Feminist, Freimaurer, Friedensforscher – Über das Wirken Lessings

Ein halbes Jahrhundert im achtzehnten. Und was für ein Leben! Der, dem nichts geschenkt wurde, der karg lebte und seine Liebsten verlor, der prädestiniert war für ein Schattendasein jenseits der großen Annalen, die wir Geschichtsbücher nennen. Genau der holte, wie aus dem Nichts, das große Licht hervor und trug dazu bei, dass dieses Jahrhundert, das gar nicht seines zu sein schien, das der Aufklärung und der Erhellung genannt werden sollte.

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Lessing beeinflusst unsere Kultur in vielfältiger Weise bis heute – Foto: © Rolf Handke / pixelio.de

Gotthold Ephraim Lessing (1729 – 1781) schlug seinem Jahrhundert, in dem Obrigkeitsstaatlichkeit, maskuline Dominanz, religiöser Obskurantismus und grenzenlose Provinzialität vorherrschten, die Dunkelheit aus dem Frack. Zum ersten Schlag holte er aus mit dem Theaterstück Der Misogyn, ja, richtig, der Frauenhasser. Und machte damit deutlich, dass das bürgerliche Zeitalter vor der Tür stand und mit schwerer, dynamischer Hand die Gleichberechtigung der Geschlechter fordern sollte. Minna von Barnhelm war das erste Bühnenstück überhaupt, in dem eine Frau im Titel stand und die Hauptrolle spielen sollte.

In seinen Dialogen von Ernst und Falk exerzierte Lessing die Prinzipien der Freimaurerei zu Themen der Zeit und der Zukunft. Die Dialoge sind die großartigsten Dokumente dafür, dass Freimaurerei eine große, wirkungsvolle Bewegung der Aufklärung und des Humanismus werden sollte. Lessing, selbst bekennender Freimaurer, inszenierte den Diskurs der ausgesuchten Figuren um Wahrheit und Wahrhaftigkeit, um Menschenrecht und Menschenpflicht. Sie sind, heute gelesen, Labsal gegen die säuerlich aufstoßenden Sottisen, die aus Dogmatismus und Ideologie gespeist werden und den notwendigen Beitrag des Individuums bei der Verbesserung der Welt ausblenden. Die Arbeit am rauen Stein, die allmähliche, mühsame Besserung des Menschengeschlechts ist nirgendwo deutlicher.

In seiner Hamburger Dramaturgie bewies Lessing, en passant, als würde er eine Randglosse der Geschichte schreiben, welche interkulturelle Einsicht er hatte in das Empfinden unterschiedlicher Kulturräume und in die Notwendigkeiten der jeweiligen Inszenierung. Dass er mit seinem Bild der Verbesserung des Menschengeschlechts auf Katharsis setzte, weiß heute alle Welt, auch wenn sie es nicht befolgt.

Und mit seinem Nathan der Weise und der darin enthaltenen Ring-Parabel schuf er nicht nur ein Fanal für Frieden und Verständigung, sondern lieferte noch gleichzeitig ein Geheimnis, das wir vielleicht erst heute befähigt sind zu entschlüsseln. Die eine Botschaft, dass sich nämlich die drei monotheistischen Religionen ihrem Wesen nach gleichen und keine Hegemonie gegenüber den jeweils anderen ableiten könnten, und dass sie alle von ihrem Gotte gleich geliebt werden, ist die offensichtliche und bis heute wiederholte Botschaft. Aber was, wenn die verborgene Sendung aus der Mitteilung bestünde, sie alle drei, Christentum, Islam und Judentum, irrten sich gewaltig mit ihrer monotheistischen Hingabe? Was wäre für einen Aufklärer menschlicher als das Zugeständnis, dem Irrtum zu unterliegen? Und was ist, wenn dieser Fehler bis heute noch nicht dazu geführt hat, dass sich die gewaltigen Anhängerschaften dieser Religionen, die alle drei für Beherrschung und Verwerfung sorgen, ihre Lektion aus der Geschichte noch längst nicht gelernt hätten?

Gotthold Ephraim Lessing, der Feminist, Freimaurer und Friedensforscher, hat mit seinem Lebenswerk eine Partitur geschrieben, die immer wieder neu interpretiert werden muss. Angesichts der vielen Widersprüche, die ganze Völker und Regionen ruinieren, hilft es nichts, die Partitur zu lesen, als seien die alten Interpretationen die richtigen gewesen. Die Tinte der Aufklärung, die Lessings Schriften bis heute anhaftet, ist lange nicht gelöscht.

von Gerd Mersmann
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Quellen – weiterführende Links

Foto: Lessing-Denkmal by Rolf Handke http://www.pixelio.de
Video: Gotthold Ephraim Lessing, youtube.com – Uploader CulturaGermania
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