Fall Kachelmann: Herr Richter am Amtsgericht Mannheim Reemen hält die Entscheidung des Oberlandesgerichts weiter unter Verschluss!

Erstellt am 20. Juni 2012 von Stscherer

© Alexander Dreher / pixelio.de

Der Fall Kachelmann treibt weiterhin seltsame Blüten.

Gestern erreichte mich nun endlich die Entscheidung des Amtsgerichts Mannheim, nach der weiterhin eine Veröffentlichung des Beschlusses des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 29.07.2010 abgelehnt wird.

Wie den regelmässigen Lesern dieses Blogs (oder denjenigen, die den Fall Kachelmann verfolgt haben) sicherlich noch in Erinnerung ist, war es dieser Beschluss, durch den der Haftbefehl des mannheimer Ermittlungsrichters Siegfried Reemen gegen den Wettermoderator Jörg Kachelmann vom 25.02.2010 aufgehoben wurde. Umgehend erhielt der inzwischen rechtskräftig Freigesprochene seine Freiheit wieder.

Die nun am 13.06.2012 erlassene Entscheidung des AG Mannheim aufgrund meines Antrags hat eine etwas längere Vorgeschichte. Wie schon berichtet, lehnte es zunächst die Staatsanwaltschaft Mannheim ab, mir den Beschluss des OLG auszuhändigen. Im Anschluss daran stellte ich den Antrag auf Freigabe des Beschlusses  beim nach meiner Ansicht zuständigen Amtsgericht Mannheim – übrigens ein Umstand, der im nun ergangenen Beschluss unerwähnt bleibt, denn zu diesem Zeitpunkt hielt sich das Amtsgericht Mannheim noch für unzuständig.

Für meinen dann folgerichtig beim Verwaltungsgericht Karlsruhe eingebrachten Antrag hielt sich nun wieder dieses Gericht für nicht zuständig und verwies auf meinen ergänzenden Antrag hin… genau, erneut an das Amtsgericht Mannheim. Dort hatte man das Verfahren nun endgültig „an der Backe“ – und unternahm erst einmal garnichts.

Nach einigen Wochen erinnerte ich sowohl beim Verwaltungsgericht Karlsruhe als auch beim Amtsgericht Mannheim zum ersten Aktenzeichen und bat eindringlich um Fortgang, denn zu diesem Zeitpunkt war mir noch nicht einmal ein neues Aktenzeichen durch das AG Mannheim mitgeteilt worden. Daraufhin erhielt ich von dort einen Anruf, man müsse das Verfahren erst einmal suchen… Gestern nun ging endlich, wie erwähnt, die Entscheidung bei mir ein.

Ich schildere diesen Verlauf, weil mir diese gesamten Umstände schon auffielen als ungewöhnlich, sogar seltsam – jedenfalls für einen Rechtsanwalt und Notar mit einigen Jahren Berufserfahrung aus der norddeutschen Tiefebene, denn hier werden in der Regel die Verfahren doch etwas “zielgerichteter” durch die Gerichte betrieben. Und meine Verwunderung steigerte sich noch, als ich feststellte, wer diesen Beschluss nun gefasst hat: tatsächlich, der Richter am Amtsgericht … Siegfried Reemen. Zufälle gibt es.

Sie können sich an den Namen noch erinnern? Sicher, er steht schon am Anfang dieses Blogeintrags. Ich habe allerdings ein wenig länger nachdenken müssen, um wen es sich dabei handelt: aber tatsächlich ist Herr Reemen derjenige Richter, der dem inzwischen rechtskräftig freigesprochenen Jörg Kachelmann durch seinen Haftbefehl einige Monate Untersuchungshaft bescherte.

Und genau dieser Richter entschied jetzt darüber, ob die zu diesem Verfahren ergangene Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe weiterhin im Giftschrank der mannheimer Justiz verwahrt werden darf – und damit nicht der öffentlichen und wissenschaftlichen Diskussion zugänglich ist. Ich für meinen Teil bin da durchaus überrascht und denke, da sollte man doch schon einmal ein wenig genauer auf die Begründung des Beschlusses schauen. Immerhin war es ja Herr Reemen, der vom OLG “aufgehoben” wurde.

