Ja, richtig gelesen: Jakobsweg im Plural! Fälschlicher Weise wird der Jakobsweg meist nur mit dem Camino Francés in Verbindung gebracht. Diese Route nach Santiago de Compostela ist zwar die mit Abstand am meisten begangene - aber eben nur eine unter Dutzenden! Um eine Vorstellung zu haben, wie der Andrang auf den Jakobswegen aussieht, habe ich das einmal anhand der Angaben für 2013 (laut Pilgerbüro in Santiago) grafisch veranschaulicht. Die Grafik lässt erahnen, wo man am ehesten auch in der Hochsaison einen Platz in der Herberge bekommt.
Wie kommt am am besten zum Ausgangsort?
Ganz klare Antwort: Mit dem Flugzeug. Keiner der möglichen "klassischen" Ausgangsorte liegt weiter als eine Halbtagesreise von einem Flughafen entfernt, der mit einem Billigflieger angesteuert werden kann. Bus und Bahn ab Deutschland sind viel umständlicher - und deutlich teurer!
Was sollte man unbedingt mitnehmen?
So wenig wie möglich! Als Faustregel für das Gesamtgewicht von Rucksack nebst Inhalt mag gelten: Zehn Prozent des eigenen Körpergewichts. Im Zweifel lieber unterwegs etwas kaufen als unnützen Ballast herumschleppen. Woran nicht gespart werden sollte: Hochwertige Trekking-Stiefel (knöchelhoch und gut eingelaufen!) und -Socken sowie ein zum Rücken passender Rucksack. Für gutes Schuhwerk ( Beispiel
) sollte man 150 Euro bis 200 Euro einplanen, brauchbare Trekking-Socken ( Beispiel
) gibt es ab ca. 15 Euro aufwärts und in einen soliden Rucksack ( Beispiel
) muss man rund 120 Euro bis 180 Euro investieren. Beides sollte man unbedingt anprobieren.
Auch wenn „Experten" zu lediglich einer Hose raten: Es ist kein Vergnügen, nach einer Tagesetappe im Regen in nasser Hose und/oder Hemd (T-Shirt) herumsitzen zu müssen. Falls die Herberge ungeheizt ist und draußen weiterhin kühles Regenwetter herrscht, wird auch die beste Funktionshose über Nacht nicht wieder trocken. Deshalb: Zweite Hose und mindestens drei Paar Socken (eines an den Füßen, eines als Reserve und ein drittes darf dann mal getrost nass bleiben).
Gute Wanderstöcke (wenigstens einer) sind kein Aushängeschild Gebrechlicher, sondern sehr nützlich, wenn es öfter bergauf- und bergab geht.
Bei Regenkleidung scheiden sich die Geister. Ein wirklich wasserdichtes Cape sorgt dafür, dass man im eigenen Schweiß badet. Und bei 30 km im Dauerregen weicht irgendwann auch die teuerste Outdoor-Jacke durch. Wir sind geteilter Meinung: Ich nehme keine Regenkleidung mit - dafür einen Schirm. Mein Preis dafür sind klatschnasse Hosen. Andrea benutzt ein Cape, schwitzt dafür tüchtig. Wer sich für ein Cape entscheidet, sollte eines wählen, unter das auch der Rucksack gut passt.
Wer in Pilger-Herbergen zu übernachten gedenkt, sollte einen leichten Schlafsack mit geringem Packmaß ( Beispiel
) nicht vergessen. Nicht immer sind Decken vorhanden. (Alle genannten Beispiele haben wir selbst in Gebrauch!)
Je weniger Haare auf dem Kopf sind, umso wichtiger wird eine Kopfbedeckung - vor allem bei sengender Hitze! Für alle wichtigen persönlichen Dinge (Personalausweis, Krankenversicherungskarte, Plastikgeld, Bargeld, Tickets, Schlüssel) sollten entweder genügend Jacken- und Hosentaschen oder aber eine kleine Hüfttasche vorhanden sein. Wenn die Kompaktkamera und das Smartphone (oder gar noch Zigaretten und Feuerzeug) hineinpassen - umso besser. Ich habe mich gegen eine Hüfttasche ( Beispiel) lange gesträubt, möchte sie jetzt aber nicht mehr missen.
Funktions-Unterwäsche und -Hemden oder T-Shirts sollten ebensowenig fehlen wie leichtes Schuhwerk für den Abend (Herberge/Hotel). Für kühle Tage: Langärmeliges Hemd! Bei Hitze lässt sich daraus auch ein kurzärmeliges Hemd machen - umgekehrt funktioniert das nicht. Eine Sonnenbrille dürfte ebenso hilfreich sein wie ein Minimum an Medikamenten. (Wenn die Kopfschmerzen am Mittag dröhnen, nützt die 15 km entfernte Apotheke wenig!)
