Heute stand die Waldorfschule im 18. Wiener Bezirk leer (Fotos: Waldorfschule Pötzleinsdorf)
"Dennoch dürfen Montag nur jene Schüler den Unterricht besuchen, die entweder Masern-Mumps-Röteln geimpft sind, oder einen Nachweis haben, dass sie gegen Röteln geschützt sind", erklärte mir Michael Ambros, Sprecher des Gesundheitsdienstes der Stadt Wien.
Ich fragte ihn, ob das nicht etwas überzogen sei, bei einer Erkrankung wie Röteln, die für Kinder allgemein als recht harmlos gilt. "Nein! Denn auch Röteln ist eine hochansteckende virale Krankheit und ebenso meldepflichtig wie Masern, insofern gilt der Maßnahmen-Katalog des Infektionsschutzgesetzes."
Dies, so Ambros, sei zumindest der Stand von Freitag nachmittag. "Betroffene können sich auch am Wochenende über die Hotline der Stadt Wien 01-4000-87120 über den aktuellen Stand informieren."
Ferndiagnose vom Kinderarzt
Begonnen hat die Affäre am Montag dieser Woche, erzählte mir die Niederösterreicherin Martha Schachner (Namen geändert), deren sechsjährige Tochter Alma die Wiener Waldorfschule besucht. "Sie hatte leichtes Fieber, geschwollene Lymphknoten und eine Bindehautentzündung. Am Dienstag trat ein kräftiger Ausschlag auf, ansonsten fühlte sich Alma aber nicht so schlecht."
Frau Schachner rief ihren Kinderarzt an und schilderte die Symptome. Der hatte keine Zeit für einen Hausbesuch, ersuchte jedoch um ein Foto. "Ziemlich sicher Masern", lautete die Ferndiagnose. Und weil bei Masern bereits der Verdacht meldepflichtig ist, informierte der Kinderarzt gleich noch den Amtsarzt. Und während am Mittwoch die Beschwerden von Alma bereits wieder so gut wie vorüber waren, begannen nun die Mühlen der Behörden zu mahlen.Die Schulleitung der Rudolf Steiner Schule wurde kontaktiert. Auch zwei andere Kinder seien mit ähnlichen Symptomen krank gemeldet, erfuhr der Amtsarzt. Weil die Schule keine Dokumentation über den Impfstatus der Schüler vorlegen konnte, wurde seitens des Stadtschulrates daraufhin die Schule geschlossen.
Wer nicht gegen Röteln geschützt ist, muss zu Hause bleiben
23 Tage Hausarrest
Martha Schachner und ihr Mann bekamen vom Arzt die Mitteilung, dass über die Familie ein Absonderungsbescheid nach Infektionsschutzgesetz verhängt wurde. "Das bedeutet, erklärte uns der Arzt, dass wir 23 Tage lang - bis zum Ende der Inkubationszeit - das Haus nicht verlassen dürfen", erfuhr die geschockte Mutter. "Das gleiche galt für Simon, unseren elfjährige Sohn."Da Martha Schachner und ihr Ehemann beide die Masern einst als Kinder durchgemacht hatten, organisierten sie einen Bluttest. Dabei wurde ein ausreichender Antikörper-Titer festgestellt.
"An der ganzen Schule war der Teufel los", erzählt Schachner. "Alle Eltern waren aufgeregt und jeder diskutierte, wie man rasch zu einem Nachweis der Antikörper-Titer kommt. Viele ließen ihre ungeimpften Kinder impfen, andere weigerten sich."Sie selbst, schildert Schachner, haben sich dagegen entschieden, die Kinder einem Titertest zu unterziehen, weil man dafür Blut abnehmen muss. "Das wollen wir ihnen nicht zumuten." Auch impfen wollen sie die Kinder erst später - vor der Pubertät. "Weil Kinderkrankheiten gut für das Immunsystem der Kinder sind und einen nachhaltigeren Schutz hinterlassen als eine Impfung."
Am Freitag rief der Amtsarzt an und teilte Frau Schachner mit, dass bei einem Mitschüler eindeutig Röteln festgestellt wurden und es sich deshalb auch bei ihrem Kind höchstwahrscheinlich nicht um Masern, sondern um Röteln handeln würde. "Den Absonderungsbescheid können Sie jetzt vergessen, das gilt nicht mehr", erklärte ihr der Amtsarzt.
Frau Schachner war verblüfft. "Plötzlich war niemand mehr an einer genaueren Untersuchung von Alma interessiert."
Was sie nun am Montag mit den Kindern machen soll, weiß Frau Schachner trotzdem nicht. Alma ist mittlerweile – nach einem Tag Fieber und zwei Tagen leichten Beschwerden – wieder gesund. Doch darf sie deshalb schon in die Schule? Simon - wie es derzeit aussieht - nicht, denn er könnte sich bei der Schwester mit Röteln angesteckt haben. "Ich muss also Pflegeurlaub nehmen, um zwei gesunde Kinder zu betreuen."
PS: Meine Ansicht zu Masern und Impfpflicht habe ich in diesem Artikel beschrieben.