Der 24.12 ist ein besonderer Tag. Und als ich mit Janek am Morgen das Haus verlasse, um zwei weitere deutsche Freiwillige hier in Matagalpa zu besuchen, ist die Aufregung der Menschen in den Straßen, die noch schnell die allerletzten Besorgungen treffen, nicht zu übersehen.
Von überall her dudelt Weihnachtsmusik, Geschäfte und Straßen sind überfüllt und nach drei Wochen „Kälte“, freue ich mich wie ein kleines Kind an den schönen warmen Sonnenstrahlen, die auf uns herunter scheinen.
Wir nehmen den Bus, der uns zu Maike und Daniel fahren soll, denn wir haben ein Weihnachtsfrühstück unter Palmen in ihrem Garten geplant.
Allerdings hat der Busfahrer anscheinend das Fleisch für das heutige Festessen vergessen. Er hält also mitten auf dem Markt und feilscht mit der Fleischverkäuferin durch das Fenster über uns hinweg - denn wir drängen uns zu dritt auf dem eineinhalben Platz, der sich vorne neben dem Busfahrer befindet.
Er schimpft und flucht; der Preis für das Libra sei viel zu teuer. aber ehe ich mich versehe bekomme ich eine Tüte mit blutig tropfenden Fleisch in die Hand gedrückt, die ich dem Busfahrer weiter reichen soll.
Als wir bei Maike und Daniel ankommen, nehmen wir also gemeinsam „ein typisches Weihnachtsfrühstück“, mit Milkshake, Obstsalat, Gallo Pinto, Weihnachtsstollen und Lind Schokolade bei Sonne im Garten ein.
Immer wieder wünschen wir uns gegenseitig ein „Fröhliches Weihnachten“, was sich im Laufe des Tages wie ganz von selbst zu einer Art „Running Gag“ entwickelt.
Auf dem Rückweg schauen wir in der Kathedrale vorbei und wollen Wissen, um wie viel Uhr heute eine Messe statt findet.
Merkwürdigerweise hat keiner eine richtige Antwort parat und die zwei Herren scheinen sich da selbst noch nicht so einig zu sein – schade.
Abends sind ich und Janek bei einem guten Freund und seiner Familie zum Essen eingeladen.
Schon auf dem Weg zu seinem Haus, hören wir es von überall her knallen, Feuerwerke gibt es hier das ganze Jahr über, allerdings erzeugen sie leider meistens nur Krach und viel Rauch.
Fast aus jedem Haus dröhnt Musik und viele Menschen tanzen bereits vor ihren Häusern und auf den Straßen.
Plötzlich ertönt eine laute Sirene in der Straße vor uns und als wir in sie einbiegen, kommt uns ein großer Wagen entgegen, der mit bunten, flimmernden Licht die dunkle Straße zum Erleuchten bringt.
Ein Weihnachtsmann tanzt zu Salsa Musik sehr ausgelassen auf dem Wagen herum, seine Helfer schmeißen Süßigkeiten, Caramelos herunter, welch gierig von den vielen Kindern aufgesammelt werden.
Ab und zu spricht er ein kräftiges „Hohoho“ in sein Megafon und tanzt dann auf künstlichem Schnee weiter.
Ich finde diesen Anblick merkwürdig und amüsant zugleich und als wir Josés Haus erreichen steht die ganze Familie auf der Straße, um die weihnachtliche Attraktion zu begutachten.
Sehr herzlich werden wir begrüßt und in das winzige Haus gebeten. Wir setzen uns ins Vor- und gleichzeitig auch Wohnzimmer. Ein Mini-Plastikweihnachtsbaum, der unter dem vielen kitschigen Schmuck fast zu ächzten scheint, steht neben dem laufenden Fernseher.
Sofort bekommen wir das erste Tonia ( Bier) in die Hand gedrückt und überreichen unsere Geschenke, die dankbar entgegen genommen werden.
Abwechselnd schaut man auf den Fernseher, dann der kleinen Tochter beim auspacken einer Plastikpuppe zu und schließlich wird geredet.
Wie Weihnachten in Deutschland so ist? Was man dort isst und ob es jetzt kalt sei...?
Dann kommt Joses Vater herein und er sieht aus wie ein waschechter Nordnicaraguaner, wie er so in der Tür steht, mit seinen fellbezogenen Cowboystiefeln, einer engen Jeacns, die von einem breiten Ledergürtel, mit einer noch viel breiten Gürtelschnalle zusammengehalten wird. Natürlich der Hut, der darf nicht fehlen.
