Fallout 4 – Game of the Year Edition

Von Pressplay Magazin @pressplayAT

Fallout 4 – Game of the Year Edition

8Action-RPG

Bald sind es zwei Jahre her: Im November 2015 erschien das ersehnte Endzeit-Epos Fallout 4, in weiterer Folge zudem noch zahlreiche DLCs. Nun darf man sich über eine Game of the Year-Komplettedition freuen. Stunden, Tage, Wochen, Monate: Wenn die Zeit mal wieder nur so im Flug zu vergehen scheint und alles andere hinten angestellt wird, dann hat Spieleentwickler und Publisher Bethesda Softworks wieder ein Mammutwerk veröffentlicht. Bereits mit dem Vorgänger Fallout 3 konnte die zweifellos als legendär zu bezeichnende Endzeit-Spielereihe beweisen, das der Schritt von der isometrischen Perspektive hin zur Ego- bzw. Third-Person-Ansicht mit Leichtigkeit begangen wurde und das immersive Spielerlebnis damit nochmal mehr Eindruck machen konnte.

Neun Jahre später – rechnet man das exzellente, aber anfangs von Bugs heimgesuchte Fallout: New Vegas von 2009 nicht dazu – kommt schließlich Fallout 4 für die neueste Konsolengeneration auf den Markt und versucht, eine Kerbe in der mittlerweile recht üppig gewordenen Open-World-Landschaft zu hinterlassen. Die Zeichen stand damals so gut wie sie wohl auch für ein aktuelles Sequel zum Zeitpunkt des Verfassens dieser Rezension stehen würden, zeichnet die Reihe doch nicht nur das opulente Setting einer hübsch zerstörten Welt aus, sondern auch die Mischung aus actionreichem Gameplay, welches eine taktische Zusatzkomponente durch das „V.A.T.S. (Vault-Tec Assisted Targeting System)“ und der hauseigene schwarze Humor.

Mehr Rechenleistung verspricht neben geringeren Ladezeiten (Geduld war bei Fallout 3 eine Tugend) auch die Möglichkeit, mit einer neuen Gameplay-Engine dem Wasteland einen zeitgerechten Anstrich zu verleihen und mit neuen Spielelementen zu locken. Zunächst bleibt bei Fallout 4 jedoch alles beim Alten, sprich- und wortwörtlich: Mittels hübschen Charakter-Editor lässt sich eine Spielfigur nach eigenem Maß erstellen und eine nette Einleitung lässt den Spieler in die faszinierende Retro-Welt des Fallout-Universums vor dem Atomkrieg treten. Schon wenig später betritt man jedoch das postapokalyptische „Commonwealth“, das neue Szenario, angesiedelt in und rund um Boston sowie Teilen Neuenglands.

Vollgepackt mit Sidequests, die von der im Vergleich zu Fallout 3 ungemein komplexeren und mit mehreren weitreichenden Enden ausgestattete Mainquest rund um ein Familienschicksal ablenken, stellt Fallout 4 in weiten Teilen ein konsequentes Sequel darf. „More of the same, but different“ möchte man dahingehend positiv herausstreichen, die Spielwelt lädt erneut zum munteren Erkunden ein. Wirklich bemerkenswert ist vor allem die Tatsache, dass Boston in einem etwas anderen Licht erstrahlt: Kräftige Farben lösen das fast durchgehend triste Grau von Fallout 3 ab und zeigen eine sich langsam erholende Flora und Fauna. Wobei: Die Tierwelt ist natürlich zu großen Teilen immer noch schlecht auf jegliche Art der Interaktion zu sprechen.

Apropos sprechen: In Sachen Dialogführung hat sich einiges geändert, ist doch nun die Spielfigur mit einer Stimme bzw. Voice-Over-Texten ausgestattet. Ebenso überarbeitet wurde das Dialogsystem, welches nun neben cineastisch anmutenden Kameraeinstellungen auf Dialogoptionen setzt, die emotionale Ausrichtungen zur Verfügung stellen: Aggressiv, freundlich, sarkastisch usw. Dies kann zu etwas Verwirrung beim Spieler angesichts der nachfolgenden Antworten führen.