Äußerst hilfreich für unterwegs sind eine Wäscheleine und Klammern. Mit letzteren lassen sich auch mal an einem sonnigen Tag das noch feuchte T-Shirt oder die Strümpfe am Rucksack befestigen und trocknen. Was wir zuletzt auf der Vía de la Plata dabei hatten ( Packliste).
Definitiv: JA! Es gibt vielfältige Möglichkeiten, sich einen Pilgerpass ausstellen zu lassen (zu höchst unterschiedlichen Preisen). Wir können die Fränkische St. Jakobus-Gesellschaft in Würzburg nur uneingeschränkt empfehlen. ( Link) Ohne Pilgerpass kein Einlass in die Herberge - so einfach.
Welchen Weg sollte man beim ersten Mal gehen?
Auf gar keinen Fall den Camino Francés in den Sommerferien! Und schon gar nicht lediglich seine letzten 100 km (um die Compostela zu erhalten). Dieser Weg gleicht eher einer Autobahn als einem Pfad im Grünen. In der Hochsaison laufen einige am frühen Morgen wie die Windhunde los, um am Mittag ein Herbergs-Bett belegen zu können - selbst Hotels können dann schnell ausgebucht sein.
Wir waren im vergangenen Jahr vom Caminho Português begeistert - wer von Porto bis Santiago de Compostela gehen möchte, schafft dies in zwei Wochen ( Lesestoff). Aber auch hier herrscht im Sommer viel Andrang. Auch der eher selten gegangene Camino Inglés (108 km von Ferrol nach Santiago) ist für Anfänger empfehlenswert. Beide Wege bieten ein abwechslungsreiches, nicht wirklich schwieriges Streckenprofil und unterwegs Einkehrmöglichkeiten. Diese Wege sind zudem gut geeignet für alle jene, die nur einen begrenzten Zeitrahmen zur Verfügung haben.
Wer richtig gut zu Fuß ist und bergige Strecken nicht als Schwierigkeit sieht: Der Camino Primitivo (ursprünglicher Weg) ist ebenfalls ein guter Einstieg ins Pilgerdasein. Wer erstmals längere Strecken gehen wird, sollte allerdings vom Camino Primitivo Abstand nehmen.
Der Camino de la Costa (auch Camino del Norte) gehört zu den längsten - aber auch schönsten Wegen. Anfängern würden wir ihn aber ebensowenig empfehlen wie die Vía de la Plata ( Lesestoff).
Das hängt von der Strecke selbst und der individuellen Kondition ab! Es gibt einige wenige Strecken, die man nicht teilen kann, da unterwegs keine Herbergen vorhanden sind. In seltenen Fällen sind 35 km dann unvermeidlich. Ich kann und will nur für uns sprechen: Wir finden (schönes Wetter vorausgesetzt) alles bis 20 km schön, bis 25 km problemlos, bis 30 km noch erträglich. Jenseits der 30 km wird es unerquicklich. Läuft man im Dauerregen (womöglich noch mit ordentlich Kantenwind), dann sind 15 km schnell eine Qual! Unser Tages-Mittelwert lag in den letzten beiden Jahren bei ca. 20 km - kürzeste Strecke 14 km, längste Etappe 33 km.
Wieviel Geld sollte man pro Tag einplanen?
Wenn ich noch immer lese, dass man mit 50 Euro pro Woche unterwegs auf dem Jakobsweg auskommt, bekomme ich Schreikrämpfe. Das ist definitiv Traumtänzerei! Bei sparsamster Lebensweise mögen 170 Euro für zwei Menschlein noch angehen, aber 50 Euro für einen Einzelpilger verweise ich ins Reich der Fantasie. Sechs Euro für einen Schlafplatz in einer Herberge machen bereits 42 Euro - wie man sieben Tage lang für weniger als acht Euro essen & trinken soll, wird das Geheimnis von Schwachmaten bleiben. Aber vielleicht frisst ja mancher unterwegs grünes Gras und trinkt aus völlig unklaren Quellen???
Realistisch sind ganz andere Beträge. Da auch Herbergen inzwischen bis zu zwölf Euro für einen Schlafplatz aufrufen, sollte man sicherheitshalber pro Tag mit acht Euro kalkulieren. Macht round about 50 Euro in der Woche. Auch wenn man ausschließlich im Supermarkt einkauft, kommen pro Tag wenigstens fünf Euro zusammen. Ob es freudvoll ist, so zu leben, mag dahin gestellt sein - es ginge theoretisch. Macht weitere rundgerechnete 35 Euro. 85 Euro wären also die absolute Untergrenze. Da fällt dann aber Kaffee ebenso aus wie eine warme Mahlzeit! Ganz zu schweigen vom kühlen Bier oder einem Glas Rotwein. Besichtigungen jedweder Art sind ebenfalls gestrichen. 50 Euro/Woche sind für alle diejenigen nicht machbar, die gern und oft nach ausgewogener Ernährung krakeelen. Von einem (sehr billigen) Kilo Orangen kann man schlecht einen Tag lang satt werden. Btw: Ein halbes Bocadillo mit Schinken (oder mit Käse) samt einem Milchkaffee am Morgen - schon sind die ersten 5 Euro weg - und der Tag noch lang!
