FAZ-Kassandra gegen eingebildete Gleichmacherei

Kassandra war bekanntlich jene Dame, die vor dem Inhalt eines gewissen hölzernen Pferdes warnte und auf die niemand hörte. Die FAZ-Redaktuere gefallen sich gerne in ihrer Rolle. "Ich habe es ja schon immer gesagt!" Wer stets den Untergang des Abendlandes beschwört, liegt wenigstens irgendwann mal richtig, und auf dem Weg dahin kann man sich im Weltenschmerz sulend immerhin der eigenen intellektuellen Überlegenheit versichern, was eine schöne Wiedergutmachung für die als Kassandra erlittenen Schäden sein dürfte. Aktuell beklagt man in Frankfurt die Inklusion und ihre ideologische Gleichmacherei. Dabei erreicht Christian Geyer in seinem Artikel dasselbe Niveau, das Kämpfer gegen die Gleichmacherei eines solidarischen Gesundheitssystems erreichen, gehen doch in einem solchen auch all die schönen Unterschiede zwischen Kranken und Gesunden, die unsere Gesellschaft ausmachen, zugrunde.
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Dabei zeigt Geyer vor allem zweierlei: erstens, dass er die Idee der Inklusion überhaupt nicht verstanden hat, und zweitens, dass seine Vorstellungen von den Segnungen einer Segregation zwischen Gesunden und Behinderten komplett der Borniertheit dessen entsprechen, der über die Probleme anderer schreibt. Ungefähr so wie jene Sozialreformer des 19. Jahrhunderts, die den Wert der ehrlichen Arbeit an der frischen Luft von den heimischen, behaglichen Schreibstuben aus priesen. Um was also geht es bei der "Inklusion", die derzeit immer mehr Haushaltsgelder auffrisst? Die Idee ist, dass Behinderte so gut wie irgendwie möglich in die Gesellschaft integriert werden, dass also versucht wird, ihre Behinderung nicht zum definierenden Faktor zu machen. Dazu gehört der Bau von barriefreien Eingängen (so dass körperlich Behinerte überall hineinkommen) als auch die Möglichkeit, am geregelten Leben teilzunehmen. Dies lässt sich etwa beobachten, wenn Blinden durch das Zurseitestellen von Sozialarbeitern und spezieller Hardware die Teilnahme am Regelunterricht ermöglicht wird. Gegen all dies wehr sich nun Geyer, der darin vor allem eine elende Gleichmacherei sieht, die den Behinderten nichts hilft, weil die ideologisch verordnete Ignoranz gegenüber den Behinderungen diese nicht verschwinden lasse. Ach was. Nur ist das Ziel der Inklusion auch nicht, die Behinderungen wegzuwünschen, sondern den Menschen trotz der Behinderung die gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen, von der Geyer sie im Namen der Diversität ausschließen will. Er verweist auf spezielle Schulen und Förderangebote, in denen die Behinderten effektiv glücklicher sind, weil sie sich dort unter Gleichen befinden. Mit demselben Argument könnte ich jegliche Integrationspolitik aufgeben und jede Kultur und Ethnie einfach zusammenstecken, weil sie unter ihresgleichen ohnehin glücklicher ist und die Gleichmacherei aller als vollwertige deutsche Mitbürger ohnehin nur ideologischer Krimskrams ist. Ist die Inklusionsbewegung völlig frei von idiotischen, teils ideologisch verblendeten Ideen und Forderungen? Vermutlich nicht, und die Frage, wer das eigentlich bezahlen soll, schwebt wie ein Damoklesschwert über allem, seit deutlich wird, wie teuer der Umbau des Landes mit Rollstuhlrampen eigentlich ist. Aber keine Bewegung ist je frei von Fehlern, auch die alt-ehrwürdige FAZ-Redaktion nicht. Das ändert aber nichts daran, dass die Grundidee der Inklusion eine richtige ist. Die sozialromantische Vorstellung, dass Gleiches zu Gleichem solle und dass dann die Leute schon irgendwie glücklcih wären, stammt aus der Mottenkiste vergangener Jahrhunderte. Unser Ziel muss eine freie Gesellschaft für alle sein, nicht nur für die Gewinner des genetischen Roulettes.

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