Femen und der Feminismus

Gerade in Deutschland wird immer wieder über Femen berichtet, wegen diverser fragwürdiger Aktionen, jedoch auch in anderen europäischen Ländern. In Österreich scheint es zum “Pflichtprogramm” von diestandard.at zu gehören, einem Ableger der Zeitung “Der Standard”. diestandard wurde als Konkurrenz zu Ceiberweiber gegründet, das als politisches Magazin weit über “Frauenthemen” hinausgeht. Während sich Ceiberweiber aber vorbehält, alles selbst zu beurteilen – und etwa am Hype um Pussy Riot nicht teilhatte, sondern kritisch berichtete -, scheint anderswo eine positive Haltung zu Femen und Co. verordnet zu sein. In einer Diskussion bei den Wiener SPÖ-Frauen hatte diestandard.at-Redakteurin Beate Hausbichler jedoch spürbar Probleme, Femen zu loben, da ihr immer mehr Zweifel kommen. Sie gehörte 2012 zu jenen, die Pussy Riot (mit vielen Parallelen zu Femen) bejubelten, kann nun allerdings Kritik nachvollziehen….

Femen und der Feminismus


Beate Hausbichler von diestandard.at war zu Gast im Wiener Frauenzentrum ega auf Einladung der SPÖ-Frauen, um über Femen, Slutwalk, #Aufschrei und andere Proteste zu sprechen. Femen braucht man wohl nicht extra vorzustellen, sind Fotos von jungen Frauen mit beschrifteten nackten Brüsten doch immer wieder in den Medien präsent. Slutwalk bedeutet übersetzt “Schlampenmarsch” und ging 2011 von Kanada aus als Protest gegen Behauptungen, dass Vergewaltigungsopfer “mitschuldig” seien, wenn sie sich nicht entsprechend züchtig kleiden.

#Aufschrei ist ein Hashtag auf Twitter, das heuer für den deutschen Grimme-Online-Award nominiert wurde. Mit #Aufschrei wurde sexuelle Belästigung in einer Weise thematisiert, die es allen ermöglicht, sich in 140 Zeichen-Botschaften via Twitter einzubringen. 2012 startete eine Gruppe von Frauen, die sich im Münchner Frauenzentrum Kofra trafen, die Aktion “Ich hab nicht angezeigt” via Blog, Facebook und Twitter.

Frauen und Mädchen wurden dazu aufgefordert, ihre Erfahrungen mit sexueller Gewalt zu schildern und zu erzählen, warum sie die Täter nicht anzeigten. Auf den Berichten aufbauend wandten sich die InitiatorInnen dann auch an die Politik und die Medien, weil bisherige Maßnahmen gegen sexuelle Gewalt und zur Unterstützung der Opfer eben offenbar nicht ausreichten.

“One Billion Rising” war eine Aktion zum 14. Februar 2013 mit dem Ziel, dass weltweit eine Milliarde Frauen und Mädchen gegen Gewalt demonstrieren. Auch in Österreich gab es Proteste im Rahmen von “One Billion Rising”, etwa vor dem Parlament, siehe eingebundenes Video. Die kurz vorgestellten Initiativen (zu denen es am Ende des Textes Links gibt) haben klare, einfache Botschaften, während Femen “wahllos” agiert, wie auch Beate Hausbichler meint.

Persönliche Eindrücke von Femen
Die Redakteurin hat die Ukrainerinnen auch einmal interviewt und hat nicht nur von daher nicht den Eindruck, dass sie sich etwas sagen lassen. Femen entstand 2008, um gegen Sextourismus zu protestieren (“die Ukraine ist kein Bordell”). Seit 2011 ist Femen auch in europäischen Ländern aktiv, inklusive “Ausbildungszentrum” in Frankreich und zweier Gruppen in Deutschland. Frau protestiert auch in Russland oder bei einem Besuch von Präsident Putin bei Bundeskanzlerin Merkel in Deutschland.
Es ist noch nachvollziehbar, gegen Sexarbeit auf die Strasse zu gehen, jedoch nicht, dass der Islam pauschal attackiert wird und manchmal Religionen allgemein. “Femen haben keinen Focus, sondern treten einfach auf”, sagt Hausbichler. Als Gründerin gilt Anna Hutsol, ausserdem sind Oksana Schatschenko, Alexandra und Inna Schwetschenko bekannt und mittlerweile auch Frauen etwa aus Deutschland.