Herr Richter am Amtsgericht Siegfried Reemen jedenfalls begründet seine Verweigerung, den Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe in anonymisierter und neutralisierter Fassung zu veröffentlichen, wie folgt:

„In dem wegen des Verdachtes der Vergewaltigung durchgeführten Strafverfahren, in dem der Angeklagte freigesprochen wurde, wurden in erheblichem Umfang Umstände erörtert, die den Kernbereich der Intim- und Privatsphäre betreffen und daher auch in weiten Teilen zum Ausschluss der Öffentlichkeit in der Hauptverhandlung führten. Dies bezieht sich nicht nur auf den Angeklagten und die Anzeigeerstatterin, sondern auch auf zahlreiche vernommene Zeugen.“

Zugegeben, damit hat der Herr Ermittlungsrichter durchaus Recht, nur schiesst er mit dieser Aussage völlig am Ziel vorbei – die Herausgabe des Urteils war überhaupt nicht von mir verlangt, sondern diejenige des Beschlusses des OLG Karlsruhe über die Aufhebung des von ihm erlassenen Haftbefehls – und in diesen beiden Entscheidungen konnten Zeugenaussagen anlässlich des späteren Prozesses noch überhaupt keine Rolle spielen.

Aber weiter:

„Durch die umfangreiche Berichterstattung in den Medien und die Beachtung, die das Verfahren in der Öffentlichkeit gefunden hat, bleiben auch bei einer Anonymisierung die handelnden Personen weitgehend bestimmbar und damit erkennbar. Eine über die Anonymisierung hinausgehende ,Neutralisierung” durch Entfernen aller entsprechenden Textpassagen würde im Ergebnis zu einer inhaltlich zusammenhanglosen Fassung des Urteils führen, der kein auf das Verfahren bezogener Informationszweck mehr zukommen könnte.“

Auch hier wiederum – bei allem Respekt vor dem verehrten Richter Reemen – nach meiner Einschätzung eine komplette Themaverfehlung: es geht überhaupt nicht um das Urteil des Landgerichts Mannheim, sondern um den Beschluss des Oberlandesgerichts. Und um die Frage, ob der Inhalt dieses Beschlusses unverständlich wäre, wenn man ihn kürzen würde, komme ich noch zurück, versprochen.

Deswegen erst einmal weiter mit der Argumentation von Herrn Richter Reemen:

„Auch das vom Antragsteller angeführte Interesse einer publizistischen oder wissenschaftlichen Verwertung führt zu keinem anderen Ergebnis.

Die Diskussion des Urteils in Bezug auf eine bedenkliche Rechtsentwicklung oder Fortentwicklung des Rechts, wenn eine fachwissenschaftliche Diskussion ermöglicht wird, rechtfertigt keine Veröffentlichung dieser Entscheidungen im Wortlaut.

Vorliegend überwiegt eindeutig ein schutzwürdiges Interesse des Freigesprochenen sowie weiterer Verfahrensbeteiligter.

Anhaltspunkte für eine bedenkliche Rechtsentwicklung oder die Notwendigkeit einer fachwissenschaftlichen Diskussion zur Fortentwicklung des Rechts sind nicht ersichtlich.

Kernpunkt der Entscheidung des OLG sowie des Landgerichts war die Beweiswürdigung.

Eine Diskussion – auch fachwissenschaftliche – auch durch den Staatsbürger verlangt jedoch nicht die Interessen anderer hintanzustellen.“

Mit Verlaub, das ist dann allerdings schon eine ziemlich arrogant wirkende Feststellung des verehrter Ermittlungsrichters, denn damit setzt er sich in einen nicht unerheblichem Widerspruch zur höchstrichterlichen Rechtsprechung. Ich zitiere durchaus exemplarisch hierzu das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, Urteil vom 26.02.97, Az.: BVerwG 6 C 3.96):

Die Pflicht (zur Veröffentlichung) umfasst dabei alle Entscheidungen, an deren Veröffentlichung die Öffentlichkeit ein Interesse hat oder haben kann. Insoweit besteht sogar eine Rechtspflicht der Gerichtsverwaltung zur Publikation veröffentlichungswürdiger Gerichtsentscheidungen. Diese Pflicht folgt aus dem Rechtsstaatsgebot einschließlich der Justizgewährungspflicht, dem Demokratiegebot und auch aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung: Gerichtliche Entscheidungen konkretisieren die Regelungen der Gesetze; auch bilden sie das Recht fort (vgl. auch § 132 Abs. 4 GVG). Schon von daher kommt der Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen eine der Verkündung von Rechtsnormen vergleichbare Bedeutung zu.

