An und für sich passt der Zeitpunkt des Rücktritts. Parteichef Rösler ist auf dem Tiefpunkt seiner politischen Karriere, farblos und ohne Konzept für die Zukunft.
Es war von Anfang an nicht verwunderlich, dass die FDP zunächst jemanden an ihre Spitze lobte, dem man den Sturz des Außenministers und Ex-Vizekanzlers (ein künstlich geschaffener “Posten”, der nach GG gar nicht vorgesehen ist) zuweisen konnte. Der “Königsmord” kommt bekanntlich nicht gut an; da schafft man sich Gegner, die nachtragend sind.
Es war auch absehbar, dass in der Zeit der Entlarvung der neoliberalen Ideologie von dem Nachfolger kein zukunftsweisendes Konzept zu erwarten war. Der Versuch, erneut mit “Steuererleichterungen” in der Krise zu punkten, musste scheitern.
Der Schulterschluss zwischen “Brüderle” und “Westerwelle” ist unübersehbar; die Verdrängung aus dem Wirtschaftsressort wirkte auf Brüderle wie eine Abstrafung. Damit hatten “Rösler” und “Lindner” die Beharrungskräfte der Altgedienten unterschätzt; ab da war er mit seinen unerfahrenen “Technokraten”, denen das Gespür für wichtige Themen fehlt, ziemlich alleine.
Die FDP-interne “Occupy-Bewegung” der Jung-Stars ist gescheitert; es mangelt an Weitsicht und an durchdachten Themen, aber auch an Kompetenz in Sachfragen.
Zu erwarten war, dass in der KRISE “Rösler” als Wirtschaftsminister so gut wie gar nicht bemerkbar ist. Es fehlen Konzepte und das Durchsetzungsvermögen, die wichtigen Themen öffentlich anzusprechen und Politik zu gestalten. Die Kanzlerin regiert mit ihrem Finanzminister alleine; sie ist in Europa und in der Welt unterwegs, um die “ökonomischen Probleme” zu lösen.
Dem Wirtschaftsminister fiel noch nicht einmal auf, dass die Sparprogramme für Griechenland die Konjunktur massiv beschädigt und dies der falsche Weg ist, wenn nicht parallel dazu das “Wachstum” bzw. die Voraussetzungen für Wachstum in Griechenland geschaffen werden.
Es war ihm anscheinend nicht bekannt, dass es bei der “Krisenbewältigung” immer um die richtige “zeitliche Abfolge” von Maßnahmen geht, um nicht das Gegenteil zu bewirken bzw. die KRISE noch zu verschärfen.
Hier hätte er eingreifen müssen, damit die Kanzlerin in der Öffentlichkeit “glänzen” kann und auch die FDP ihre Kompetenz in ökonomischen Fragen unter Beweis stellt, sofern vorhanden. Dazu fehlte allerdings der Mut und der Zusammenhalt in der Fraktion, die naheliegenden Forderungen nach einem Konjunkturprogramm für die EU anzusprechen. Selbst die Drohung mit dem Bruch der Koalition würde ihm niemand in der Regierung ernsthaft abnehmen.
Aber die Beobachter der Steigbügelhalter des neoliberalen Zeitgeistes, nämlich der FDP, wissen seit Jahren, dass die “Ideologie” nur von “Glaubenssätzen” lebt und außerhalb der Fähigkeit, Worthülsen zu repetieren, wenig Substanz vorhanden ist, schon gar nicht bezogen auf eine wie auch immer geartete “volkswirtschaftliche Kompetenz”. Da wundert es nicht, dass die FDP bei den Fragestellungen zur Bewältigung der KRISE (EU(RO)- und Bankenkrise) nicht vorkommt.
Jetzt wird unübersehbar, dass die Bundesregierung seit Jahren mit der Krisenbewältigung in Europa überfordert ist; es fehlen die “volkswirtschaftlich fundierten Vorschläge”, auch aus dem Wirtschaftsministerium. Und ein “Industriestaat” wie Deutschland kann sich an und für sich solche Lücken in der Führung eines Staates nicht leisten.