Mit Aktionen gegen den Islam wie dem “Topless Jihad Day” verärgern Femen viele Musliminnen und muslimische Feministinnen. Hausbichler kritisiert, dass es an rassistische Comics in den USA erinnert, wenn Femen sich oben ohne mit Turban auf dem Kopf zeigen und “auf einem Teppich das islamische Gebet man kann fast sagen ‘nachäffen’”. Femen differenzieren in keiner Weise, sodass ein Protest vor der Moschee einer kleinen, weltweit verfolgten Glaubensgemeinschaft stattfand.

“Sie lassen sich nichts sagen und bleiben auf Schiene”, sagt Hausbichler, deren Arbeitgeber Der Standard Femen einen eigenen Bereich auf diestandard.at widmet, der immer wieder mit neuen Texten gefüttert wird. Zum Vorwurf, dass “ältere” Frauen bei Femen nicht vorkämen meint sie, dass andere Femen-Frauen aber auch nicht fotografiert würden. Über angebliche “Castings” im “Ausbildungszentrum” von Femen in Frankreich gäbe es, so Hausbichler, bloss “Gerüchte”, die ihr von mehreren Seiten zugetragen wurden.

Müssen Femen feministisch sein?

Dubios erscheint ihr die Frage der Finanzierung von Femen, was nüchtern betrachtet natürlich ein weiterer Punkt auf der Liste für all jene ist, die zunächst einmal skeptisch sind, wenn jemand “die grösste und einflussreichte feministische Organisation Europas” schaffen will (Zitat Anna Hutsol). Hausbichler bemüht sich, Femen trotz allem zu einer feministischen Gruppe zu erklären, die eben keinen “akademischen Feminismus” vertritt.

Für andere Feministinnen gehe es nun einmal eher um ein Forschungsfeld “als um ein konkretes Betätigungsfeld”, was jedoch wohl kaum eine Feministin egal welchen Alters bestätigen kann. Jede Frau wird auf Basis einer Analyse tätig, wie intensiv diese auch immer sein mag. Es wird wenige geben, die tatsächlich nur akademisch unterwegs sind, ohne je “in Aktion” zu treten, sei es bei einer Demo, einer Strassenaktion, einer Initiative, was auch immer.

Absurderweise ist Hutsol Wirtschaftswissenschafterin, und Inna Schwetschenko wird in Medienberichten als Studentin berzeichnet – was Femen zu ihren Aktionen sagen, vermittelt aber den Eindruck, dass es sich um Frauen ohne jeden akademischen Zugang handelt. Davon abgesehen kann ich aus eigener Erinnerung an meine allerersten feministischen Aussagen, in Texten, nur sagen, dass ich auch mit 18 schon ganz genau wusste, was ich warum feststelle. Und mit “rein akademischem Feminismus” nie was am Hut hatte – entsprechende Aufsätze und Bücher fand ich meistens eher langweilig.

Femen und der Feminismus
Beate Hausbichler und Laura Schoch

Hausbichler appelliert fast an die BesucherInnen der Veranstaltung, Verständnis für “eine Begeisterung und ein Engagement” zu haben, die bisher so nicht vorstellbar waren. “Es gibt wieder Feminismus außerhalb der akademischen Zirkel”, sagt sie. Moderatorin Laura Schoch findet es “schade, dass viele Frauen nichts damit anfangen können”. Sie fragt, warum Frauen nicht “offener sind für neue Protestformen”.