(…)

Maßgeblich sind also das tatsächliche oder mutmaßliche Interesse der Öffentlichkeit und das Interesse derjenigen, die in entsprechenden Angelegenheiten um Rechtsschutz nachsuchen wollen.

Näheres lässt sich unter anderem hier nachlesen: Fall Kachelmann: Die geheime Urteilsbegründung des Landgerichts Mannheim « Rechtsanwaltssozietät Scherer & Körbes.

Und im Lichte dieser Rechtsauffassung nicht nur des Bundesverwaltungsgerichts erscheint es dann schon äusserst fragwürdig und zudem überheblich, wenn Herr Richter am Amtsgericht Reemen in seinem Beschluss ausführt, für ihn seien “Anhaltspunkte für eine bedenkliche Rechtsentwicklung oder die Notwendigkeit einer fachwissenschaftlichen Diskussion zur Fortentwicklung des Rechts (…) nicht ersichtlich.” Schliesslich kann es kaum darauf ankommen, ob er seine Fehler – oder die Fehler der Mannheimer Staatsanwaltschaft – sieht oder nicht, sondern es kommt darauf, dass die Entscheidungen der mannheimer Justiz im Fall Kachelmann nun einmal äusserst diskutabel sind (wie im übrigen nahezu jede Gerichtsentscheidung) und die Öffentlichkeit ein Recht darauf hat, Entscheidungen auch der Justiz in Mannheim kritisch zu hinterfragen.

Aber gut, nehmen wir zur Kenntnis, dass die Justiz in Mannheim weiter mauert, was den Kachelmann-Prozess betrifft. Die Verweigerungshaltung der dort Agierenden ist inzwischen deutlich genug und braucht nach meiner Einschätzung keiner weiteren Nachweise.

Deswegen ist jetzt für mich ein Punkt erreicht, an dem andere darüber nachdenken müssen, ob es der Justiz in einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat gut ansteht, wenn massiv in der Öffentlichkeit diskutierte Gerichtsverfahren in ihren Entscheidungen nicht kritisch hinterfragt werden können, weil sich die Gerichte dieser Diskussion durch Geheimhaltung ihrer Entscheidungen mit für mich fadenscheinigen Begründungen entziehen. Ich nämlich kenne die Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe schon seit Beginn meiner Versuche, eine Veröffentlichung zu erreichen, weswegen ich zum einen keinerlei voyeuristisches Interesse an deren Inhalt habe und zum anderen die Gründe zu kennen glaube, aus denen heraus das Amtsgericht, das Landgericht und die Staatsanwaltschaft in Mannheim nicht so gerne wollen, dass die Entscheidung des OLG Karlsruhe – und die des LG Mannheim, aber das ist noch einmal eine andere Geschichte – öffentlich werden.

Tatsächlich hat das Oberlandesgericht Karlsruhe sich nämlich äusserst kritisch mit dem vorangegangenen Verfahren und den Anschuldigungen der Nebenklägerin auseinander gesetzt, zumal dort zu diesem Zeitpunkt schon das Gutachten der Sachverständigen Greuel vorlag – und es kam zu durchaus wenig schmeichelhaften Ergebnissen für die mit dem Fall befasste mannheimer Justiz.

