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Letztes oder vorletztes Jahr – ich weiss es nicht mehr so genau, man mag es mir nachsehen – kündigte man mir im Rahmen der jährlichen abzuleistenden Fortbildungen für den Fachanwalt für Arbeitsrecht einen Vortrag zum Thema „Low Performer und ihre arbeitsrechtliche Behandlung“ an. Oh, dachte ich, das kann ja interessant werden: werden uns jetzt die Zaubertricks aus dem Waffenarsenal der Personalabteilungen der deutschen Grossunternehmen (zB. des VW-Konzerns) verraten, mit denen man Arbeitnehmer entfernt, die nicht oder nicht mehr den Anforderungen an die Produktivität gerecht werden?
Nun, ich will es mal nicht zu spannend machen: der Vortrag war „blendend“ im wahrsten Sinne des Wortes, es gab nämlich nichts Neues zu bestaunen, sondern alten Wein in neuen Schläuchen: die – nicht vorsätzliche – negative „Abweichung der Ist- von der Sollbeschaffenheit“ bei einem Arbeitnehmer ist und bleibt weitgehend ein Risiko des Arbeitgebers – und dem schwächeren Arbeitnehmer steht jedenfalls dann, wenn sein Arbeitsverhältnis in den Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes fällt, ein durchaus effektiver Kündigungsschutz zu – Low Performaner hin oder her.
An dieser Stelle ein kleiner Einschub: dass man in Deutschland heimlich, still und leise durch die Erhöhung des Schwellenwertes den Kündigungsschutz für den überwiegenden Teil der Arbeitnehmer ausgehebelt hat, ist dabei eine ganz andere Geschichte, denn hier will ich mich ja nicht mit dem vogelwilden Gebaren unserer Politiker beschäftigen, sondern mit dem eines Bundesligatrainers.
Und so kommen wir zu Felix „Quälix“ Magath, dem mal wieder neuen Abteilungsleiter des VW-Konzerns, Fachbereich Attacke, Geldvernichtung und Ballgetrete.
Unbestritten ist Herr Magath einer der Trainer der Bundesliga, der seine Erfolge am besten zu seinen eigenen Gunsten inszenieren kann, denn tatsächlich scheint niemand bisher aufgefallen zu sein, dass das „Erfolgssystem Magath“ bei allen Vereinen, denen er bei der Sanierung ihrer Gläubiger helfen durfte, nur eine sehr kurze Halbwertzeit hatte. Doch scheint (und ein bisschen hofft man es ja fast…) jetzt bei den VW-lern schon sehr früh das Ende der persönlichen Fahnenstange von „Master M.“ erreicht zu sein: schon nach wenigen Spieltagen in der neuen Saison und einem wahren Kaufrausch des Mannes mit der überragenden Körpergrösse kracht es mächtig im dortigen Filigrangebälk.
In einer solchen Krisensituation wäre eigentlich Menschenkenntnis und Kompetenz in Menschenführung gefragt; doch da scheint es derzeit massiv zu fehlen, jedenfalls macht dies den Eindruck, wenn man sieht, wie Magath mit einem angeblichen „Low Performer“ umgeht, dem Ex-Nationalspieler Patrick Helmes: dieser soll bei der letzten Niederlage der in Hannover zärtlich „Radkappen“ (immerhin hat VW ja auch ein Werk in „Hannoi“, nicht wahr!) genannten Werkskicker zu wenig gelaufen sein – und schwupps, verhängte Felix-Quälix eine Geldstrafe gegen Helmes. Ausserdem darf Patrick H. nicht nur die Länge des Mittellandkanals (sozusagen die Binnenalster der Autostadt, wenn auch mit sehr beschränkten Unterhaltungs- und Einkaufsmöglichkeiten) zu Fuss erkunden, sondern auch interessante Gespräche mit den Vertretern französischer Fussballclubs führen: „Du lässt Dich jetzt sportärztlich untersuchen und dann unterschreibst Du den Vertrag bei dem französischen Verein!“ so der Abteilungsleiter zu seinem leitenden Mitarbeiter – der dann allerdings dies arbeitsvertragliche Alternativangebot dankend ablehnte ob seiner fehlenden französischen Sprachkenntnisse.