Prokovante NS-Vergleiche in Deutschland

Für Beate Hausbichler gehören zu abstoßenden Femen-Aktionen auch jene in Deutschland, bei denen Vergleiche zwischen dem Holocaust und der Sexarbeit gezogen wurden, so unter dem Motto “Arbeit macht frei” (oder “Prostitution ist Genozid” und “Sex-Sklaverei ist Faschismus”). Leider stürzen sich Medien inklusive Fotoreportern und Agenturen auf Femen, auch wenn andere gegen etwas protestieren, wie bei der Eröffnung des begehbaren Barbie-Hauses in der Berlin.

Die Agenturen hatten dazu nur zwei Bilder verfügbar, die Femen zeigten: auf einem wurde eine Barbie-Puppe ans Kreuz genagelt, auf dem anderen eine verbrannt. Die etwa 300 anderen, unter anderem von “Pink Stinks”, einer Initiative, die sich gegen die Festlegung von Mädchen auf Pink und derartige Puppen wendet, lehnten die Femen-Inszenierung ab, auch weil man vor Kindern nicht Puppen verbrennen sollte.

Der Bericht des ORF online besteht beispielsweise aus Bildern vom Barbie-Haus und einem vom Femen-Auftritt, stellvertretend für Proteste. Femen sind, meint Hausbichler, die Reaktionen auf ihre Aktionen auch gleichgültig, wie man an der Empörung über Angriffe auf den Islam merkt. “Es wird emotional aufgeladen, da findet eine Eskalationsstrategie Anwendung.”

In der Diskussion wird dann auf Sexismus in den Medien selbst hingewiesen, wobei als Negativbeispiel der Bereich “Kommentar der anderen” im “Standard” angeführt wird, wo Antifeminismus und das Verharmlosen von Gewalt gegen Frauen regelmässig vorkommen. Allerdings werden die Grenzen der Medienberichterstattung auch deutlich, wenn man daran denkt, dass eine im Grunde selbstverständliche Aktion des Frauennetzwerks Medien wie das Reden mit Interviewpartnern über Vereinbarkeit von Beruf und Familie von vielen nicht mitgetragen wurde.

Manche kritisierten dies sogar, obwohl jene Medien, die sich beteiligten, durchaus interessante Antworten zutage förderten, wenn sie Politiker, aber auch Wirtschaftstreibende und Künstler vor dem internationalen Frauentag interviewten. In Deutschland machen Medienfrauen mehr Druck, wie man an der Initiative “Pro Quote” sieht, die für eine Frauenquote in den Redaktionen und vor allem auch in Leitungsfunktionen eintritt.

Femen und der Feminismus
Beate Hausbichler und Laura Schoch

Einige Frauen stört, dass Femen gegen die Reduzierung von Frauen auf Objekte demonstriert, indem sich die Frauen selbst zu Objekten machen. Dies war auch der Grund, warum ich bei einen Anruf einer Redakteurin der “Kronen Zeitung” nur sagen konnte, dass es von mir sicher kein positives Statement zu Femen gibt. Sie wollte Kontakte zu feministischen Gruppen – in der Erwartung, dass es dort anders aussieht – und wurde von mir auf die Plattform “20.000 Frauen” verwiesen, die sich jedoch auch kritisch äussern würde.

Bekleideter Feminismus = altmodisch?

Letztlich redete sie dort mit Petra Unger, bekannt auch als Kulturvermittlerin und für Frauenstadtspaziergänge, die bei der Diskussion davon berichtete. Die Redakteurin fragte sie, ob sie nicht eine Feministin kenne, die sich “wie Femen” ablichten lasse. Denn dies sei “der neue Feminismus”, im Gegensatz zum “altmodischen” (bekleideten?). In der “Kronen Zeitung” erschien dann ein Interview mit Femen, wobei ich der Redakteurin noch den Tipp gegeben habe, sich an die grüne Frauensprecherin Judith Schwentner zu wenden. Denn die Grünen haben Femen einmal nach Österreich eingeladen; ein Statement der Grünen war aber offenbar nicht gefragt.

