“Falsches Spiel mit Roger Rabbit” (1988)

Erstellt am 21. April 2013 von Denis Sasse @filmtogo

Roger Rabbit (in Deutschland von Wolfgang Ziffer gesprochen) und Bob Hoskins als Privatdetektiv Eddie Valiant in “Falsches Spiel mit Roger Rabbit” (1988) von Regisseur Robert Zemeckis

Basierend auf Gary K. Wolfs Roman „Who Censored Roger Rabbit?“ drehte Regisseur Robert Zemeckis, lange Zeit vor seinen filmischen Ausflügen ins Motion Capture Verfahren („Der Polarexpress“, „Beowulf“ und „Die Weihnachtsgeschichte“) den halb in der realen Welt, halb in der animierten Toon Town angesiedelten Krimi-Noir-Film „Falsches Spiel mit Roger Rabbit“. Der Film des Jahrgangs 1988 erzählt die Geschichte des Privatdetektivs Eddie Valiant (Bob Hoskins), der in einem Mordfall ermittelt, der dem berühmten Cartoon-Hasen Roger Rabbit angehängt werden soll. Schon von den ersten Momenten an macht Zemeckis seine verrückte, abgedrehte Welt deutlich, in der die Maroon Cartoons zu den erfolgreichsten Erzeugnissen Hollywoods gehören. In Los Angeles angesiedelt, ist dieses Animationsstudio eine Anspielung auf die Warner Bros. wie auch auf Walt Disney. Und wahrlich finden sich im gesamten Film, das darf als größter Coup von „Roger Rabbit“ betrachtet werden, immer wieder Zusammenspiele von Disneyfiguren mit Warners Looney Tunes. So erinnert nun auch diese Anfangssequenz – verrückt: echte Dreharbeiten zu einem Cartoon – an klassische Looney Tunes Cartoons, in denen Figuren wie Bugs Bunny, Daffy Duck, Yosemite Sam und Schweinchen Dick auftreten durften. Hier ist jedoch Baby Herman der große Star: Ein kleiner niedlicher Wonneproppen, der sich durch eine gefährliche Küche bewegt, auf der Jagd nach leckeren Keksen. Alle Fallen und Stolpersteine nimmt ihm Roger Rabbit vorweg, mimt damit den typischen Cartoon-Trottel, der mit aus dem Schädel heraustretenden Augen besonders große Schockmomente darstellt und dem Kühlschränke, Ambosse oder Klaviere auf den Kopf fallen können, ohne das ihm etwas zustößt. Das Schlimmste, was geschehen kann, ist, wenn der Star des Films nicht wie gewünscht Sterne sieht, nachdem ihm was auch immer auf den Kopf gefallen ist, sondern kleine Vöglein. Dann schreit der Regisseur Cut, alles muss von vorn beginnen.

Doch eigentlich beginnt hier nun erst der wirkliche Wahnsinn. Die Perspektive wechselt, das vor der Kamera verschwindet, die Zuschauer werden mit hinter die Kamera genommen, wo aus Baby Herman ein Zigarre rauchendes Blag wird. Das ist überhaupt nicht mehr süß und niedlich, sondern ein grantiges kleines Wesen mit einer Stimme, die einem alten Mann gehören könnte. Auftritt Bob Hoskins, mit Schlapphut und Mantel, wie ein richtiger Noir-Detektiv aussehend, kommentiert er das Chaos mit einem einfachen Wort: „Toons!“. Die Abneigung steht ihm ins Gesicht geschrieben, die darf er auch jederzeit ausleben, wurde sein Bruder doch von einem Toon ermordet, der ein Piano auf den Menschen niederfallen lies. Hier ist der Unterschied zu erkennen: Nicht nur sind die Toons gezeichnete Wahnsinnige, sie sind auch fast unsterblich. Kein Mensch hält es aus wenn man einen Kühlschrank auf ihn wirft, kein Mensch wird fünf Sekunden in der Luft verweilen, bevor er beginnt in die Tiefe zu fallen. In diesem Mash-Up muss nun Hoskins ermitteln, aus seinem Detektivbüro heraus. Wenn er dieses betritt wird er von melancholischen Trompetenklängen begleitet, das Schattenspiel seiner Silhouette erinnert an die ganz Großen: Bogart und Stewart.