Dem geneigten – und nicht nur dem juristisch oder gar arbeitsrechtlich vorgebildeten – Leser stehen inzwischen sicherlich schon die Haare zu Berge: jeder Rechtsanwalt, der seinen Mandanten zu solchen arbeitsrechtlichen Sanktionen raten würde, könnte gleich seine Berufshaftpflichtversicherung einschalten – und die kolportierte Schacherszene um den Abgang von Patrick Helmes nach St. Etienne erinnert dann doch weniger an die deutsche Bundesliga als an den Film „Ben Hur“ – und zwar nicht an die Wagenrennensequenz, sondern an diejenige auf dem Sklavenmarkt.
Man könnte sich dieses Trauerspiel als Fan des derzeitig Vierten der Bundesliga (für alle Uneingeweihten: der heisst natürlich Hannover 96) ja durchaus belustigt „von oben“ ansehen, sozusagen mit einem schadenfrohen Seitenblick von der Messestadt auf den „Messeparkplatz Nord-Ost“… wäre da nicht eine andere aktuelle Meldung und eine schlimme und immer noch nicht verheilte schreckliche Erinnerung, denn nennen wir es doch mal beim Namen: das System, welches Felix Magath nun – mal wieder – in Wolfsburg etabliert, ist ein solches, welches nicht nur von vielen betroffenen „Mitarbeitern“ (Untergebene wäre passender) dieses Herrn, sondern durchaus von Dritten als Mobbing empfunden wird – es ist jedenfalls der Aufbau von massiven Druck diesseits und jenseits der arbeitsrechtlich erlaubten Grenzen, in der Hoffnung, dadurch erwünschtes Verhalten und Erfolg erzwingen zu können.
Und dieser Druck ist es, der bei immer mehr Menschen, die im Arbeitsprozess stehen, Erkrankungen auslöst, Erkrankungen, die genau so ernsthaft, aber eben auch genauso menschlich sind wie ein Beinbruch oder ein Bänderriss: psychische Erkrankungen, Depressionen, Burn-Out!
Das „Vorbild Magath“ hat also nichts, aber auch gar nichts aus dem tragischen Tod des Fussballnationalspielers Robert Enke gelernt – aus dem Tod eines begnadeten Torwarts und untadeligem Sportlers, aber eben auch eines Menschens, der mit sich und dem Druck der (Fussball)Arbeitswelt nicht klar kam und deswegen den Selbstmord wählte.
Und Robert Enke ist kein Einzelfall: Markus Miller, aktueller Ersatztorwart von Hannover 96, hat sich praktisch zeitgleich mit dem Bekanntwerden der nicht unerwarteten Entgleisungen des Felix Magath in stationäre Behandlung begeben, um seine psychische Erkrankungen therapieren zu lassen – ein in meinen Augen logischer und richtiger Schritt, und ein Schritt, der eigentlich genau so wenig mediale Aufmerksamkeit erlangen dürfte wie zB. die Nachricht, Markus Miller habe sich im Training den Arm gebrochen und müsse deswegen stationär im Krankenhaus aufgenommen werden.
Aber so ist es wohl nicht, nicht hier in Deutschland, und schon gar nicht in der Parallelwelt Fussball-Bundesliga: die Behandlung des Torwarts meiner Roten ist ein (jedenfalls regionaler) Medien-Hype, und inzwischen fragen Journalisten allen Ernstes, ob die anderen Spieler in Hannover beim Training schon wieder lachen (dürfen). So ein Quatsch!
Hannover 96 jedenfalls geht mit der Erkrankung ihres Spielers sensibel und professionell um, Trainer Mirko Slomka war langfristig von der Erkrankung informiert, alle Verantwortlichen und Spieler tun das, was man von Arbeitgebern und Kollegen erwarten kann und darf: sie unterstützen Markus Miller bei der Überwindung seiner Erkrankung, so, wie sie ihn auch unterstützen würden, wenn er die Bänder im Knie gerissen hätte.