Eine ebenfalls eher kleine Adaption hat das V.A.T.S.-Taktikelement erhalten, welches nun den Handlungszeitraum des Spieler durch vollkommenes Pausieren nicht mehr komplett freigibt, sondern mittels Slow-Motion nur etwas erweitert. Ein (etwas) dynamischeres Gameplay kommt dadurch zustande. Die vielleicht größte Änderung findet sich im Loot- und Crafting-System: Konnte man in Fallout 3 noch etwas sinnbefreit von Kochtöpfen bis Besen Gerümpel mit sich herumschleppen oder sammeln, ist im vierten Teil nun der Zweck in diese Richtung gegeben. Zur Modifizierung von Waffen, Rüstungen und dergleichen lassen sich nun einzelne Komponenten extrahieren, um damit sinnvolles zu basteln.

Gänzlich neu ist der Siedlungsbau, bei dem – mit wenigen Einschränkungen, etwa der genau Standort – der Spieler von Grund auf freie Hand bei der Gestaltung bekommt. Hausbau, Strom- und Nahrungsversorgung, Händlertreffpunkte, Innenausstattung und vollautomatisierte Verteidigungselemente lassen gewiefte Tüftler in neue Sphären abdriften und die ohnehin schon umfangreiche Spielzeit in ungeahnte Höhen schnellen.

Auch die Puristen unter den Fallout-Fans, die mit derlei Stadtentwicklungsoptionen nichts am Hut haben (wollen), werden dank der neuen Verwendung der Powerrüstungen ihre Freude haben. Ein gänzlich neues Verständnis jener Exoskelett-Variation wird hier eingebracht: Neue Rüstungen können Stück für Stück zusammengesetzt und modifiziert werden, der Vorteil der Verwendung ist dabei enorm. Zudem ändert sich die Spielweise beim Anlegen einer Powerarmor gewaltig, geht doch das „Feeling“ eher in Richtung Vehikelsteuerung als schlicht optischer Aufputz.

Bei der Game-of-the-Year Edition von Fallout 4 darf man sich natürlich über die Integration der sechs DLC-Add-ons (via Code, aber immerhin) freuen: Automatron, Wasteland Workshop, Far Harbor, Contraptions Workshop, Vault-Tec Workshop und Nuka-World erweitern die Spielwelt mit neuen Arealen, Haupt- und Nebenmissionen, zahlreichen Erweiterungen (Käfige für Kreaturen bauen, Förderbänder, Aufzüge, Vault-Bau, etc.) und, last but not least, Mod-Support.

Die Probleme von Fallout 4 wurden trotz der interessanten Neuerungen von den Vorgängern mitgenommen: Sämtliche Animationen, seien es die Spielfiguren bzw. Kreaturen selbst oder die Antlitze derselben, sind immer noch als „hölzern“ zu beschreiben, auch in Sachen künstlicher Intelligenz wird dem (erfahrenen) Wasteland-Wanderer oder Shooter-Enthusiasten kaum etwas entgegengesetzt. Gröbere Bugs wurde im Laufe der Zeit zu großen Teilen ausgebügelt (beim ausführlichen Durchlauf der PS4-Version war kein Gamebreaker-Bug vorhanden), bei einer umfassenden Spielwelt dieser Dimension können sie wohl aber kaum ausgeschlossen werden.

Fallout 4 ist und bleibt jedenfalls ein Pflichttitel für Open-World-Fans, die vollkommen in dieser schrägen, mit schwarzem Humor angereicherten Retro-Steampunk-Post-Apokalypse aufgehen wollen. Die Einbindung von neuen Crafting-Möglichkeiten stellt je nach eigener Auffassung Fluch oder Segen dar, grundsätzlich wurde aber offensichtlich viel Zeit in die Entwicklung gesteckt, damit auch der ungeschickteste Bastel-Hasser irgendwo eine Zweckmäßigkeit des Ganzen sieht. Fallout ist und bleibt Fallout, im Guten wie im Schlechten – gespielt sollte man diesen Teil jedenfalls haben, um die berechtigte Begeisterung von Fans nachvollziehen zu können.

Plattform: PS4 (Version getestet), Xbox One, PC, Spieler: 1, Altersfreigabe (PEGI): 18, Release: 26.09.2017 (Originalversion: 10.11.2015), www.fallout4.com


Autor

Christoph Stachowetz

Aufgabenbereich selbst definiert als: Chief of Operations. Findet “Niemand ist so uninteressant wie ein Mensch ohne Interesse” (Browne) interessant.


 
–&post;