Das  Oberlandesgericht Karlsruhe stellte in seiner Entscheidung zunächst die Abgrenzung von hinreichendem Tatverdacht und dringendem Tatverdacht umfangreich dar – warum wohl, wenn doch der zuständige Ermittlungsrichter und die Staatsanwaltschaft in Mannheim so überzeugt von einer Fortdauer der Haft für Herrn Kachelmann waren? Man gewinnt beim Lesen der Entscheidung schon sehr früh den Eindruck, dass das Oberlandesgericht einen sehr klaren und wenig verklausulierten Hinweis geben wollte… warum sonst erklärt es die theoretische Rechtslage? Und, vor allen Dingen, wem?

Im Anschluss daran bezeichnet der Senat sehr deutlich das Kernproblem des Falles: der Bewertung der Aussage der Nebenklägerin aufgrund der Vier-Augen-Situation bzgl. des angeblichen Tatgeschehens; und er steuert direkt zu auf die Fragen zur Einordnung der zahlreichen und schon zu diesem frühen Zeitpunkt zweifelsfrei nachgewiesenen Lügen der Nebenklägerin:

  • Die Behauptung, sie habe den kompromittierenden Brief einschliesslich der Flugtickets am (angeblichen) Tattag gefunden, war eine Lüge.
  • Die Behauptung, sie wisse er nicht, wer den Brief geschrieben habe – nämlich sie selbst (!) -, war eine Lüge.
  • Die Behauptung, den Brief und die Tickets erst nach dem Chat mit dem Angeklagten gefunden zu haben und dann von dem ursprünglich gemeinsam gefassten Plan der Reihenfolge „Erst Sex, dann Essen“ abgewichen zu sein, war eine Lüge.
  • Die Behauptung, den von ihr selbst im Chatverkehr mit einer Nebenbuhlerin benutzten Fantasienamen nicht zu kennen, war eine Lüge.

Damit war im Grunde genommen die gesamte Vorgeschichte der angeblichen Vergewaltigung erlogen, denn die Nebenklägerin wusste seit langer Zeit von den weiteren Liebschaften des Angeklagten, sie hatte intensive Nachforschungen über diese angestellt und selber Unterlagen angefertigt, um ihn mit seinem Lebenswandel konfrontieren zu können – kurz, sie hatte Vieles von langer Hand geplant und nicht ansatzweise so spontan überlegt, wie sie vorgab.

An dieser Stelle sei ein kleiner Hinweis auf den Prozess erlaubt: immerhin musste die Nebenklägerin später sogar einräumen, den Brief und die Flugtickets schon zu einem vorhergehenden Treffen wenige Wochen vorher mitgenommen zu haben, doch dort nicht mutig genug gewesen zu sein, um den Angeklagten damit zu konfrontieren – sie hatte also seit Wochen einen solchen Plan, den sie dann am angeblichen Tattag umsetzte.

Bei Ihren Lügen bewies die Anzeigeerstatterin auch schon nach der Auffassung des OLG Karlsruhe ein erhebliches Beharrungsvermögen, denn diese massiven Lügen hielt sie nachweislich über diverse Vernehmungen bis hin zur Behandlung bei ihrem Therapeuten strikt durch – bei dem Therapeuten, der nach eigener Überzeugung zwar Angst, objektiv gesehen aber keine Lügen erschnüffeln konnte.

Man kann es also durchaus deutlich sagen, so deutlich wie das Oberlandesgericht Karlsruhe: die Nebenklägerin log nachweislich in mindestens vier Fällen, sie hielt diese Lügen trotz massivem Befragungsdruck aufrecht, und diese Lügen waren Kernstücke ihrer Aussage über den von ihr behaupteten Sachverhaltsverlauf, der eine anschliessende Vergewaltigung überhaupt erst möglich machen würde.

Denn halten wir uns vor Augen: stimmt die Reihenfolge der Geschehnisse, die der Angeklagte behauptet hat – „erst Sex, dann Essen, dann Beziehungsgespräch“ – dann ist für die beschriebene Vergewaltigung schlicht kein Raum mehr.