Wir bekommen das nächste Bier angeboten und sollen nun die Verwandten die Straße weiter runter begrüßen.
Diese Verwandten sitzen bei ohrenbetäubender lauter Musik im Wohnzimmer und bieten uns als erstes Mal einen ordentlichen Rum an. Als ich der Tante „Frohe Weihnachten“ zuschreie, sieht sie mich entsetzt an und sagt „Jetzt doch noch nicht, erst um zwölf.“
Ich blicke da nicht so ganz durch, weil die Nicas sich schon seit knapp einem Monat „Frohe Weihnachten“ wünschen und nippe verwirrt an meinem Flor de Cana.
Nach einem Pläuschchen, sollen wir dann wieder gehen, das Essen sei nun fertig und man befiehlt uns regelrecht, dass wir uns an den einzigen Tisch setzen. Ich habe ein schlechtes Gewissen, da der Tisch super klein ist und es nur drei Stühle gibt. Als ich jedoch meinen Platz anbiete, werde ich wild gestikulieren wieder auf den Stuhl gedrängt, schließlich sollen ich und Janek das stundenlang zubereitete Festessen probieren und natürlich, dazu müsse man ein weiteres Tonia trinken.
Es gibt selbstgebackenes Brot und ….relleno, eine Art fester Eintopf mit Hühnchen, Gemüse, Rosinen, Oliven und Reis gibt es. Es schmeckt alles recht süß, aber gut.
Doch dann, dann bekommen wir Chicharron aufgezwungen, - gebackenen Schweinehaut.
Als eher Fleisch ablehnende Person, erscheint mir diese Anforderung zu hoch, doch ich komme nicht drumherum und ehe ich mich versehe, wird mir ein winziges Stück vor den Mund gehalten.
Es schmeckt salzig und fettig. Ich spüle alles mit einem Schluck Bier herunter und bekomme direkt die nächste Portion aufgeladen. Doch das wird mir zu viel und so schwindele ich, mein Magen sei von der Reise noch zu sehr mitgenommen und frage die Tochter, ob sie sich nicht gerne und unbedingt auf diesen Stuhl setzen würde. Sie freut sich und ich bin gerettet.
Sichtbar stolz steht die Mutter vor dem Essen und ich und Janek loben es auf nicaraguanische Weise sehr überschwänglich.
Wir verabschieden uns schließlich mit der Entschuldigung, dass wir nun im „Tequilas“, eine der zwei Discos in Matagalpa,mit Freunden weiterfeiern müssen.
Angeblich feiere ganz Matagalpa an diesem Abend im Tequilas und wir sind verblüfft, als wir um halb zwölf, die Ersten Gäste sind.
Normalerweise schließen die Discos in Matagalpa schon gegen Eins. Da stehen wir also, zu sechst, alleine mit den Sicherheitsbeamten, auf einer leeren Tanzfläche in der Disco. Nur das flimmernde Licht tanzt bereits zu der Musik.
Wir wünschen uns zum tausendsten Mal „Ein fröhliches Weihnachtsfest“ und dann dauert es auch gar nicht mehr lange, da betreten bereits die nächsten Gäste die Disco.
Mit den verdunkelten, untertage Discotheken, hat das Tequilas wenig zu tun. Man könnte es mit einer großen Terrasse beschreiben, die von Palmen umsäumt ist.
Die Mode, in der man hier in einer Disco aufkreuzt, ist ebenfalls in keinster Weise mit den Gewohnheiten in Deutschland vergleichbar.
Mit weniger als mindestens 8cm Absatz betritt fast keine Frau die Tanzfläche und sehr oft frage ich mich, ob diese Zentimeter dafür vom Saum ihrer super bunten Kleider und Röcke abgenommen wurden.
Mit der Zeit füllt sich die Disco, die Musik ist laut und die Tanzfläche voll.
Gegen halb fünf geben wir allerdings erschöpft auf und beschließen, dass wir die Geburt Christi nun hiermit reichlich gefeiert haben.
Wir nehmen also wieder zu NEUNT ein Taxi (ja das geht), was uns nach Hause kutschiert.
Müde, verwirrt, aber glücklich falle ich schließlich ins Bett.