Quo vadis Europa? Gedanken zu unserer politischen Landschaft…
Die Nächte sind derzeit sehr kurz und intensiv bei Aaron. Teilweise wacht er schon zwischen drei und vier Uhr in der Früh auf, weil ihn sein Gedankenkreisel nicht mehr schlafen lässt. Er wälzt sich aber dann nicht hin und her, das bringt nichts.
Er steht auf, macht sich die erste Tasse Kaffee und genießt die Stille des Morgengrauens vom Balkon aus. Leere Straßen, ein leichter Wind, der durch die Bäume streift und eine gemütliche Zigarette runden das Ganze ab.
Die Kinder schlafen noch drei Stunden, bevor sie sich auf den Weg zur Schule machen. Aaron blickt zu seiner Ehefrau ins Schlafzimmer, die sich gerade im Bett umdreht, um dann gleich wieder einzunicken. Süß wie immer sieht sie dabei aus.
Das politische Zeitgeschehen bereitet dem 40Jährigen gewaltig Kopfzerbrechen. Da gibt es mächtige Männer und Frauen, die nicht mehr über den Tellerrand sehen und immer patriotischer werden. Sie leugnen einen von Menschen gemachten Klimawandel, hetzen gegen Homosexuelle und rüsten militärisch auf wie lange nicht mehr.
Andere Staatschefs wiederum liefern WWaffen in Kriegsgebiete, in denen unschuldige Menschen sterben, nur um die Industrie zu bedienen. Daher boomt die Wirtschaft. Ihre eigenen Leute im Land vernachlässigen sie. Rentner müssen Pfandflaschen sammeln, weil das Geld nach 40 Jahren harter Arbeit nicht mehr reicht. Pflegekräfte schuften bis zum Umfallen für einen Hungerlohn, die alten Menschen in den Heimen leiden an miserablen Verhältnissen.
Flüchtlinge suchen Asyl, weil sie aus Ländern kommen, die durch unsere Exporte zerstört werden.
Die Eisberge schmelzen, es wird immer wärmer. Das Wasser wird knapp, einige Konzerne wollen dieses Grundrecht gar privatisieren, um noch mehr Profit zu machen.
In großen Städten gibt es an den Rändern prunkvolle Villen, im Bezirk daneben leben ganze Familien von staatlicher Grundsicherung. Für deren Kinder ist die Armut vorprogrammiert.
Das Bildungsniveau sinkt, die Jugend wird zunehmend aggressiver und medienabhängiger. Hobbies und Interessen werden vernachlässigt, gehen verloren oder entstehen gleich gar nicht. Obendrein herrscht massiver Lehrermangel.
Die jungen Menschen, die gegen die Umweltverschmutzung demonstrieren, werden von der Hälfte der Bevölkerung auch noch veräppelt, obwohl sie von Experten bestätigt wurden.
Rechte Meinungen, Hetze und Antisemitismus sind jetzt wieder salonfähig geworden. Parteien, die soziale Themen aufgreifen und im Wahlprogramm zur Chefsache machen, werden als Kommunisten und Wirtschaftszerstörer abgestempelt und ausgelacht.
Einwanderer und Asylsuchende werden vom Staat ghettoisiert und dann beschwert sich der Mob, weil einige durch Nichtgewährung von Sprachkursen erst sehr spät die Landessprache beherrschen.
Hochrangige Politiker schieben sich in Europa gegenseitig Posten zu, ohne dass sie vom Volk gewählt wurden.
Meldungen aus aller Welt, überwiegend Hungersnöte, die den Regierungen nicht ins Schema passen, werden nicht erwähnt.
Fakenews informieren die aufgebrachte Meute falsch. Der Bürger weiß teilweise nicht mehr, wem er Glauben schenken kann.
Zeitarbeitsfirmen pressen die einfachen Leute in unmögliche Dienstzeiten, Führungskräfte werden immer reicher und korrupter.
Kitaplätze sind bereits Mangelware.
Aaron gefällt das alles nicht, würde man auf Facebook sagen. Selbst er schweigt, weil er mittlerweile Angst hat. Es ist die Furcht vor Altersarmut und der Existenzsicherung seiner Kinder.
Die Entwicklung schmerzt ihn sehr. Es ist einer der Hauptgründe für die schlechten Träume, denn Aaron ist und bleibt ein Sozialdemokrat.