Unger erinnerte sich an eine Aktion des Kosmos Theater in Wien-Neubau, als dessen Finanzierung noch nicht gesichert war, wo “Die nackte Wahrheit” angekündigt wurde. Dies zog die Medien an, doch dann gab es keine nackten Frauen, sondern die Wahrheit über Frauen in Kunst und Kultur. Ähnliche Erfahrungen machten deutsche Piratinnen, indem sie bekanntgaben, einen Hungerstreik von Flüchtlingen mit “Tits4humanrights” zu unterstützen. Freilich informierten sie dann die zahlreich versammelte Presse darüber, warum sie sich nicht ausziehen. Clever nutzten sie den Hype um Femen, um die schablonenartigen Reaktionen der Medien durch den Kakao zu ziehen.

Das simple Funktionieren einer weitgehend von Männern bestimmten Medienlandschaft sieht man in Österreich etwa bei der Berichterstattung über Bundesheer-Themen. Dafür sind meist Männer zuständig, die einst Militärdienst leisteten, oft der Miliz angehören und wie Conrad Seidl vom “Standard” denken: “Nur der Dienst an der Waffe macht uns zu Männern.” Enges, vorurteilsbeladenes Denken kann aber zum Rohrkrepierer werden, weil man(n) dabei alles Wesentliche entgehen kann.

Interessant war, dass Redakteurin Hausbichler beifällig nickte, als ich den Wirbel um Femen mit jenem um Pussy Riot verglich. Für mich gilt, ob eine Initiative transparent ist, ob ihr Agieren nachvollziehbar ist. Deshalb habe ich gerne über “Ich hab nicht angezeigt” berichtet und war auch in Kontakt mit den Frauen. Was jedoch über Femen gesagt wird, erinnert mich sehr an Pussy Riot, die russische “Punkband”, von der es nur ein Video mit einer Art Song gab. Und wo mir Leute, die sich mit Punk auskennen sagten, dass die “Band” nichts mit Punk zu tun hat.

Man wird auch bei uns oder in den USA nicht so ohne weiteres in einer Kirche den Papst und den jeweiligen Präsidenten beleidigen können, welche Strafe auch immer darauf steht. Was wäre, wenn eine amerikanische Gruppe mit Unterstützung des russischen Aussenministeriums eine Aktion a la Pussy Riot in einer Kirche in den USA durchzieht, auch um in Medien Stimmung gegen die USA zu machen? Denn Pussy Riot wurden vom US-Aussenministerium unterstützt (siehe Artikel bei Ceiberweiber), und Medien berichteten bei uns nicht darüber.

Femen und der Feminismus

Auch diestandard.at bewarb Pussy Riot wie Femen immer wieder Thema ist. Beate Hausbichler schrieb den Frauen geradezu hymnisch Qualitäten zu, die über blossen Feminismus weit hinausgehen. Offenbar soll Femen ebenso aufgenommen werden, was sich jedoch zunehmend schwierig gestaltet. Übrigens wollten auch Pussy Riot Gruppen im Westen gründen,  um ihren vermeintlichen Feminismus zu verbreiten.

Femen nüchtern betrachtet

Ebenso wie Pussy Riot wirken Femen im besten Fall pubertär, wobei Fotos von Auftritten befremden. Kennt man Bilder von politischen Aktionen (und war auch schon selbst mal bei Demos, Besetzungen, Blockaden), dann wird man einen Gesichtsausdruck nie wahrgenommen haben. Jenen, den Femen zeigen, dieses verklärte Grinsen, wo es nichts zu lachen gibt – denn die Frauen werden sofort ergriffen und weggezerrt.

Verständlich wäre vielleicht ein triumphierendes Lächeln, wenn eine Barriere doch überwunden wurde; so aber fragt man sich, was die sich eigentlich eingeworfen haben. Wie das Auftreten nicht zu den Aktionsformen passt, mutet eine Bewegung ohne jede Analyse und Zielsetzung seltsam an. Wie sich echte soziale Bewegungen von Pussy Riot distanzierten, gibt es auch keine Berührungspunkte mit Femen.

