Farewell Mae - Abdankung und Beerdigung in Thailand Teil 2

Von Bankrutfarang
Der Trauerbegleiter kam dazu, die Familie nannte in Ajahn, was eigentlich Lehrer bedeutet. Ein Titel, welcher in Thailand nicht nur an eigentliche Lehrer, sondern an geachtete, gebildete Leute vergeben wird

Der Ajahn checkt, ob die Jungs auch schön brav sitzen.

Er organisiert das Weltliche und Verwaltungstechnische im Namen des Wats und der Mönche, arrangiert und organisiert die Gebete, begleitet die Zeremonien und ist Bindeglied zwischen Trauerfamilie und Wat. In unserem Fall machte er das freiwillig, nebenamtlich und unentgeltlich. Er sieht dies als seine Glaubensaufgabe. Gutes tun des Guten Willen.
Er managte perfekt, herzlich und mit viel Engagement. Ihm war es ein echtes Anliegen, dass ich den Sinn, der hinter den Zeremonien steckt, verstehe und nahm sich die Zeit, mir das Wesentliche zu erklären. Als wir ankamen begrüsste er uns und kondolierte. 

Danach fragte er meine Frau ob sie wisse seit wann sie sich kennen. Seit langem, aber so genau wüsste sie es nicht mehr. Er meinte, er wisse es auch nicht mehr. Aber er kenne meine Frau spätestens seit sie alt genug war, Mangos und Farang, bei uns als Guave bekannt, von den Bäumen seiner Familien zu stibitzen. Der Ajahn lächelte, ging kurz weg und kam mit einem Teller voller Mangos und Farang zurück und meinte: „Du brauchst sie nicht mehr zu stehlen, ich schenke sie dir.“

Lichterketten auf dem Weg ins Paradies

Auf einem Podest, eher Altar, umgeben von vielen Blumenarrangements und -kränzen, war Mae in ihrem letzten Ruhebett aufgebahrt. Der verschlossene Sarg von Mae war rechteckig, kubisch breiter, höher als bei uns und verziert mit Buddhistischen Symbolen. In und um die Blumen wie auch um den Sarg waren Lichterketten arrangiert. Einige weiss, einige farbig. Ein paar davon blinkend. 

Ein paar Lichterketten müssen schon sein.

In der Schweiz empfinde ich eine Aufbahrung als dunkel, schwer, düster, traurig und irgendwie beängstigend. Es löst ein Gefühl der Beklommenheit aus. Es ist so endlos endgültig und vermittelt das Kommende als ungewiss und dunkel, obwohl wir doch alle in den Himmel auffahren und ins Paradies kommen, oder so. Vielleicht nicht alle, aber die Meisten.Hier aber ist vieles ganz anders. Mae war in freundlicher, heller, positiv ausstrahlender Umgebung. Die hellen Farben der Einlageplatte, die goldenen Ornamente, die farbenfrohen Blumen, welche mit ihrem Erblühen und Verwelken die Vergänglichkeit und den nie endenden Fluss der Veränderung zeigen. 

Keine schwermütige Trauer

All das vermittelte das Gefühl, dass es nicht zu Ende ist, kein endgültiger Abschied. Es weckte den Gedanken, das Mae lediglich ihren von der Natur geliehenen Körper zurückgegeben hat, Asche wird zu Asche und Staub zu Staub. Sie selber transformiert in eine andere, höhere Ebene. Ein Teil bleibt hier und wird in Herzen und Gedanken ihrer Lieben bleiben und in schweren Zeiten beistehen. Es nimmt die Bedrücktheit, wirkt positiv, die Trauer bleibt. Allerdings hatte ich das Gefühl, das die Trauer weder bei meiner Frau noch bei ihren Geschwistern einen bleiernen Mantel umlegen konnte. Die Gedanken und Gespräche waren während diesen Tagen vorwiegend auf Mae konzentriert, aber nicht ausschliesslich und nur selten schwermütig.Nach der Begrüssung der Familie brachten wir Mae unsere Ehrerbietung. Meine Frau und ich zündeten, vor dem Altar, ein Räucherstäbchen an, hielten es im Wai. Man begrüsst die Person, spricht leise oder spricht in Gedanken gute Wünsche, ein Gebet oder konzentriert sich auf die Person und die Erlebnisse mit ihr. Danach wird der Stick in das dafür vorgesehene, mit Sand gefüllte Gefäss gesteckt. In der Mitte des Gefässes brennt und raucht ein langer, dicker Räucherstecken. Dieser wurde zu Beginn der Trauerfeier angezündet und wird mit Beginn der Kremation ausgelöscht. Neigt er sich dem Ende zu wird ein Neuer entzündet bevor der Alte erlischt.

