Es hatte sich bereits in den vergangenen Fällen angedeutet: Alexander Bukows Beziehung muss scheitern. Der Kommissar aus Rostock, wieder einmal famos gespielt von Charly Hübner (überhaupt einer unserer besten Darsteller!), wird eines Tages dahinter kommen, dass seine Frau Vivian (Fanny Staffa) ihn nicht mehr möchte. Sie turtelt mittlerweile lieber mit Bukows Kollegen Volker (Josef Heynert) herum. Und das trotz zweier Kinder.
Im aktuellsten Polizeiruf „Familiensache“ kommt das schmutzige Geheimnis nun heraus – wie passend, dass der vorliegende Kriminalfall sich ebenfalls um eine ähnliche Problematik kümmert. Ein (nerviger) Kniff, den man oft in Krimis sieht. Polizisten-Schicksal verbindet sich – rein zufällig natürlich … - mit Fall-Thematik. Aber das bleibt glücklicherweise der einzige, kleine und diesmal auch verkraftbare Schwachpunkt eines ansonsten schwer zu verdauenenden Rostock-Polizeirufs.
Lieben beide die Bukows Frau: Volker (Josef Heynert, v.) und Bukow (Charly Hübner) ©NDR/Christine Schroeder
Arne Kreuz (preisverdächtig: Andreas Schmidt) ging´s bis vor ein paar Monaten super: guter Job, schöne Frau (Laura Tonke), drei Kinder. Das Leben läuft prächtig. Doch dann kommt´s knüppeldick: Er verliert seinen Job, seine Frau mit Anhang ziehen auch aus. Schulden hat er jetzt auch – sowohl beim Vermieter als bei den Steuerbehörden. Und den Kredit für den geplanten Hausbau gibt ihm auch niemand. „Dein Leben läuft gut, mein Leben läuft Amok“, sang Kraftklub einmal. Das ist auch das Motto von Arne Kreuz. Irgendwas in seinem Kopf hatte dann wohl einen Kurzschluss und er kam auf die grandios-dumme Idee: Wenn´s bei mir scheiße läuft, dann darf es bei euch auch nicht gut laufen. Erst bringt er folglich seine Frau um, dann auch seinen jüngsten Sohn. Für Bukow und seine Ermittlerkollegin Katrin König (auch gut: Anneke Kim Sarnau) samt Team beginnt ein Wettlauf mit der Zeit: Die anderen beiden Kinder und auch die Schwiegereltern sind schließlich noch irgendwo da draußen – und nun die Zielscheibe von Arne...Kaum auszuhalten!
Das ist die erste Reaktion auf diesen 90-Minüter. Ein Vater, der alles verliert, will seine eigene Familie mit ins Unglück stürzen. Erweiterter Suizid – ein Thema, das alleine schon beim Lesen schwer über die Lippen kommt. Was Regisseur Eoin Moore aus diesem Thema macht, das ist ebenfalls - schwer zu gucken. Ob das nun positiv oder negativ gemeint ist, das muss jeder für sich selbst entscheiden. Schon lange fesselte ein Sonntagskrimi nicht mehr so, schon lange litt man nicht mehr so mit den Figuren und Ermittlern, schon lange war ein Sonntagskrimi nicht mehr so dermaßen mitreißend. (der Murot-Tatortvor ein paar Wochen war zwar auch superb, aber in anderer Art & Weise)
Der Hauptprotagnoist: Familienvater Arne Kreuz (Andres Schmidt) hat wirklich alles verloren! ©NRD/Christine Schroeder
Und das fängt beim (vermeintlichen) Bösewicht an. Moore, der auch das Drehbuch schrieb, geht weniger den tieferen Beweggründen für die abscheulichen Taten nach – die liegen schließlich auf der Hand -, vielmehr konzentriert er sich auf eine Charakterisierung dieses Verzweifelten und versucht ein Bild der gescheiterten Beziehung zu skizzieren. Als er beispielsweise aus dem Kredit-Büro kommt, man in Einblendungen sieht, wie sehr er sich mit dem Kredit-Vergeber gefetzt hat, sich dann in seinen Miet-Wagen setzt und an seiner Zigarette zieht, da weiß man: Der innere Vulkan ist ausgebrochen, der mörderische Plan gefasst. Besonders Schmidts übernatürlich guter Darstellung ist das zu verdanken.
Komplett gegensätzlich hierzu platziert Moore dann klugerweise Heile-Welt-Szenen: Neu-Macker, Schwiegereltern, Kinder und Ex-Perle sitzen gemütlich beisammen – das letzte Abendmahl sozusagen. Auf der dritten Seite sind da die Kommissare, die das Dienstjubiläum des Polizeichefs ausgiebig zelebrieren. Hier ist die Welt in Ordnung, bei Arne dagegen ganz und gar nicht. In der Folge dürfen dann Ex-Frau, Schwiegereltern und auch Neu-Macker seiner Verflossenen berichten, was für ein überaus schlechter Mensch er in der Beziehung doch gewesen sei. Ob das wirklich so war? Das wird nicht geklärt, aber man merkt dabei in jedem Augenblick wie sehr dieser Arne Kreuz leidet - und auch, wie sehr er seine Familie eigentlich liebt. Seine Familie liebt auch Bukow. Dieser muss mit Volker sogar noch auf Mörderjagd gehen – ein heikles Unterfangen bei der ganzen offenbarten Vorgeschichte. Aber er will um seine Liebste(n) kämpfen. Ob er diese dann in einem der nächsten Fälle auch umbringt? Man will es nicht hoffen. Man darf nur hoffen, dass sich der Film dann aber wieder um einen anderen Fall kümmert. Dass sich Vivians Wahrheit in den vergangenen Fällen angekündigt hatte und gerade in einer Ausgabe mit der selben Problematik ihren Höhepunkt findet, darf man als clever konstruiert bezeichnen – für mich wirkte es dann doch eher etwas bemüht. Im Gegensatz zu vielen anderen vergleichbaren Krimis aber, und das sollte man Moore hoch anrechnen, hatte die verknüpfte Ermittler-Geschichte bereits einen Hintergrund und wurde nicht erst während des Abends via Rückblendungen oder ähnlichem Dünnpfiff neuerschaffen.
©ARD
Letztlich überwiegt vor allem die Eindrücklichkeit des Filmes. Einige Szenen bleiben dabei besonders im Gedächtnis: Arnes Schwester erfährt von seinen Gräueltaten und liegt heulend auf dem Sofa und findet kein Ende. Bukow und König merken das auch schnell. Und der Anblick der noch liebevoll „dekorierten“ Leichen an den Tatorten hinterlässt ebenfalls ein eher ungutes Gefühl bei Zuschauer und Ermittlern. Das sind alles Szenen, die im Gedächtnis bleiben – Szenen, die diesen Sonntag zu nichts für Nervenschwache machen.BEWERTUNG: 09/10Titel: Polizeiruf 110: FamiliensacheErstausstrahlung: 02.11.2014Genre: KrimiRegisseur: Eoin MooreDarsteller: Charly Hübner, Anneke Kim Sarnau, Josef Heynert, Andreas Schmidt u.v.m.