An dieser Stelle sei mir noch ein weiterer kleiner Exkurs zum Prozess selbst und zu der unsäglichen mündlichen Begründung des VRiLG Seidling erlaubt: Dort wurde ja davon gesprochen, es sei nicht nur die Nebenklägerin gewesen, die gelogen habe, sondern auch der Angeklagte. Hier zeigt sich, wie rücksichtslos der Vorsitzende mit dem Prozeßstoff umging, denn an dieser Stelle ist mit einer Legende aufzuräumen: der Angeklagte Jörg Kachelmann hat nämlich mitnichten in der Hauptverhandlung die Aussage verweigert, sondern er hat seine Aussage gegenüber dem Ermittlungsrichter verlesen lassen und einzig und allein keinerlei Nachfragen des Gerichts mehr beantwortet – eine durchaus nachvollziehbare Entscheidung gegenüber einem Gericht, welches bis zur mündlichen Urteilsbegründung auf striktem (Vor-?)Verurteilungskurs war.

In seiner Aussage allerdings gab es nur einen Punkt, der diskutabel war, und den man als anfängliche Lüge bezeichnen könnte, wenn man dem inzwischen rechtskräftig Freigesprochenen übel will: die Frage der Entfernung des Tampons. Hierzu sagte Jörg Kachelmann zunächst aus, er habe diesen nicht entfernt – und korrigierte sich sofort, spontan und noch im Rahmen der Vernehmung, er könne sich nicht mehr daran erinnern, daß er ihn entfernt habe. Nicht für mich, sondern für jeden, der sich schon einmal mit der Glaubwürdigkeitsprüfungen beschäftigt hat, ist dies nicht etwa der Nachweis einer Lüge, sondern ganz im Gegenteil, der Nachweis der Authentizität einer Aussage in Form einer klaren Unterscheidung zwischen Tatsachen, die jemand noch erinnert, und Tatsachen, die er nicht (mehr) erinnert; wirklich jeder, der sich einmal mit den Lehren zur Prüfung von Zeugenaussagen beschäftigt hat, wird mir das bestätigen.

Wenn also in der mündlichen Urteilsbegründung von „Lügen des Angeklagten“ die Rede ist, dann handelt es sich hierbei gerade nicht um Lügen, die mit dem Geschehen am angeblichen Tattag zusammen hängen, sondern es handelt sich um die „allgemeinen Lebenslügen“ des Angeklagten gegenüber seinen Liebschaften, die man in der Mannheimer Justiz ausgemacht haben will. Nun kann den Lebenswandel des Wettermoderators moralisch werten wie man will, eine Relevanz für den eigentlichen Tatvorwurf der Vergewaltigung und dessen Aufklärung hat dies keinerlei erkennbare Relevanz.

Und darin sehe ich den eigentlichen Vorwurf, den man VRiLG Siedlung machen muss: er verknüpfte in unzulässiger Weise seinen moralischen Vorwurf gegenüber Jörg Kachelmann mit dem Freispruch und stellte die angeblichen “Lebenslügen” des Angeklagten mit den tatsächlichen Lügen der Nebenklägerin im Rahmen des Strafverfahrens auf eine Stufe.

Das Oberlandesgericht Karlsruhe jedenfalls würdigte die Lügen der Nebenklägerin durchaus anders, denn der Senat sprach schon hier von einer sehr grossen Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei der Aussage der Nebenklägerin um eine Falschaussage handeln könnte, und er attestierte Kachelmanns Ex-Geliebter nicht nur eine starke Motivation zu einer solchen Falschaussage, sondern auch eine sehr ausgeprägte Fähigkeit, eine solche abgeben und über einen längeren Zeitraum durchhalten zu können.

Im weiteren Verlauf der Begründung des Beschlusses machte der Senat sehr deutlich, wohin nach seiner Auffassung die Reise im weiteren Verfahren hätte gehen müssen – und wie das Landgericht Mannheim tunlichst die Hauptverhandlung hätte führen sollen. Denn das Oberlandesgericht beschäftigte sich schon in diesem frühen Zeitpunkt des Verfahrens mit dem massiven Bruch in der Aussage der Nebenklägerin: waren die Schilderungen der Nebenklägerin bis zum Erscheinen des Angeklagten in ihrer Wohnung noch detailreich, so wurden sie plötzlich „wenig detailreich“, je näher sie der Schilderung der angeblichen Tat kam.

