„Fall Forever“
(Kanine Records)
Es sind wohl vor allem die Gegensätze, die an Fear Of Men faszinieren. Aktuell als Trio unterwegs, haben es sich Jess Weiss, Daniel Falvey und Michael Miles offenbar zur Obsession gemacht, ihr Innerstes in aller Öffentlichkeit zu verhandeln. Schon die Songs auf „Loom“, dem Debüt der Band, waren von einer derart zerbrechlichen Zartheit, dass man Sorge hatte, sie würden den ganzen Rummel um sie nicht unbeschadet überstehen können. Nun, es ist ihnen weit mehr als das gelungen, fünf Jahre nach den ersten Gehversuchen präsentieren sie mit „Fall Forever“ ihr zweites Album und haben es nicht nur zum hellsten Stern am Pophimmel ihrer Heimatstadt Brighton, sondern auch zu einiger internationaler Berühmtheit geschafft. Und das mit Stücken, die so gar nicht zum Bild jugendlicher Unbeschwertheit passen möchten, das clevere Marketingstrategen gern samt Weichzeichner und Glanzfolienkaschierung ihrer Kundschaft in die Hand drücken wollen. Wer redet da schon gern von Traumabewältigung, Selbstbehauptungswillen, Einsamkeit und Kontrollverlust?
“I'm like an island, I don't need to feel your arms around me, I'm like an island without a shore”, singt Weiss, “Used to be scared to feel misunderstood, now I don't care if I'm not what you want, used to be scared to feel the stronger one.” Ähnlich wie Elena Tonra von der Londoner Band Daughter scheint auch Weiss in der Veräußerung ihrer intimsten Empfindungen die einzige Chance zu sehen, zu eigener Stärke zurückzufinden. Man muss das deshalb nicht gleich ‘Selbsttherapie’ nennen, beeindruckend und berührend ist es allemal. Das andauernde innere Ringen, im Video zu “Trauma” symbolisch in Szene gesetzt, ist also ein Schlüsselthema dieses Albums, am Ende steht dann im besten Falle, wie bei “Sane”, eine Art von erlösender Freiheit, die aber doch einen bitteren Geschmack in sich trägt: “I possess nothing, I'm free from fear, I'm a monument to myself …”
Was dann aber in kompositorischer Hinsicht erstaunt, ist die häufige Wiederkehr bestimmter Soundmuster, die in fast allen Stücken, wenn auch hier und da leicht abgewandelt, auftauchen: Da ist zum einen Weiss’ glockenhelles Stimmchen, unterlegt mit dronig-düsteren Synthflächen, auf der anderen Seite Miles’ maschinengewehrartiges Schlagwerk, das man so aus diversen Historienschinken zu kennen glaubt – der verschossene Trommler läuft über’s rauchende Schlachtfeld und hämmert selbstvergessen seine Trauer in die Ödnis. Verfehlt sicher nicht seine Wirkung, wird hier aber leider etwas überstrapaziert, die Songs, die aus dem vollen Repertoire schöpfen und ohne diese Selbstbeschränkung auskommen, bleiben (übrigens auch ein kleines Manko des Debüts) so in der Unterzahl. Der Gesamteindruck bleibt dennoch ein guter, es gibt schließlich für jedermann jederzeit genügend Momente im Leben, in denen man solche Musik zum Trost gut brauchen kann. http://www.fearofmen.co.uk/
26.09. Berlin, Kantine Berghain
28.09. Wien, RHIZ