Samstag vor acht Tagen nahm mich ein Freund mit zu einer alten Dame, die bald ihren 100. Geburtstag feiern kann. Sie saß in ihrem Schaukelstuhl auf der Terasse vor dem Haus. Typisch für Havanna: Die Terasse war von einem festen Gitter umgeben, die Gittertür abgeschlossen. Sie reichte – ohne aufzustehen, denn das fällt ihr anscheinend schwer – meinem Begleiter den Schlüssel durch das Gitter, er schloss auf, so dass wir den Terassen-Käfig betreten konnten. „Kann ich Robert das Fotoalbum zeigen ?“ fragte mein Freund höflich. „Du weißt doch, wo es steht. Warum fragst du ?“ war die etwas brummige Antwort.
Schwarzweiß-Fotos aus den 1930er bis 1950er Jahren. Ich bin fasziniert, denn die Fotos zeigen genau denselben Lebensstil, dieselbe Mode und dieselben Möbel (Nierentische in den 50ern), den ich auch von meinen Großeltern oder von anderen alten Fotos auf der europäischen Seite des Atlantischen Ozeans kenne. Ein paar Unterschiede fallen mir immerhin auf: Jeden Sommer drei Monate Ferien (in Matanzas am Strand, 50 km von hier) hätten meine Großeltern sich nicht leisten können. Und auf dem Brautfoto (der Bräutigam fehlt seltsamerweise, obwohl die Ehe über 50 Jahre lang bis zu seinem Tod gehalten hat) sieht sie so überirdisch-kitschig aus, dass ich an eine Fatima-Madonna denken muss. Und fünf Männer in weißen Anzügen mit breiten Hüten zu Pferd wird man auch nicht in vielen deutschen Alben finden.