Faust in uns. Ein Theaterexperiment in Zittau

Regie: Andreas Neu

Schauspiel: Marie Golüke, Susanne Heubaum, Martin Langenbeck, Kathleen Prescher, Karl-Heinz Reiche, Armin Rößler

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Faust hab ich gelesen, das ist aber lange her. Ohne Wikipedia oder mein Bücherregal zu bemühen, haftet an den Rändern meiner Erinnerung nur noch grob die Geschichte eines Mannes in der Midlife-Crisis, der umsonst versucht der Welt wissenschaftlich zu Leibe zu rücken, mangels eines Sportwagens den Teufel angeht, diesem seine Seele verkauft und ziemlich rücksichtslos mit einem jungen Mädchen umspringt, das irgendwann einfach nicht mehr auftaucht und sich in der letzten Szene doch noch von Gott retten lassen darf. Sonst erinnere ich mich noch an meine Ehrfurcht gegenüber Goethes Sprachgewalt und daran, dass ich dachte: Jemand der so mit seinen Hauptfiguren umspringt, kann kein guter Mensch sein. Faust 2? Sei`s drum. Irgendein wirrer Traum, in dem Faust Helena vögelt. Selbstverständlich werde ich dem Faust damit nicht gerecht, aber leider bevorzuge ich damals wie heute andere Literatur.

 

Nun also Faust in Zittau. Ein Experiment. Allmählich bin ich der Experimente ein wenig müde, aber als sich der Saal als ehemaliger Vorlesungsraum für Elektrotechnik entpuppt, freue ich mich doch. Klotzig stehen die alten Generatoren im Raum und wenn das Licht ausgeht und die roten Lämpchen aufblinken, wird die Bühne zum futuristischen Friedhof und die Grablichter flackern.

Faust in uns. Ich in Zittau. Faust als Manager.Thema: Die moderne hastende Existenz, der die Leere auf dem Fuße folgt, wenn sich die Angst zum Rendezvous mit der Langeweile trifft.

Die Firma ist pleite, der Chef verkriecht sich auf dem Grabsteingenerator, das Koks ist alle und die Animateurin aus Rumänien wartet seit Stunden im Hotelzimmer. Auch in der Ehe läuft`s nicht mehr rund. Die Planung der Abendgestaltung wird zur Sinnfrage: Was will ich und woher kann ich wissen was ich will, wenn ich immer will was du willst. Und warum willst du auf einmal nicht mehr, dass ich will was du willst, sondern was ich will?

Die hilflos lethargische Ehefrau (Susanne Heubaum), liest ihren Text schon ab und knüpft beinahe an die Resignation der Katzelmacher-Damen an, während der notorisch überforderte Ehemann sich als Loriot Karikatur entpuppt. Das ist geschickt gemacht und amüsant anzusehen. Die Leere bleibt Sieger und Winner take nothing.

Rasant geht es weiter: Mit Aids-Monologen, Mephisto im Latexkleid, Hexenküche trifft auf Ballermann 6, Mephisto wird zum Kiffer im Hawaiihemd, die arme Marilyn ist ein weiteres Mal „Muster aller Frauen“, die Walpurgisnacht wird zur Talkshowrunde, und und und. Der Zuschauer wird mit Szenen, Anspielungen und Kostümwechseln überflutet, die Inhaltsangabe obsolet. Ein Protokoll könnte ich schreiben, aber das ist dann doch ein bisschen viel Arbeit und wen interessiert das schon?

Wäre das ein Film würde ich sagen, die Schnitte sind zu schnell. Szene folgt auf Kostümwechsel folgt auf Szene folgt auf Kostümwechsel. Dadurch wird sowohl eine Einfühlung in die Figuren verhindert, als auch eine tiefergehende Beschäftigung mit dem Stoff. Es ist ein bisschen wie Zappen. Ich hätte mir ein wenig mehr Verweilen gewünscht. Auch die Schauspieler wirken überfordert, spielen mehr Stereotype als Charaktere – und scheinen Schwierigkeiten mit Goethes Versmaß zu haben. Sobald die Schauspieler Originalpassagen rezitieren wirkt der Text auswendig gelernt, fast geleiert. Das stört und wirkt unprofessionell.

Dabei unterhält der Abend durchaus, er ist kurzlebig – und damit ist eigentlich auch schon alles gesagt.

Dass der Abend im Rahmen von Carreer Attack, als Förderprojekt für ostdeutsche Bundesländer läuft und www.karrierekonferenz.de als Webside angegeben wird, ist natürlich ein Zuckerl für den Zyniker.  


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