Leichter, energiesparender, umweltfreundlicher - so soll das Auto der Zukunft sein. Um dies zu erreichen, forschen Wissenschaftler der Uni Kassel an neuen Einsatzmöglichkeiten für einen traditionellen Werkstoff: Holz aus deutschen Buchenwäldern.
Die europäische Automobilindustrie ist unter Druck. Bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor hat die EU-Kommission ehrgeizige Ziele gesetzt, um den CO2-Ausstoß in den kommenden Jahren deutlich zu reduzieren. Zugleich forschen alle Hersteller angesichts immer schärferer Umweltauflagen und steigender Ölpreise an elektrischen Antriebskonzepten. Doch beide Ziele stehen in Konflikt mit einem Megatrend im automobilen Fahrzeugbau. „In den vergangenen vier Jahrzehnten sind Personenwagen immer schwerer geworden“, erklärt Prof. Dr.-Ing. Stefan Böhm, Leiter des Fachgebiets Trennende und Fügende Fertigungsverfahren (tff) an der Universität Kassel: „Heutige Kompakt- und Mittelklassewagen wiegen in der Regel mehrere Hundert Kilogramm mehr als ihre automobilen Vorfahren in den 70er oder 80er Jahren.“
Um die CO2-Grenzwerte der Zukunft einzuhalten und die Reichweite batteriebetriebener Autos zu erhöhen, müssen die Fahrzeuge in Zukunft leichter werden. Hier setzt das von der Uni Kassel koordinierte Forschungsprojekt „Holzformteile als Multi-Material-Systeme für den Einsatz im Fahrzeug-Rohbau“ (HAMMER) an. „Buchenholz hat viele Vorteile“, sagt Böhm: „Es besitzt beispielsweise bei einem Zehntel des Gewichts von Stahl ein Drittel der Festigkeit.“ Für die Herstellung von holzbasierten Komponenten müsse zudem nur ein Bruchteil der Energiemenge aufgewandt werden, die bei der Herstellung von Aluminium-, Kunststoff- oder Stahlbauteilen notwendig ist.
Richtig eingesetzt besitzen Bauteile aus Buchenholz eine verblüffende Festigkeit. Der grüne Werkstoff hat so das Potenzial, die Fahrzeuginsassen auch bei Unfällen sicher zu schützen. „Holz ist ein reversibel verformbares Material und kann durch seine Verformbarkeit sehr gut Crashenergie abbauen“, sagt der Projektleiter Daniel Kohl: „Gleichzeitig ist es durch seine Faserstruktur in Verbindung mit weiteren Materialien, wie z.B. Textilien oder Metallfolien, im Verbund besonders durchbruchsicher.“ Um auch Verrottung und Brandgefahr der Holzbauteile auszuschließen, arbeiten die Forscher im Rahmen des Projekts an einer speziellen Imprägnierung. Vor Feuchtigkeit, Schädlingen und Feuer geschützt sind Holzbauteile auch auf lange Sicht hin sehr stabil.
Als natürlicher Rohstoff ist Holz ein besonders nachhaltiges Material, welches in großen Mengen geerntet und einfach recycelt werden kann. Dank der großen Buchenwälder in Deutschland wächst der Rohstoff gewissermaßen vor der Haustür. Weite Wege zur Anlieferung des grünen Werkstoffs entfallen, was die CO2-Bilanz nochmals verbessert.
Nach Auffassung der an HAMMER beteiligten Forscher könnten künftig wesentliche Fahrzeugkomponenten und -strukturen wie Autositze, Fahrzeugböden, Türen und Fahrzeugsäulen auf Basis von Holz hergestellt werden. „Ziel ist es, Leichtmetalle und Kunststoffe in Autos an den passenden Stellen künftig durch holzbasierte Multimaterialsysteme zu ersetzen“, erklärt Böhm: „Die dazu notwendigen Technologien werden in den Kasseler Laboren entwickelt.“ Dabei ist wichtig, dass die neuen Techniken die vorhandenen Produktionsschritte eines Autos möglichst wenig beeinflussen.
Für den Werkstoff Holz wäre es eine Renaissance im Automobilbau. Glichen die ersten Autos noch eher umgebauten Kutschen, so ging der Holzanteil an einem durchschnittlichen Auto seit Anfang des 20. Jahrhunderts mehr und mehr zurück. Heute spielt der Werkstoff Holz im Automobilbau nur noch eine Nischenrolle, etwa als Ladeboden in Lastwagen und Transportern.
HAMMER wird im Rahmen des Förderprogramms „WING – Werkstoffinnovationen für Industrie und Gesellschaft“ noch bis 2015 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt. Projektträger ist die VDI Technologiezentrum GmbH. Projektpartner der Uni Kassel sind das Fraunhofer Institut für Holzforschung WKI, Braunschweig, die sachs engineering GmbH, Engen-Welschingen, die Fritz Becker KG, Brakel und die Volkswagen AG Werk Kassel.
(Quelle: Universität Kassel )