Henryk M. Broder, leider ist er mit seinen Vorstellungen in
seinem eigenen Irrgarten gefangen.
Nachdem ich bereits hier den ersten Teil eine Leseprobe einer empfehlenswerten Untersuchung zu dem Feindbild Islam vorstellte, und im zweiten Teil angefangen habe die ersten 5 typischen Argumentationstechniken der selbsternannten "Islamkritiker" zu entschlüsseln, setze ich nun diese Reihe der 20 häufigsten Argumentationsstrategien der Rechtspopulisten und "Islamkritiker" weiter fort. Wichtig ist nochmals zu betonen, dass dieser Artikel des Buches, anders als viele andere, nicht primär das Ziel hatte nun jede Behauptung oder jede vorgebrachte Zahl auf Richtigkeit zu untersuchen. Ziel war es die Art und Weise der "Islamkritiker" zu beleuchten, auf welche Weise argumentieren sie, und ist diese Art seriös oder nicht.
Bisher hatten wir etwas über diese Techniken und Strategien erfahren:
- Aneinanderreihung von Negativbeispielen
- Beleidigen, herabwürdigen, verspotten
- Vorurteile
- Alarmismus, Dramatisierung, fiktive Bedrohungsszenarios
- Verzicht auf Belege und Beweise, Simplifizierung von Sachverhalten
Aus: Thorsten Gerald Schneiders (Hg.): Islamfeindlichkeit. Wenn die Grenzen der Kritik verschwimmen. Wiesbaden 2009.
(Wie schon mehrfach darauf hingewiesen: Große Teile des Buches lassen sich in dem obigen Googlebooks-Link einsehen. Insofern könnte man auch dort weiter lesen, wenn man nicht auf meinen nächsten Post warten möchte, oder noch besser: Kaufen.)
6. Ausblenden von Ursachen
Kennzeichnend für Necla Keleks Arbeit ist ihr monokausaler Erklärungsansatz. Das Buch Die fremde Braut (2005), notabene vom früheren Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) wohlwollend im Spiegel (5/2005) rezensiert und mit dem Geschwister-Scholl-Preis 2005 ausgezeichnet, benennt ähnlich ihrem zweiten Werk Die verlorenen Söhne (2006), für das sie ebenfalls einen Preis, die „Corine“ in der Sparte Sachbuch, erhalten hat, im Grunde nur die Religion als Ursache für die beobachteten Missstände in muslimischen Einwanderergesellschaften – eine nähere Begründung für diese Exklusivität liefert sie nicht (2005: 261). Zentrale Faktoren wie Bildung, wirtschaftliche Stellung, Wohnsituation, Diskriminierungserfahrungen, Identitäts- oder Persönlichkeitskrisen einerseits, und nationalistische respektive politische Überzeugungen andererseits – sowohl beim Einzelnen wie bei Familienangehörigen – bleiben in ihrer Argumentation weitgehend außen vor (siehe auch den Beitrag von Schröttle in diesem Buch). Dafür berichtet sie ausführlich über die islamische Frühgeschichte, über die Prophetenbiografie und betreibt eigenständige Koranexegese (S. 148ff., Kapitel Der Prophet und die Frauen); all dies sind Grundelemente einer fundierten islamwissenschaftlichen und theologischen Ausbildung; diese kann Kelek nicht vorweisen; üblich wäre in dem Fall, einschlägige Fachliteratur zu rezipieren, doch in beiden Büchern gibt es kaum Hinweise auf Sekundärquellen. Auch Günther Lachmann (2006) und Henryk Broder (2006) präsentieren soziale Missstände muslimischer Einwanderergenerationen primär als Folge von Glaubensüberzeugungen oder kultureller Herkunft. Andere möglicherweise ausschlaggebende Gründe aus der Biografie des Einzelnen blenden sie aus. Benachteiligungen im Schulsystem und deren Folgen (PISA-Studien), Schwierigkeiten bei der Job- oder Wohnungssuche, die schon allein auf der ausländischen Herkunft beruhen können (EUMC 2006: 54; siehe den Beitrag von Peucker in diesem Buch), wiederholte Diskriminierung auf deutschen Ämtern, in deutschenFreizeiteinrichtungen, in deutschen Supermärkten (Stichwort: Kopftuch), Familienprobleme oder andere Erfahrungen, die das Sozialverhalten beeinflussenkönnen, finden – wenn ich es recht sehe – bei keinem von beiden auch nur eine Erwähnung.
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