Wasser giessen und andere Rituale

Bevor man sich vom Altar entfernt, kniet man davor und verbeugt sich einmal mit dem Oberkörper tief, bis die Nasenspitze den Boden berührt, dabei legt man seine Hände auf den Boden. Dieses Ritual machten meine Frau und ich von nun an bis zum Tag der Kremation. Jedes Mal bei unserer Ankunft und bevor wir nach Hause fuhren.

Bei einem der Rituale - der ThaiTuri hat die Nase weit vorn.

An diesem Abend, im Beisein von Trauergästen, von denen jeden Abend viele kamen, beteten die Mönche, fünf an der Zahl, für Mae. Es wird ihr versichert, dass die guten Wünsche von uns sie begleiten und wir ihr die Befreiung von allen Leiden wünschen. Aus meiner Kultursicht, den Einzug ins Paradies. Danach zelebrierte die Familie mit den Anwesenden „Wasser giessen“,wie ich es nenne. 

Dabei wird aus einer kleinen, dünnhalsigen Karaffe Wasser in eine Schale gegossen. Das wird gemacht, während die Mönche ein Gebet sprechen. Das Wasser wird ununterbrochen und sehr langsam fliessend in die Schale geträufelt. Die restlichen Familienmitglieder sitzen um die jeweilige Person herum und berühren sie mit der Hand an Schulter, Arm oder Hand und sind so miteinander verbunden. Dadurch wird der Verstorbenen Anteil an seinen Verdiensten mitgeben: Alles gute was ich getan, gedacht oder durch mich bewirkt, geschehen ist, gebe ich dir mit auf den Weg. Dieses Gute aus meinem Karma soll deinem Karma beigefügt werden.

Ein Ventilator muss schon mit

Am darauf folgenden Abend fand eine weitere Gebetszeremonie statt. Diesmal gab die Familie Mae Gegenstände für ihren weiteren Weg mit. Ein Ventilator fehlte ebenso wenig wie ein Gaskocher und Kochgeschirr. Lebensmittel, damit sie ihr Lieblingsessen kochen kann. Alles wird nach und nach einem Mönch übergeben, der sie dann zur Verstorbenen transformiert. Die Gegenstände selbst bleiben allerdings auf der Erde und werden dem Wat gespendet.

Gaben für die weite Reise.

Ich deute dies so: Zuvor haben wir uns von Mae als Mensch verabschiedet und unsere guten Wünsche mitgegeben. Jetzt geben wir, nachdem der Geist oder die Seele von Mae sich von ihrem Körper und dem irdischen Dasein getrennt hat, das mit, was sie oft brauchte oder wir an ihr liebten. Damit zeigten wir ihr und uns, dass sie nach dem Abschied aus dem Leben weiterhin bei uns ist. Das macht man in Verbundenheit und Einklang mit dem Buddhistischen Glauben. Ein weiter Schritt der Trauerarbeit. Als Mensch gegangen, die Verbundenheit bleibt erhalten.

Was man tut, tut man richtig

Am Ende der einzelnen Gebetszeremonien werden von ausgesuchten Personen den Mönchen Geschenke übergebe. Neue Mönchsroben, Geld, Blumen. Der Ajahn rief dann jeweils die Namen der Person auf, der die Ehre hatte die Gaben den Möchen zu übergeben. 

