Femme fatalistisch

Dieses Land ist im Wahlkampf und gleichzeitig im Stillstand. Es ist, als sei alles nur noch Formsache. Die Tragik dabei ist: Es ist alles nur noch Formsache. Wir haben uns im Merkelismus eingerichtet. Haben uns abgefunden mit einer Politik, die totspart, die keinen roten Faden und Ideale kennt und die mit dem Sozialstaat umgeht, wie eine Abrissbirne mit einer Ruine.
Die Zeitungen beschreiben wieder mal einen Zustand, den es nicht gibt. Sie bilden ein Land ab, das im September eine Wahl vollzieht. Sie suggerieren eine gesunde Demokratie, in der die Alternative trotz alternativloser Politik noch wach ist. Nur ist die Wahl keine Wahl, denn der Herausforderer ist ein unglaubhafter Opportunist, der mit seinem Technokraten-Charisma niemanden vom Hocker reißt.

Femme fatalistisch

Die ewige Wiederkehr des
"Weiter so!"

Es ist wie eine Wiederbelebung der Adenauer- und der Kohl-Ära. Immer wenn ein Konservativer Kanzler ist, fällt dieses Land in Lethargie und findet sich mit dem ab, was gespielt wird. Das muss man konservativen Regierungen lassen: Sie impfen, verdummen, verängstigen die Wähler so sehr, dass die meinen, alles andere als die amtierende Regierung käme einen Weltuntergang gleich. Sie immunisieren die Bevölkerung gegen den Pluralismus, der "den guten Weg, auf dem wir uns befinden" gefährdet. Sie machen klar, dass wir "Keine Experimente!" machen dürfen. Mit dem guten Eindruck von Beharrlichkeit in einem kleinkarierten und unsozialen Ist-Zustand ködern sie die Wähler. Besser eine konservative Scheißregierung als gar keine Regierung!
Merkel bleibt. Vielleicht ist der Partner Verhandlungssache. Das wars aber schon. Hört man sich so um in seinem Umfeld, dann ist dieses Weiter so! so wenig zweifelhaft wie diskutabel. Man nimmt es stoisch hin, als könnte man sich die Wahl auch gleich sparen. Politisch gesehen sind wir gelähmter denn je. Schon die Wahlkämpfe der letzten Jahre waren lähmende Veranstaltungen, bei denen es nicht um Politik, sondern um Parteipolitik ging. Gesellschaftliche Fragen kamen in diesen Wahlkämpfen immer nur als Fragen finanzieller Möglichkeiten und ökonomischer Vernunft vor. Dass dieser aktuelle Wahlkampf nicht mal mehr mit Parolen hantiert, in gesetzter Schweigsamkeit begangen wird, das ist die Vollendung eines seit Jahren gärenden unpolitischen Klimas.
Mir sagte letztens einer, spätestens im nächsten Jahr schicke Merkel wieder Gelder nach Griechenland. Die Aussage alleine war schon Ausbund von Ahnungslosigkeit. Ich antwortete wider besseren Wissens: Die muss zunächst mal gewählt werden. Er: Ach, wann ist denn Wahl? Können sich die Menschen überhaupt noch dieses Land ohne dieser Frau vorstellen? Manchmal hat man den Eindruck, Merkel hatte keinen Anfang und nimmt kein Ende. Der letzte, bei dem es so war, findet sich im Alten Testament.
Man wird den Eindruck nicht los, dass sich zwar niemand auf die Wahl vorbereitet, wohl aber jeder auf das, was danach folgt. Man tut so, als sei der schon letztes Jahr in Aussicht gestellte Kahlschlag des Sozialstaates - man denke nur an die stets neu bemühte Studie, wonach das Kindergeld verpuffe! (Wetten, dass die nochmal wichtig wird!) -, unumgänglich und unvermeidbar, gibt sich fatalistisch dem Merkelismus hin. Rücklagen schaffen und erhalten, jetzt noch Vorteile verbuchen, sich auf das dicke Ende einstellen. Die Sparpolitik wird auch Deutschland erfassen. Es ist, als ob dies jeder insgeheim wüsste, ohne Konsequenzen daraus ziehen zu wollen.
Ist diese Haltung innere Emigration? Was wir im Bezug auf diesen Fatalismus namens Merkel beobachten können: Optimismus ist in diesem Klima nur eine Lebenseinstellung der Funktionseliten. Sonst nur Pessimismus und Verdrossenheit und ein dumpfes Ohnmachtsgefühl. Manche geben sich kämpferisch, wollen Merkel nicht wählen, weil sie den Griechen deutsches Geld in den Hintern geschoben hat: Rebellen in Zeiten, da Ahnung und strukturiertes Denken zwischen RTL und Bildzeitung verjuxt wurde.
War es dasselbe Klima von Regungslosigkeit und Verzagtheit, das die jungen Menschen in der Ära Adenauers befiel? Erstickte Schröders neuer Konservatismus ein ganz ähnliches Gefühl nach den vielen Jahren mit dem Oggersheimer?

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