Nur, ist das nicht eigentlich nur eine Ausnahme? Und hat Markus Miller vielleicht sogar Glück, gerade bei den Sensibilisierten in Hannoi gelandet zu sein? Man muss es fast befürchten, wenn man sich Felix Magath und seine zweifelhaften Methoden ansieht – ich weiss nicht, ob er bei der Trauerfeier für Robert Enke in der AWD-Arena anwesend war, ob er sie vielleicht im Fernsehen verfolgt hat – innerlich jedenfalls scheint die damalige Rede von Theo Zwanziger, dem Präsidenten des DfB, spurlos an ihm abgeperlt zu sein – so wie an einem guten Autolack aus den Produktionsstätten seines Arbeitgebers: auf dem Coachinggelände der VW-Werksmannschaft darf man sich wohl als „Leitender Angestellter“ besser nicht outen, wenn man mit Drucksituationen Probleme hat…
Ok, vielleicht soll man sich nicht so anstellen, vielleicht sind es die Falschen, für die ich hier jetzt die Kuschelecke oderden Gesprächskreis verlange, das Leben ist kein Ponyhof – und die Bundesliga schon gar nicht, immerhin sind das sind ja alles Profis, die heute das Vereinswappen abknutschen, wenn sie den Ball mal fangen, um dann wenige Monate später genau zu dem Verein zu wechseln, dessen Fans sie kurz zuvor provoziert haben – und dies Alles wegen der „besseren, sportlichen Perspektive“.
Aber ganz so einfach ist es nicht, denn nicht nur die Spieler sind Vorbilder in dieser Gesellschaft, sondern auch die anderen Verantwortlichen in den Fussballclubs – und ganz vorne mit dabei die Trainer. Und da prägt es eben das Verhalten von ehrenamtlichen Übungsleitern auf Vereinsebene, wie sich deren Vorbilder verhalten.
Das ist eine fatale Entwicklung – oder sollte ich besser sagen, eine fatale Festschreibung von Verhaltensweisen, die so vielleicht schon immer üblich waren? Kann man tatsächlich diesem Wahnsinn, dass schon 5-9 jährige Kinder mit Schreien und Keifen bis hin zu persönlichen Beleidigungen auf dem Fussballplatz angetrieben werden, nicht Einhalt gebieten? Muss schon dort derjenige, der vermeintlich zu gut ist, den Verein wechseln – oder derjenige, der zu schlecht ist, vom Sport ausgeschlossen werden?
Nein, Menschenführung (egal, wie klein oder gross die zu führenden Menschen sind) muss nicht so geschehen, man muss keine Leute anbrüllen, um Leistung von ihnen zu erhalten, man muss sie nicht wegschicken und bestrafen, wenn sie mal ihre Leistung nicht „abrufen“ können, man darf auch als Vorgesetzter Rücksicht und Verständnis aufbringen. Und wenn man das nicht kann, dann soll man die Menschenführung eben Anderen überlassen – solchen, „die sich damit auskennen“. Oder glauben Sie, dass es für die Psyche eine 8Jährigen förderlich ist, wenn er mit dem Fussballspielen aufhört, weil man ihn für zu schlecht hält und sowieso beim Training nur ausgrenzt und/oder anbrüllt. Ich glaube dies nicht, keiner glaubt es, wenn er es hier liest – und trotzdem geschieht es täglich!
Nehmen wir uns also andere Vorbilder als Felix Magath, wenn wir in personaler Verantwortung stehen – auch und gerade bei einer so emotionalen Sache wie dem Fussball. Und wünschen wir, dass bald bei VW jemand aufwacht und dem dortigen Theater ein Ende bereitet – und keine Angst um Felix, den Glücklichen: die Abfindungsklausel in seinem Arbeitsvertrag wird sicher gut verhandelt sein und jeglichen sozialen Abstieg verhindern.