Wikipedia ordnet Femen in die Kategorie “Frauenrechte” ein, was mehr als zweifelhaft ist, gibt aber mit der Liste an Aktivitäten auch gute Anhaltspunkte für eine Analyse des Zweckes dieser “Bewegung”. Femen-Proteste richteten sich gegen die Ukraine, gegen Russland, gegen Weissrussland, gegen die Türkei, gegen Tunesien, gegen islamische Länder allgemein, gegen Deutschland, gegen das Weltwirtschaftsforum in Davos, in Frankreich gegen Ex-IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn.

Eine Deutsche, die in Tunesien bei einer Aktion mitmachte, steht jetzt vor Gericht und wird vom Spiegel so beschrieben: “Josephine Witt kommt aus Hamburg und studiert im zweiten Semester Philosophie. Seit Anfang des Jahres ist sie bei Femen aktiv, hat oben ohne in Berlin bereits gegen die NPD protestiert und stürmte in Hannover mit ‘Fuck Putin’-Spruch auf den Brüsten auf Russlands Präsidenten los. Da musste sie auf der Polizeiwache ihre Personalien abgeben und konnte gehen. Nun sitzt sie im Militärgefängnis Bouchoucha in Tunis.”

Wir haben wieder eine Studentin, die offenbar völlig von der Rolle ist (siehe Foto von der Aktion in Tunesien im Spiegel) und natürlich ausserstande, einen auch nur ansatzweise “akademischen” Zugang zu gesellschaftspolitischen Themen zu bekommen. Es entsteht der Eindruck, dass Femen (beratungsresistent laut Hausbichler) vollkommen unfähig ist, Situationen zu reflektieren und einzuschätzen. “Femen sind die gesellschaftlichen Verhältnisse in anderen Ländern völlig egal”, sagt Hausbichler. Während diestandard.at noch berichtet, schreibt das ukrainische Magazin Kyivpost, dass die Femen-Show beendet werden soll und man nichts mehr schreiben wird, es sei denn, Femen agieren endlich vernünftig.

Es ist schade, dass gerade auch Feministinnen nicht unter anderem im simplen Eigeninteresse auf Distanz zu Femen gehen. Denn die Liste bei Wikipedia zeigt nicht nur, welche Länder im Focus stehen (etwa Deutschland als grösstes EU-Land, aber natürlich auch Russland, und islamische Länder, gegen die man leicht Stimmung schüren kann), sondern auch, welche Themen wahllos herausgepickt und diskreditiert werden. Der Kampf gegen Genitalverstümmelung oder für die Rechte von Sexarbeiterinnen ist mühsam und Kleinarbeit, ebenso nach wie vor jener um Vergangenheitsbewältigung in Hinblick auf das Dritte Reich.

Gezielt gesetzte Provokationen haben sich der kalkulierten psychologischen Wirkung sicher keine jungen Frauen ausgedacht, die deplatziert verklärt dreinschauen, wenn sie von Sicherheitskräften gepackt werden und die als gebildete Frauen keinerlei inhaltliche Analyse mit ihren Aktionen verbinden. Im Web gibt es einiges an Spekulationen über die Finanzierung von Femen, was auf einer Umfrageplattform humorvoll auf den Punkt gebracht wird.

Femen agiert wie eine “Front Group”

Das zur Anwendung kommende Prinzip ist jenes der “Front Group”, die einem nicht offen verfolgten Zweck von Staaten oder Personen dient, die auch nicht mit ihren Absichten in Erscheinung treten. Pussy Riot etwa wurde direkt von einer “Front Group” unterstützt, dem National Endowment for Democracy, in den USA in den 1980er Jahren zur “Privatisierung” von CIA-Aktivitäten gegründet. Die Solidaritätskampagne für Pussy Riot wurde von einer Funktionärin des NED geleitet, das in Russland und anderswo auch zahlreiche weitere “Front Groups” unterstützt – NGOs, die sich um Demokratie und Menschenrechte kümmern, aber Zielen des US Aussenministerums dienen. Die Amnesty-Kampagne für Pussy Riot ging von Amnesty USA aus, dessen Leiterin aus dem Aussenministerium kommt. Russland verlangt übrigens, wie andere Länder auch, jetzt finanzielle Transparenz von im Land tätigen ausländischen NGOs.