Am zweiten Abend irgend etwas auf thailändisch und „Peter from Switzerland“. Klar, er meinte mich, ebenfalls offensichtlich, erhielt ich die Ehre. Für den Moment blieb mir aber ungewiss wofür, wie und ob sich das denn mit meinem Verstand vereinbaren lässt. Was man tut, tut man ja richtig und täuscht nicht vor.Die Gabe dem Mönch übergeben, sich dreimal tief verbeugen und mit einem Wai an den Mönch beenden. Dabei darauf achten, dass er korrekt ist. Während dem bedankte ich mich in Gedanken für all das Gute, das Mae und Ihre Familie in diesen Tagen erfahren durfte. Mein Name wurde dann noch einige Male aufgerufen. 

Fürs neue Verhältnis mit der Mutter

Am Sonntag dem dritten Tag nach unserem Eintreffen fand früh morgens ein Gebet mit neun Mönchen statt. Nur der enge Familienkreis war anwesend. Innerhalb dieser Gebetszeremonie  wurden den Mönchen Speisen übergeben, als Handlung im Namen von Mae Gutes zu tun. Nach dem Gebet und der Übergabe der Speisen assen die Mönche in unserem Beisein. Wir selbst nach den Mönchen. Meine Frau meinte, von nun ist es das, was sie von Zeit zu Zeit für Mae tun werde. In den Wat gehen und den Mönchen Gutes tun. Als Symbol. Alles was sie fortan im Leben gut mache mache sie für Mae und alle die ihr wichtig sind. Mit diesem Gedanken war wohl ein weiterer wichtiger Schritt der Trauerarbeit erfolgt und der erste Schritt in das künftige Verhältnis zur Mutter getan. 

Buddha's Kleiderordnung

Am Nachmittag fand dann die Abdankungsfeier statt. Diese ist im Wesentlichen wie im Christentum. Es wird der Verstorbenen gedacht, ein Rückblick über ihr Leben und Wirken. Die Feier wird von Buddhistischen Gebeten begleitet. Danach folgt die Robenspende. 

Während der Robenspende.

Ein rotes Band führt vom Sarg zu einem Tisch. Der älteste Sohn oder der älteste Enkel übergeben angesehenen Personen, bei uns war es ein Arzt, ein Polizei Major und zwei mehr, im Namen der Familie eine Mönchsrobe. Diese übergeben sie dann einem ehrenwerten Mönch. Der Mönch legt die Robe auf das rote Band. Dabei berührt er sie weiterhin. Wie bei einem Gebet hält er eine Art Fächer vor sein Gesicht und wendet sich somit von den Anwesenden ab, erhöht damit seine Konzentration. Diese Roben sind für die Mönche sehr wertvoll. Sie erfüllen den Ursprung der „Kleiderordnung“von Buddha.

Sarg tragen als Farang unter Thais

Zum Schluss der Abdankung nehmen die Trauergäste eine Papierblume laufen am Sarg vorbei und legen sie am Ende ab. Ein letzter Gruss für die  Verstorbene. Nach der Abdankung, nur im engen Familienkreis, wurde der Sarg von Mae auf den Schultern der Männer zum Krematorium getragen und dort dem Feuer übergeben. 

Bekanntlich sind viele Thais nicht so gross. Ich lief in der Mitte der einen Reihe. Ungünstig, wenn der Vorder- und Hintermann kleiner sind. Es bleibt der letzte Stoss ins Feuer. Das zu tun ist nicht einfach und überfordert manche. Aber man tut was zu tun ist. Dann schliesst die Klappe und das Gefühl, Mae als Mensch ist gegangen, erwacht. 

Nichts ist endgültig

Am Tag darauf holten wir die Urnen ab. Die Asche wurde getrennt, ein kleiner Teil kam in ein silbernes Gefäss. Diese kleine Urne steht nun im Haus der Verstorbenen zusammen mir ihrem Foto. Ein kleiner Altar wurde dafür eingerichtet. Der grössere Teil der Asche wurde auf einer kleinen Insel dem Meer übergeben. Die Trauerfeier ist vorbei. Die Trauerarbeit ist damit nicht beendet, jedoch scheint mir, viel, viel weiter als das bei uns möglich ist.Es sind intensive Tage die helfen, Stück für Stück den Abschied zu verarbeiten und die neue Verbindung zum Verstorbenen aufzubauen. Mich haben diese Tage tief und positiv beeindruckt. Vor allem habe ich tiefer verstanden, dass nichts endgültig und absolut ist, selbst der Tod nicht.