„Pleasure“
(Polydor)
Das Leben zwischen den Extremen ist bekanntlich kein einfaches. Aber eben auch kein langweiliges. Wer also mit Eintönigkeit, Vorhersehbarkeit und Langeweile nicht viel anzufangen weiß, lebt und liebt den Überschwang, in die eine und in die andere Richtung. Für den geht es nach oben wie nach unten gleichermaßen. Auch die Kanadierin Leslie Feist kennt die Tücken des Auf und Ab, die Versuchung, nicht alles und jeden an sich heranzulassen, das Leben auf Abstand zu halten. Und hat darüber auf ihrem aktuellen Album, das nicht nur Vergnügen heißt, sondern auch ein großes ist, den passenden Song geschrieben: „As long as I stay closed like that, secretive to stay intact. Well that is not fun, that’s why I couldn’t trust anyone at all“ heißt es dort, und weiter: „I was living in extremes and everything that that means … So I got high and I got low.” Die ganze Platte ist hin- und hergerissen, zwischen zartesten Folkpop-Melodien mit zerbrechlichem Gesang in traurig versonnener Melancholie, und verzerrten Gitarrenriffs, sich überschlagender Stimme, wilder Selbstbehauptung. Ein Spiegel ihrer selbst, so kann man es deuten.
Schon der Titelsong, begleitet von Chilly Gonzalez am Klavier, tastet vorsichtig und rockt rotzig zugleich, sie trauert der alten Liebe rührend hinterher (“I Wish I Didn’t Miss You”) und beschwört die neue gleich im Anschluss (“Any Party”), gibt der Sehnsucht nach Einfachheit wunderbare Worte auf den Weg (“Baby Be Simple”) und weigert sich, dann wegzulaufen, wenn es wieder hinab geht. Überhaupt, die Düsternis, sie klingt öfter an auf “Pleasure” als man es von ihren früheren Alben kennt. Die Zeilen von “The Century”, wieder begleitet von Gonzalez und unterstützt vom erzählerischen Bass des Jarvis Cocker, führen in eine Seele, der die dunkle Seite des Mondes nur allzu bekannt ist: “Almost as long as one of those endless dark nights of the soul, those nights that never end, when you believe you'll never see the sunrise again, when a single second feels like a century…” All das illustriert mit Chorgesängen und bemerkenswert vielschichtigen Arrangements, produziert von Langzeitbegleiter Dominic Salole alias Mocky und Renaud LeTang – emotional, dünnhäutig, trotzdem stark. “The experience of pleasure is mild or deep, sometimes temporal, sometimes a sort of low grade lasting, usually a motivator. If the way you look at things is how they look then my motivation is to look with a brighter eye”, so Feist über das Thema ihres Albums. Das Bemühen, diese Sicht der Dinge in ihre Songs zu übersetzen, ist hier trotz aller Schwere jederzeit spürbar und macht sie zu einer Ausnahmeerscheinung. http://www.listentofeist.com/
20.07. Mainz, Zitadelle
24.07. Berlin, Tempodrom
02.08. München, Circus Krone
19.08. Winterthur, Steinberggasse