Nach dem “Front Group”-Muster gab es auch Aktivitäten rund um die Bundesheer-Volksbefragung in Österreich. Jene Frauen, die “Frauen für ein Berufsheer” unterstützten, haben wohl an die auch auf Plakaten verbreitete Botschaft geglaubt, dass es ja nur darum gehe, jungen Männern “sinnloses Herumsitzen” beim Wehrdienst zu ersparen. Tatsächlich zielte das via SPÖ propagierte “Profiheer” jedoch auf Kampfeinsätze anstelle der bisherigen Friedensmissionen ab – statt angeblich unnütz Zeit als Rekrut zu vertun also Kanonenfutter für jene Mächte spielen, die in anderen Ländern militärisch intervenieren (plus Beitritt zur NATO).

Die verunsicherten Reaktionen engagierter Frauen auf Femen zeigen, dass die Strategie aufgeht, die stets zur Anwendung kommt bei verdeckter Vorgangsweise. Man zielt mit einfachen, provokanten oder / und auf provokante Art vorgebrachten Botschaften auf unsere Emotionen und will uns verstricken. Es hilft nur, sich immer zu fragen, wenn Gefühle angesprochen werden, wer unsere Emotionen warum will, wer damit was erreichen will, wessen Agenda wir unterstützen sollen. Es wird über die emotionale Ebene davon abgelenkt, etwas nüchtern auf Basis von sonst geltenden Kriterien zu bewerten, der Verstand soll ausgeschaltet werden. Was Femen betrifft, knüpfen sie oft bei im Westen allgemein präsenten Fragen an, bei denen moderat und sachlich vorgetragene Argumente und Forderungen von Frauen (aber auch von Männern) oft nicht ausreichen, um Druck zur Veränderung zu machen.

Dies mag dazu verleiten, sich zu solidarisieren, auch weil endlich jemand breite mediale Aufmerksamkeit bekommt. Man muss sich allerdings fragen, was aus Anliegen wird, wenn sie von Femen gekapert werden. Ob der “Sextremismus”, wie Femen das eigene Vorgehen nennt, im Sinne der Sache erfolgreich ist. Und ob es nicht seltsam ist und wirklich nur an nackten Brüsten liegt, dass unsere Medien so auf den Femen-Zug aufspringen, während es schwer ist, echte Anliegen unterzubringen. Es mag ganz zu Beginn, als wenige Frauen als Femen gegen Sextourismus demonstrierten, alles seine Berechtigung gehabt haben. Längst aber wurde aus Femen etwas ganz anderes, das leider dazu dient, von Positionen und Forderungen wirklicher Feministinnen, aber auch von Frauenpolitikerinnen abzulenken. Zudem werden Feministinnen direkt diskreditiert, man denke an jene Frauen, die sich als muslimische Feministinnen verstehen.

Ceiberweiber ist bislang ohne Berichterstattung über Femen ausgekommen, wobei sich nackte Frauen etwa in einem Artikel über das Daughters of the Moon-Tarot befinden. 2007 fand in mehreren Städten der Naked Bike Ride statt, auch in Wien, wo einige Frauen und Männer nackt teilnahmen, andere fast nackt, wo Bodypaintings angefertigt wurden, ehe es losging. Auch in diesem Kontext kommt Nacktheit vor, wobei ich auch nicht das Geringste dagegen einzuwenden habe, dass Frauen ihre Brüste zeigen. Allerdings nicht als pseudopolitisches Statement, sondern als natürliche, weibliche Nacktheit, wie man sie im Sommer an Badeteichen sieht.


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