc. Natürlich verführt das Rundum-Sorglos-Paket „All Inclusive“ dazu, sich überhaupt nicht mehr oder nur in geführten Rudeln aus dem Ghetto zu bewegen. Ansonsten lässt man das Gastland nur durch das Klima und die, natürlich die eigene Sprache sprechenden, Hotel-Angestellten an sich heran. Auf der anderen Seite wollen die meisten Menschen, die so eine Art Urlaub buchen das wohl auch und wer bin ich, mit Steinen zu werfen. Siehe nächste Miszelle.
Wie ich selber gemerkt habe, verführt die Möglichkeit, alles was man sieht in sich hineinstopfen zu können dazu, sich die Teller voll und voller zu stapeln und am Ende vielleicht nur ein paar Happen von jeder Mahlzeit zu essen. Ich möchte nicht wissen, wie viele Nahrungsmittel in Side jeden Tag weggeworfen werden. Bei den Getränken ist es natürlich auch verführerisch, so viel Alkohol in sich rein zu schütten, wie man kann. Zumindest für manche. Wobei ich sagen muss, ich habe in der gesamten Zeit keinen sturzbetrunkenen Menschen gesehen. Es gibt Horrorgeschichten von Exzessen, aber ich schreibe hier nur, was ich selbst gesehen haben.
Aber das „all inclusive“ muss sich natürlich rechnen. Sonst würde nicht unser Hotel inzwischen abgerissen und an seiner Stelle bis Mai (!) ein neues, größeres errichtet. Das bedeutet, dass die Touristen nicht so viel konsumieren können, dass es die relativ günstigen Übernachtungspreise auch nur im Entferntesten berührt. Das wiederum heißt, dass „all inclusive“ nur dort funktioniert, wo die Lebenshaltungskosten sehr sehr niedrig sind. Und natürlich die Personalkosten.
Letztendlich sind die All-Inclusive-Burgen ein Zeichen dafür, dass eine Region bettelarm ist. Dass die jungen Menschen lieber 12-Stunden-Schichten schieben als auf der Straße zu stehen. Aber immerhin haben sie Arbeit, wo es sonst keine gäbe.
Auf der anderen Seite schaden sie aber auch. Nicht nur Umweltbedenken kommen da in den Sinn. Wohin geht der Müll der 10.000 Urlauber? Woher kommt das Trinkwasser? Woher die Nahrungsmittel? Die Hotelburgen kurbeln die lokale Wirtschaft kaum an, sondern bluten sie regelrecht aus. Die Touristen konsumieren meistens das, was ihnen ihre Hotels bieten. Dafür ziehen sie auch zum Teil qualifizierte Arbeitskräfte ab. Das Geld geht sowieso an die Touristik-Konzerne und bleibt kaum als Investition vor Ort.
Ja, solche Gedanken mache ich mir in meinem Urlaub. Und da wundern sich die Leute, warum ich so „unentspannt“ wirke. ICH BIN ENTSPANNT!
*Ich versagte kläglich