Bedenken muss man dabei, dass der Entscheidung des OLG Karlsruhe das Gutachten der Sachverständigen Gräuel schon zugrunde lag, und dessen Inhalt war nach der Intention des Senats verheerend für den Wert der Aussage der Nebenklägerin – und damit natürlich auch für die Staatsanwaltschaft als Anklagebehörde und für das Landgericht Mannheim, welches offensichtlich vor dem Eingang des Gutachtens und damit vorschnell die Anklage zugelassen hatte.

Aber nicht nur das, denn nachfolgend wies der Senat unter Bezugnahme auf das Gutachten der Sachverständigen Prof. Greuel insbesondere die Staatsanwaltschaft Mannheim auf einen Zirkelschluss hin: Als Ursache für eine posttraumatische Belastungsstörung, in deren Folge auch die Fähigkeit eingeschränkt sein kann, Erlebtes wiederzugeben, komme nicht nur das von der Staatsanwaltschaft angenommene lebensbedrohliche Ereignis in Betracht, sondern eben auch der Verlust der Lebensperspektive durch die Trennung von einem Partner, der einen betrogen hat – ein Ansatz, der eigentlich offen auf der Hand lag, der jedenfalls nicht ansatzweise so fernliegend war, wie er von der Staatsanwaltschaft vor dem Beschluss des Oberlandesgerichts – aber eigenartigerweise auch danach – hingestellt wurde.

So offenbarte das Oberlandesgericht Karlsruhe schon vor dem Beginn der Hauptverhandlung schonungslos die Schwachpunkte der Anklage:

  • Die diversen Lügen der Nebenklägerin zum Randgeschehen waren nachgewiesen und erkennbar in der mündlichen Verhandlung nicht mehr zu heilen.
  • Die fehlende Erlebnisorientiertheit ihrer Schilderung des gesamten Ablaufs am angeblichen Tattag einschliesslich der angeblichen Vergewaltigung war aktenkundig, die Beurteilung der Sachverständigen Greuel vernichtend für die Aussage der Nebenklägerin.
  • Die massiven Belastungs- und Bestrafungsmotive der Anzeigeerstatterin waren unübersehbar und ebenfalls in einer mündlichen Verhandlung nicht mehr hinweg zu diskutieren – für den Senat lagen sie schon weit vor dem Beginn der Hauptverhandlung auf der Hand.

Das Oberlandesgericht berief sich dabei zu seiner Begründung auf die Aussagen der Kernsachverständigen Greuel und erteilte gleichzeitig den zirkelschlüssigen Annahmen der Staatsanwaltschaft eine klare Absage.

Damit war der Weg der Hauptverhandlung eigentlich vorgezeichnet: letzlich hätte es einer klaren, und im übrigen auch von der Prozessordnung vorgegebenen Reihenfolge  des Prozessverlaufs bedurft:

  • Vernehmung der Nebenklägerin
  • Prüfung der Belastbarkeit ihrer Aussage
  • Prüfung der angeblichen Tatspuren einschliesslich des angeblichen Tatmessers

Nach Allem, was wir bisher wissen, wäre damit die Angelegenheit sehr schnell erledigt gewesen, nicht eine einzige Freundin des Angeklagten hätte vernommen werden müssen – und deswegen hätte keine von ihnen auf Kosten der Persönlichkeitsrechte des Angeklagten Geld mit ihrer Story verdienen können, keine Einzelheiten des Privatlebens des Angeklagtens oder der Nebenklägerin hätten in nichtöffentlicher Sitzung erörtert werden müssen – und nicht zuletzt hätte der Prozess auch in einem normalen zeitlichen Rahmen abgearbeitet werden können.

Und daraus stellen sich für die Öffentlichkeit schon mindestens zwei erhebliche Fragen:

  • Warum ist das so nicht geschehen?
  • Wer hatte ein Interesse daran, dass dies nicht geschah?

Ich kann diese Fragen beim besten Willen nicht beantworten!

Einfacher tue ich mich da mit der Frage, warum die Justiz in Mannheim diesen Beschluss des OLG Karlsruhe nicht veröffentlicht sehen will: er ist ihr schlicht und ergreifend peinlich, so vermute ich.

Photo: www.pixelio.de