Da wäre die Frage berechtigt, was der “Generalsekretär” zur strategischen Ausrichtung der FDP beigetragen hatte? Anscheinend wenig; auch ihm fehlt der Weitblick, der alleine aus “technokratischen” Fähigkeiten nicht erwachsen kann. Das, was man als ERFAHRUNG und STANDING und persönliche Autorität bezeichnet, ist bei den zuweilen forsch wirkenden jugendlichen Politikern (noch) nicht vorhanden. Da kann man dann keine durchdachte Strategie erwarten, schon gar nicht in der Krise. Ein Dilemma.
Nicht unwesentlich ist, dass es der FDP seit Jahren an “sozialer” Kompetenz mangelt. Die Partei wirkt insgesamt kalt, ja zuweilen eiskalt, bezogen auf die Randgruppen in der Gesellschaft. Die mangelnde Empathie wirkt sich auch auf den sog. “Mittelstand” aus, der zumindest teilweise gar nicht so weit von den prekären Lebensverhältnissen entfernt ist.
Die FDP-Jünger hatten noch nicht einmal bemerkt, dass die “Randgruppen” im Mittelstand ein ganz anderes Gefühl für prekäres Dasein entwickelten, je nachdem wie nahe sie bereits selbst der prekären Situation waren. Denn der “neoliberale Zeitgeist” hatte auch vielen fleißigen Handwerkern und kleinen und mittleren Unternehmen inzwischen die Existenzgrundlage entzogen, ausgelöst auch durch die Politik der FDP, die die Förderung des Mittelstandes immer behauptete, aber in Wirklichkeit stets eine Politik für die oberen Zehntausend betrieb. Das musste irgendwann selbst dem dümmsten “neoliberalen Gläubigen” auffallen.
Daraus wird deutlich, dass auch dem Generalsekretär die Idee fehlte, wohin sich die FDP angesichts der Entlarvung des neoliberalen Zeitgeistes als gescheiterte Ideologie entwickeln sollte.
Und das ein “Arzt” mit grundlegenden “ökonomischen” Fragen überfordert ist, wundert nicht weiter. Rösler dürfte wahrscheinlich noch nicht einmal die “toxische Wirkung” von Zins und Zinseszins bekannt sein, um darauf konzeptionell reagieren zu können. Nach wie vor predigt die FDP die “Selbstheilungskräfte des Marktes”, die nur in der “Modelltheorie” funktionieren können und die in der realen Wirtschaft gar nicht vorkommen (können). Auf die FINANZKRISE, die kriminellen Geschäftsmodelle und die ethischen Verwerfungen (Spekulation gegen Nahrungsmittel) usw., findet die FDP keine angemessene Antwort. Die Marktgläubigen würden sogar die Ursachen der KRISE umdeuten, nur um an ihren seit vielen Jahren widerlegten Glaubenssätzen festhalten zu können.
Die FDP ist regierungsunfähig. Sie ist mit für die Umverteilung von unten nach oben verantwortlich, sie ist geradezu “blind” bezogen auf die tatsächlichen volkswirtschaftlichen Zusammenhänge und sie kann insofern nichts zum Wohle der Bürger beitragen.
Genau das haben die Bürger verstanden und der FDP eine Wahlniederlage nach der anderen bereitet, folgerichtig und konsequent.
Das Thema “Steuerreform” bzw. “Steuererleichterungen” in der KRISE ist geradezu absurd; aber ein anderes Thema kann die FDP nicht anbieten; ein Zeichen für das Unvermögen, sich neu zu orientieren.
Christian Lindner zieht sich jetzt zurück, weil er in dieser Konstellation nur scheitern kann; er will sich eine andere Zukunft nicht verbauen.
Von “schwächelnden” Parteivorsitzenden muss man sich distanzieren, das ist das Credo der Machtstrategie. Da kann man dann dem Vorsitzenden ein Stück der Schuld zuweisen, weil ja anscheinend die eigenen Ratschläge nicht angenommen wurden.
Aber das wird so leicht niemand dem scheidenden Generalsekretär abnehmen. Richtig ist vielmehr, dass er selbst wenig zur Neuausrichtung der Partei beitragen konnte, auch weil die “Mischung” des Personals nicht stimmte. Da gibt es zu wenig herausragende Persönlichkeiten, die ein zukunftsweisendes Konzept der Partei anbieten können. Die Pöstchen-Jäger bleiben lieber in Deckung, damit sie nicht angreifbar werden. Zu wenige weise Häuptlinge, zu viele (Karriere-) Indianer könnte man abschließend resümieren.