Fazerdaze: Nur für den Moment

Fazerdaze: Nur für den MomentFazerdaze
„Morningside“

(Groenland Records)
Es funktioniert tatsächlich. Wer also Lust auf ein kleines und harmloses Experiment in Sachen Autosuggestion hat, muß sich nur, sofern er oder sie solche Aufnahmen nicht vorm inneren Auge abrufen kann, durch ein paar Landschaftsaufnahmen aus Neuseeland googeln und hernach so oft wie möglich das aktuelle Album von Amelia Murray alias Fazerdaze hören. Die Tageszeit spielt dabei keine entscheidende Rolle – auch wenn der Titel des Albums Bezug zur aufgehenden Sonne nimmt, paßt die Platte ebenso gut zum Fade-Out am Ende des Tages. Die Kombination aus Klang und Kopfkino jedenfalls sollte alsbald zu einem Wohlgefühl und einer Leichtigkeit führen, wie man sie sonst nur nach einem mehrtätigem Wellnessurlaub zu spüren vermag. Oder eben bei einer Reise durch Neuseeland.
Wem Ähnliches schon mit der Musik der Sneaky Feelings, The Chills oder The Verlaines passiert ist, liegt nicht ganz falsch, gehören diese Bands doch, auch wenn ihre Glanzzeiten noch im vergangenen Jahrtausend verortet sind, unter den Sammelbegriff des Dunedin-Sounds, mithin also zu einem landestypischen Phänomen und Subgenre. Murray stammt zwar aus Auckland, hat aber Zeit ihres noch jungen Lebens die Liebe zum Dreampop und Shoegazing derart verinnerlicht, daß kein größerer Zeitsprung herauszuhören ist. Waren die Stücke ihrer selbstbetitelten Debüt-EP aus dem Jahr 2014 noch etwas weniger geschmeidig, unrund vielleicht, so kann man sich dem Charme und Zauber der neuen Stücke kaum entziehen – wie Murray im Video der ersten Single “Little Uneasy” auf einem Skateboard überaus lässig durch die Vorstadt rollt, später die Lust am Augenblick besingt, die jeden Gedanken, jeden Atemzug anhalten möchte – das hat schon eine bewundernswerte Qualität. Ab und an, wie bei “Friends” oder “Half Figured”, blitzt auch mal die Lust am ungezügelten Gitarrenkrach bei ihr durch, richtig nachgeben will sie dieser aber vorerst nicht.
Fazerdaze: Nur für den Moment
Und weil Fazerdaze bald auch nach Deutschland kommen, schnell noch ein paar Fragen an Amelia Murray:
Backpacker-Träume, Herr der Ringe, Whalerider, Rugby, das sind so die Sachen, die Westeuropäer, auch wir Deutsche, von Deiner Heimat Neuseeland gemeinhin kennen und interessieren. Kannst Du uns denn etwas zur Musikszene sagen, in der Du Dich bewegst?
Ha, Du hast Lorde und Flight Of The Conchords vergessen! Ich bin in der Szene rund um Auckland aufgewachsen, die größtenteils aus vielen einzelnen Soloprojekten besteht. Gemeinsam teilen und mieten wir uns dort Proberäume, und auch wenn jede/r seine/n eigenen Stil, seine eigenen Ziele hat, findet ein großer Austausch statt, spielen die Leute gleichzeitig in verschiedenen Bands, tauschen Songs, etc. Ich für meinen Teil wäre ohne die Hilfe der Künstler um mich herum, speziell Merk, Gareth Thomas, Tom Lark und Madeira wirklich aufgeschmissen.
Wie bist Du eigentlich zum Shoegazing gekommen?
Eine bewusste Entscheidung war das nicht, ich denke, ich habe mir eher die Musik gesucht, die zu meiner Stimme am besten passt. Mein Gesang ist ja eher ein leiser und verträumter und ich liebe es, ihn über die anderen Soundspuren zu legen.
Gibt es für Deinen Stil besondere Vorbilder, die Dir einfallen?
Als ich ein Teenager war, hat mir mein Bruder Mazzy Star vorgespielt und ich kann mich noch genau daran erinnern, daß ich Hope Sandovals Stimme schon damals einfach umwerfend fand. Ich denke, das hat meine Musik sehr beeinflusst, ich wollte immer, daß sie genauso entspannt und schön klingt wie dort.

Man hört Stücke wie „Half Figured“ oder „Friends“ – kann es sein, daß dahinter ein Mädchen steckt, das einfach nur laute Gitarren liebt?
Haha, stimmt – ich liebe diesen Lärm! Seit ich denken kann, habe ich Noise gemocht, irgendwie haben den aber immer die Männer gespielt. Ich denke, ein Teil von mir möchte zeigen, dass auch Frauen Spaß an an diesem Krach haben, daß auch Frauen diese Instrumente so spielen können.
Gitarre, Skateboard – vielleicht nicht gerade die üblichen Hobbies für ein Mädchen Deines Alters. Hattest Du denn früher Schwierigkeiten, Deinen Kopf durchzusetzen?
Eigentlich habe ich schon immer das gemacht, was ich wollte und glücklicherweise gab es gerade in der Musikszene genügend Freunde, die das gut fanden und mich unterstützten. Ich denke, es gibt mehr und mehr Frauen, die ihre eigene Musik produzieren, die noch dazu großartig klingt. Beim Skateboard liegen die Dinge ein wenig anders, in dieser Welt bin ich nicht so richtig drin. Aber ich verfolge beispielsweise mit Interesse die New Yorker All-Girl-Gruppe The Skate Kitchen, was die machen ist einfach unglaublich und ich kann nur jedem empfehlen, sich das mal anzuschauen.
Magst Du es, persönliche Erfahrungen Deines Lebens wie bei den Songs „Jennifer“ oder „Lucky Girl“ in den Texten zu verarbeiten?
Natürlich, die meisten meiner Songs sind wirklich sehr persönlich, fast schon wie eine Art Tagebuch. „Jennifer“ beschreibt das Ende einer Freundschaft aus Teenager-Tagen, „Lucky Girl“ wiederum handelt davon, wie undankbar wir sein können, auch wenn uns etwas Schönes geschenkt wurde.
Gibt es denn auch andere Dinge, über die Du gern schreiben würdest?
Noch lerne ich viel dazu, aber möglicherweise kommt mit der Zeit auch die Übung und dann werde ich auch über andere Dinge singen als über meine eigenen Gefühle …
Welchen Bezug hast Du zu Europa und wann werden wir Dich dort sehen und hören?
Oh, ich habe gerade einen Plattenvertrag bei dem Berliner Label Groenland Records unterzeichnet und es wird nicht mehr lang dauern, dann gehe ich auf eine längere Tour durch Deutschland, England, Schottland, Frankreich, Belgien und die Niederlande. Und ich freue mich wirklich auf diese tolle Erfahrung!
19.05.  Hamburg, Molotow
20.05.  Köln, Gebäude 9
27.05.  Neustrelitz, Immergut Festival

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