Spanischen Angaben zufolge hat jeder Pilger im Jahr 2013 38 Euro pro Tag ausgegeben. Vergleiche ich unsere Kosten 2014 und 2015 mit denen anderer Pilger, die wir unterwegs sprachen, so ist dies ein wirklich realistischer Betrag, der dem wahren Dasein auf dem Jakobsweg entspricht.
Wir haben Herbergen stets nur dann aufgesucht, wenn es unvermeidlich war. Zu den "offiziellen" Pilger-Herbergen haben sich in den vergangenen Jahren zahlreiche private hinzu gesellt. Sie bieten in der Regel mehr Komfort und dafür weniger Schlafplätze. Meist geht es dort auch sehr familiär zu. Die Preise liegen nur geringfügig höher. Für Einzelpilger bieten sich aus Kostengründen dennoch die Herbergen an.
Wer zu zweit unterwegs ist, kann getrost Hotels aufsuchen, die im Durchschnitt 30 Euro bis 40 Euro kosten (DZ). Die Privatsphäre nach einem teils anstrengenden Tag ist den finanziellen Mehraufwand in jedem Fall wert! Man muss sich nicht um WC und Dusche "schlagen" und auch keine Schnarcher ertragen. Die allermeisten Hotels kommen Pilgern preislich entgegen, einige haben bereits attraktive Pakete geschnürt (Foto).
Die meisten Herbergen haben eine "Hausordnung", die nicht jedem Individualisten entgegen kommt. Auch gilt: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Wenn man tagsüber gern auch mal eine längere Pause macht, wird man abends häufig das Nachsehen haben. Wer zudem glaubt, in Herbergen werde nicht gestohlen, der träume weiter.
Allein oder zu zweit pilgern?
Wer schon immer lieber allein reiste, sollte auch auf den Jakobswegen von dieser Marotte nicht abweichen. Vorteile: Man kann sich den Tag und die Etappen einteilen wie man es möchte, ohne auf jemanden Rücksicht nehmen zu müssen. Nachteile: Höhere Kosten, kaum Kommunikation unterwegs.
Wenn man zu zweit (oder gar in einer Gruppe) auf dem Jakobsweg gehen möchte, sollte bereits mehrfach anderweitig erprobt sein, dass man es zusammen aushält! Unterwegs feststellen zu müssen, dass die Chemie eben doch nicht stimmig ist - Horror! Vorteile: Man kann gerade bei der Übernachtung sparen (DZ). Auch Ausrüstung, die man sonst allein tragen müsste, kann man auf mehrere Schultern verteilen. Man hat unterwegs stets Gesprächspartner und kann sich gegenseitig helfen. Gemischte Schlafsäle ertragen sich mit Vertrauten leichter als allein (vor allem für Frauen).
Nein. Man kann sich den Camino Francés oder die Vía de la Plata einteilen wie man es gern möchte. Ob man drei oder fünf Abschnitte auf Jahre verteilt geht, ist egal. Wer in Santiago die Compostela (Pilgerurkunde) ausgehändigt haben möchte, muss lediglich die letzten 100 Kilometer am Stück laufen (gilt auch für Reiter; Radpilger müssen mindestens die letzten 200 Kilometer fahren).
Ist es erforderlich Spanisch zu sprechen?
Zentausende Pilger gehen jährlich auf Jakobswegen - ohne Spanisch zu sprechen. Es ist möglich, aber wenigstens rundlegende Spanisch-Kenntnisse erleichtern den Pilger-Alltag ungemein. Mit Englisch kommt man vergleichsweise weit, aber nicht überall hin. Die wichtigsten Vokabeln zum Gebrauch einer Speisekarte sind ebenso nützlich wie einige Höflichkeitsfloskeln in Spanisch.
Wie lange vorher sollte man mit dem Wander-Training beginnen?
Auch wenn es jetzt verwundern mag: Gar nicht! Wichtig sind eingelaufene Schuhe, mehr nicht. Wer über ein Mindestmaß an Fitness verfügt, kommt klar. Die Füße schmerzen Trainierten ebenso wie Untrainierten! Und der Muskelkater ist spätestens am 4. Tag verschwunden. Wer sich unterwegs längere Pausen gönnt, sollte Schuhe und Strümpfe dabei ablegen - die Füße danken es.
Schreibender vielreisender Backpacker und Reisemobilist