Judge Doom (Christopher Lloyd) mit Roger Rabbit

So sehr Bob Hoskins hier nun die Noir-Seite verkörpert, so sehr steht sein baldiger Partner Roger Rabbit für das Cartoonhafte im Film. So findet die Verschmelzung statt: Der emotional Harte, ruhige, melancholische Detektiv und der durchgeknallte Cartoonhase. Ihr Gegner ist dabei nicht nur ein Hybrid, sondern zugleich auch ein Peiniger beider Gattungen. Christopher Lloyd, der bereits für „Zurück in die Zukunft“ mit Zemeckis arbeitete, ist der Toon im Menschenkostüm, Judge Doom genannt, ein Tyrann mit einer Gang von Wieseln als Handlanger, mit „The Dip“ in seinem Besitz, einer Flüssigkeit die in der Lage ist Toons zu töten, sie schlicht einzuschmelzen. Er verkörpert alles Böse was der Film zu bieten hat, entführt Rogers Ehefrau Jessica, möchte seine eigene Heimat Toon Town dem Erdboden gleich machen und stellt sich am Ende sogar noch als Mörder von Eddie Valiants Bruder heraus. Aber ebenso wie dessen Fahrt durch einen Tunnel nach Toon Town an den Klassiker „Der Zauberer von Oz“ erinnert, wenn Dorothy Gale durch die Tür schreitet und sich ihr ein farbenprächtiges Zauberland offenbart, wird auch Judge Doom selbst ein Opfer seines Dips, wird zu einer schmelzenden Pfütze, ebenso wie einst die gruselig lachende grüne Hexe in Oz.

Das erfreut dann natürlich die Bewohner Toon Towns, ihre Stadt ist gerettet, am Ende wird sie sogar ihnen zur Selbstverwaltung überlassen. Da ist auch die Feindschaft vergessen, die Donald und Daffy Duck anfangs noch am Klavier austragen. Ein seltenes Aufeinandertreffen der vermutlich bekanntesten Enten der Comicgeschichte. Ähnlich ist es um Micky Maus und Bugs Bunny bestellt, die gemeinsam bei einem Fallschirmsprung dem in die Tiefe fallenden Bob Hoskins mit weisen Cartoon-Ratschlägen zur Seite stehen. Das Toon-Aufgebot am Ende ist noch größer als nur diese figurativen Studiomarkenzeichen: Dumbo der fliegende Elefant, Betty Boop, Yosemite Sam, Droopy Dog und Tweety sind nur wenige von vielen „Real“-Toons die in „Roger Rabbit“ ein Gastspiel geben. Doch der Toon, der am Ende in Erinnerung bleibt und sich bis heute auf zahlreichen unseriösen und sicherlich nicht jugendfreien Internetseiten größter Beliebtheit erfreut ist Jessica Rabbit. Als Toon Femme Fatale stolziert sie aufreizend im pinken Glitzerkleid, mit langen feuerroten Haaren und Schmollmund durch den Film, verdreht Bob Hoskins den Kopf. Man weiß nie woran man bei ihr ist: Die treue Ehefrau oder das hinterlistige Biest? „I’m not bad“, beteuert sie, „I’m just drawn that way.“ weist sie jede Schuld von sich ab.

Jessica Rabbit (aus der Originalstimme von Kathleen Turner wurde in Deutschland Joseline Gassen)

Abseits dieser Oberflächlichkeit steckt in „Roger Rabbit“ eine Menge Humor, das Lachen als Propaganda, das Lachen was Bob Hoskins‘ Eddie Valiant verloren hat, als sein Bruder getötet wurde. „What are you seeing in that guy“ fragt er Jessica Rabbit über ihren Ehemann, sie kann nur antworten „he makes me laugh“. Das Lachen als Liebesbeweis. In einer Bar, in der der Alkoholiker Valiant regelmäßig absteigt, schafft es Roger Rabbit durch allerhand amüsanter Späßchen die zwielichtige Masse für sich zu gewinnen. Niemand möchte Judge Doom nun noch verraten wo sich Roger versteckt hält, durch das Erzeugen von Lachern hat er sich das Vertrauen der Menschen erworben. Die Wiesel, wenig sympathische Henchmen des Judges, sterben durch übermäßiges Gelächter. Eine zweite Form die der Film als Todesmöglichkeit für Toons präsentiert, allerdings explizit nur für die Bösen. Das absolut Gute vernichtet das absolut Böse. Diese Macht haben Lacher, sie können das Böse aus er Welt schaffen. Diese Aufgabe wird dann auch sogleich von Eddie Valiant übernommen, für den diese Lacher eine Lektion darstellen. Mit einem bravourösen „What’s Up, Doc?“, geklaut von Bugs Bunny, findet er seinen Humor wieder, bringt damit die Wiesel zur Strecke und rettet das Ehepaar Rabbit und Toon Town, gänzlich gegen seine vorherigen Abneigungen agierend.

Und Lacher sind es auch, die „Falsches Spiel mit Roger Rabbit“ durch seine abgedrehte Verrücktheit provoziert. Niemand hätte sich seinerzeit Bob Hoskins und einen Cartoon Hasen Seite an Seite in einem Noir-Detektiv-Film vorstellen können. Und doch hat es so wunderbar funktioniert.