Es war einmal mehr eine bemerkenswerte Woche für die ehemals Liberalen. Ich beginne zu verstehen, wie es sich für Nicht-Sympathisanten angefühlt haben muss, als die SPD langsam, aber mit ansonsten zu vermissender Konsequenz in ihre Einzelteile zerfallen ist.
Ich sehe vor allem, wieviel schlimmer alles hätte kommen können. Zum Beispiel hätte Ulf Poschardt unsere Grabrede verfassen können.
Ich bin ein Fan, dass wissen Sie ja schon. Normalerweise bin ich das, weil der Mann der witzigste Kommentator bei Welt.de ist, eine Plattform, die ich ebenfalls heiß und innig liebe. Ich bin schon ein paar Mal gefragt worden, warum ich mir das antue. Welt-Online ist journalistisch ein Witz, weder überparteilich noch unabhängig, eine Bild-Zeitung mit kleine(re)n Buchstaben. Stimmt alles - stimmt leider mit wenigen Ausnahmen so bei sämtlichen Online-Ausgaben von Printmedien und mittlerweile bei den meisten Printmedien außerdem.
Ich gehe da nicht hin, um mich zu informieren, was passiert ist. Ich gehe dahin, um herauszufinden, wie sich Konservative und Neoliberale und Rechtsaußen-Trolle schönsaufen, was passiert ist. Es ist so ein bißchen wie ein Blind Date mit dem politischen Gegner. Wie argumentieren die? Was ist denen wichtig? Kann man ihnen nicht vielleicht doch irgendwie helfen?
Ok, Ulf Poschardt ist nicht mehr zu helfen. Aber er ist sowas wie ein Hardcore-Fan dieser Regierung und vor allem natürlich der FDP. Er ist es, soweit kann ich das nachvollziehen, nach dem Parteitag der CDU von 2003 geworden, in dessen Folge Angie und Westerwelle im Cabrio rumfuhren und der Welt gemeinsam verkündeten, dass sich Leistung wieder lohnen muss. Und, soweit habe ich das mittlerweile auch durchschaut, es war vor allem das Cabrio. Oder eben die eigentümliche Mission des Ulf Poschardt, cool zu finden, was einfach nicht cool ist. So hat er bereits ein ganzes Magazin in den Sand gesetzt, aber immerhin noch gemerkt, dass das Schiff sinkt. Für diese Regierung wird er noch spielen, wenn sie bereits auf dem Boden des Ozeans liegt. Und wenn er vielleicht auch die hohe Luftfeuchtigkeit beklagt, er wird den Kurs bejubeln.
Deswegen ist er eine wertvolle Quelle für einen, der versucht, zu verstehen, wie man Fan dieser Regierung sein kann. Er ist außerdem auch ein ausgezeichnetes Thermometer für die Leidenschaft dieser Fans; nicht nur völlig merkbefreit, sondern auch immun gegen Fakten und völlig unverdächtig, ein tiefergehendes Verständnis für die Sache zu entwickeln. Er ist wie eine dieser alten Frauen, die ich Anfang der 90er auf Wahlveranstaltungen von Helmut Kohl bewundert habe. Die gingen sogar extra zum Friseur für den Mann. Die Arbeitslosigkeit explodierte, die Wirtschaft kollabierte, Lüge um Lüge flog auf, aber die Dauerwelle dieser Damen zu Ehren des Kanzlers saß. Seit damals weiß ich, dass jede etablierte Partei auf einen Kern von Unbelehrbaren setzen kann, der sie so wählen wird, wie die Fans von Eintracht Braunschweig ihrem Fußballverein die Treue halten. Erst wenn die abspringen, ist eine Partei wirklich tot. Wenn sie nur den Tod der Partei beklagen, reicht das noch nicht.
Und Ulf Poschardt hat noch nicht aufgegeben. Im Gegenteil. Er hält zum Beispiel die FDP noch immer für eine liberale Partei.
Man muss sich nach den jüngsten Ereignissen mit dem Gedanken anfreunden, dass der Liberalismus nur noch als APO stattfindet.
... und er sieht sie auch weiterhin als Erlösung von dem Bösen...
Der Kampf geht weiter
(...) Jetzt droht der Rückfall in eine rot-grüne Regierung, die der Entmündigung der Schwachen die Enteignung der Starken folgen lassen wird.
Ich erinnere daran, dass die letzte rot-grüne Regierung Hartz-IV auf den Weg brachte, die Steuern für Besserverdienende massiv senkte und den Finanzmarkt entfesselte.
Kurzum: Wären wir 1998 mit Steuersenkungsversprechen angetreten, wir hätten sie gehalten. Wären wir 1998 mit dem Versprechen angetreten: Sozial ist, was Arbeit schafft, scheißegal, wie sie bezahlt wird, wir hätten es gehalten. Wären wir mit dem Versprechen angetreten, die Sozialsysteme so lange zu reformieren, bis sie zu einem Privatvergnügen werden, wir hätte es zumindest teilweise gehalten. Wir haben die Reichen reicher und die Armen ärmer gemacht. In unserer Regierungszeit ist die Nettokaufkraft der unteren 90 Prozent um fast ein Fünftel gesunken, während die oberen 10 Prozent sich fast verdoppelt haben. Wer Angst vorm Staat hat, wer Geld verdiente, indem er es anlegt, der hatte goldene Jahre.
Wir waren die beste FDP aller Zeiten.
Erinnern wir uns des Weiteren an die Dinge, für die uns die FDP kritisiert hat und die sie abschaffen wollte, ich sage nur Ökosteuer - Dosenpfand - Atomausstieg. Ja genau, alles noch da. Was ich sagen will, ist: Wer heute noch immer FDP wählt, bei dem ist das ein Zustand. Ich kenne diesen Zustand. Ich habe 2009 Steinmeier gewählt, und ich fand ihn super. Und wie Sie sehen, habe ich für meine persönliche Psychose eine Menge neuer Freunde gefunden. Nicht zuletzt dank der FDP, und das macht, wenn wir mal ehrlich sind, echt keinen Sinn.
Spätestens, wenn wir tatsächlich wieder an der Regierung sind und beweisen, warum wir tatsächlich die neue Heimat des politischen Liberalismus in Deutschland sind - Orginalton Gabriel auf unserem Parteitag - wird auch die FDP wieder auferstehen. Und es sind Leute wie Ulf Poschardt, die bis dahin die Asche warm halten, so wie ich halt die rote Urne weitergetragen habe. Und ja, das ist alles ganz schön traurig.
Aber jetzt ist Wochenende, und jetzt kommt das Wetter.
Kommentare